28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 28-22 vom 15. Juli 2022 / Zeitzeugen berichten / Unruhige Schulzeit / Kriegsbedingt: Schulbesuch in Stettin, Stargard, Greifswald und Kiel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-22 vom 15. Juli 2022

Zeitzeugen berichten
Unruhige Schulzeit
Kriegsbedingt: Schulbesuch in Stettin, Stargard, Greifswald und Kiel
Brigitte Klesczewski

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte ich in Greifswald meine Schulkarriere fort. Von Oktober 1945 bis Juni 1946 besuchte ich die am Wall gelegene Oberschule. Es war das frühere Kaiserin-Auguste-Viktoria-Lyzeum, durfte aber nicht mehr so genannt werden. Nur auf einem Stempel konnte man es noch lesen, verwischt aber da.

An dieser Schule hatte Berthold Beitz 1934 sein Abitur bestanden. 66 Jahre später, im Jahr 2000, unterstützte er mit dem Alfried-Krupp-Wissenschaftlichen Kolleg in Greifswald seine Schulstadt. Seit 1953 war er in Essen in diesem Konzern in führender Stelle tätig gewesen. Nach dem Tod von Alfried Krupp 1967 war er für die Alfried-Krupp-von-Bohlen-Halbach-Stiftung zuständig, deren Aufgabe die Förderung von Kultur, Bildung, Sport, Wissenschaften, Forschung und Lehre war.

In Greifswald besuchte ich die Untertertia, die sich jetzt 4. Klasse nannte. Sie war überfüllt. Flüchtlinge und Einheimische gab es jetzt, und unter diesen gleichverteilt schlechte und gute Schüler. Etwas demütigend und ungewohnt für uns waren die immer wiederkehrenden Fahndungen der Gesundheitsbehörde nach Läusen. Neu waren auch die Informationsstunden der F.D.J., die für ihren Verein warben. 

Kurz vor den Weihnachtsferien wurde die Schule von der neuen Stadtverwaltung zu einer Weihnachtsfeier in die Stadthalle eingeladen. Für jeden Schüler gab es einen kleinen Stollen und Kakao. Nach der Erfrischung erzählten ehemalige Häftlinge von ihrer KZ-Zeit. Zum Abschluss wurde erwähnt, dass die Russen uns Backwerk und Kakao gespendet hätten. So schön könnte es für uns im F.D.J. -Heim jeden Dienstag sein. Wir zogen es aber vor, ins Theater zu gehen. Viele Schauspieler aus Stettin waren auf der Greifswalder Bühne tätig. In der Nicolai-Kirche fanden unter der Leitung von Kantor Pflugbeil Kirchenmusikabende statt, die unseren Beifall fanden. Kantor Pflugbeil hatte während des Krieges einen Arm verloren, spielte dennoch hervorragend Orgel und wir bewunderten ihn.

Der Fokus lag woanders

Schule war Nebensache durch den Nachkriegsalltag geworden. Mit befriedigenden bis ausreichenden Leistungen waren jetzt auch die Eltern zufrieden. Bloß nicht weiter absacken war die Devise. Vom Besorgen und Organisieren von Lebensmitteln und Brennmaterial war man völlig erschöpft. 

Im Juni 1946 endete meine pommersche Schulzeit. Wir durften zu meinem Vater, der in Schleswig-Holstein in englische Kriegsgefangenschaft geraten war, ausreisen. In Kiel machte ich dann 5 Jahre später  mein Abitur. Nirgendwo in Pommern war ich so lange auf einer Schule gewesen, wie hier in der Hauptstadt von Schleswig Holstein.