25.04.2024

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Folge 28-22 vom 15. Juli 2022 / Preußischer Adel / Der Schlemihl aus Kunersdorf / Vor 250 Jahren starb Gräfin Henriette Charlotte von Itzenplitz – Sie führte einen Musenhof, den auch der Dichter Chamisso besuchte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-22 vom 15. Juli 2022

Preußischer Adel
Der Schlemihl aus Kunersdorf
Vor 250 Jahren starb Gräfin Henriette Charlotte von Itzenplitz – Sie führte einen Musenhof, den auch der Dichter Chamisso besuchte
M. Stolzenau/H. Tews

Bei Kunersdorf, das jetzt Ortsteil der Gemeinde Bliesdorf im Landkreis Märkisch-Oderland ist, fand auch eine Schlacht statt. Aber eben nicht jene „Schlacht bei Kunersdorf“, bei der Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg eine Niederlage gegen die verbündeten Russen und Österreicher erlitten hat. Jenes Kunersdorf liegt östlich von Frankfurt an der Oder.

Bei dem Kunersdorf jedoch, von dem hier nun die Rede sein soll, kam es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zu der Schlacht um die Seelower Höhen. Dabei wurden auch die vier Baudenkmäler zum Teil stark zerstört, die zur Attraktivität des Ortes beigetragen haben: der Dorfkrug mit seinem giebelständigen Vorlaubenhaus und dem Krüppelwalmdach, die Dorfkirche mit ihrer Kuppel über dem Rundbau und dem Turm mit dem Knickhelm, der nach Plänen von Peter Joseph Lenné entstandene Schlosspark sowie das Erbbegräbnis der Adelsfamilie von Lestwitz-Itzenplitz.

Dieses Erbbegräbnis liegt hinter der Dorfkirche Kunersdorf, wurde ab 1790 unter Mitwirkung bedeutender Künstler wie Karl Gotthard Langhans, Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch, Karl Friedrich Schinkel sowie Hugo Hagen im Stil des deutschen Klassizismus erbaut und umfasst eine beeindruckende Säulenkolonnade aus Sandstein mit neun Mauernischen. Hier ruhen Angehörige der Gutsbesitzerfamilien von Lestwitz, von Itzenplitz und von Oppen.

Besondere Beachtung finden bei Besuchern bis heute die Grabnischen für die vor 250 Jahren geborene Henriette Charlotte von Itzenplitz und ihre Mutter Helene Charlotte von Friedland. Letztere hatte nach dem Tod ihres Vaters, des Adligen Hans Sigismund von Lestwitz, im Jahr 1788 die Verwaltung des Familiengutes Kunersdorf übernommen. Dazu eignete sie sich Kenntnisse über moderne Landwirtschaft an, brachte das Gut in die Gewinnzone und sorgte als aufgeklärte Gutsbesitzerin und charmante Gastgeberin dafür, dass ihr Schloss zu einem Pilgerort für damalige Intellektuelle wurde. 

Bis zu ihrem Tod 1803 führte sie auf Kunersdorf Regie. Ihr Grabmal mit einer Urne auf einer Säule ziert die Inschrift: „Dem taetigen Geist, der diese Fluren belebte, ordnete und nun schuetzt.“

Ihre am 18. Juli 1772 in Potsdam geborene Tochter Henriette Charlotte, die 1792 mit dem Kriegs- und Domänenrat Graf Peter Alexander von Itzenplitz verheiratet wurde, übernahm nach dem Tod ihrer Mutter als Gräfin von Itzenplitz die Gutsgeschäfte auf Schloss Kunersdorf. Sie galt – wie ihre Mutter – als „Agrarpionierin“ und hielt mit Albrecht Daniel Thaer, dem in preußischen Diensten stehenden Landwirtschaftsreformer, engen Kontakt.  Ihr Briefwechsel mit Thaer ist legendär und wurde 2013 veröffentlicht („Ich ergreife mit vielen Vergnügen die Feder“, Findling Verlag, 208 Seiten, 19,80 Euro). 

Henriette sorgte für die Weiterentwicklung des Kunersdorfer Musenhofes, dem auch der Romantiker Adalbert von Chamisso angehörte. Der Dichter ging mit seiner „zarten Lyrik“, zahlreichen politischen Satiren und vor allem seinem Kunstmärchen „Peter Schlemihl“ in die deutsche Literaturgeschichte ein. Der „Schlemihl“ des Dichters wurde auf Gut Kunersdorf eigentlich für die Kinder der Hausherrin und Gastgeberin verfasst. 

Parallel wuchs auch der Umfang des Erbbegräbnisses. Mit jedem neuen Toten erhielt die Säulenkolonnade von der Hand eines berühmten Künstlers einen neuen Nischeninhalt. Graf von Itzenplitz starb 1834 in in Groß Behnitz und seine Frau Henriette Charlotte am 13. April 1848 in Berlin. Sie fand ihre letzte Ruhe ebenfalls auf dem Kunersdorfer Erbbegräbnis und bekam ein Grabrelief, das von Christian Daniel Rauch gestaltet wurde. 

Später verewigte Theodor Fontane Kunersdorf, dessen Musenhof und dessen zwei herausragenden Frauenpersönlichkeiten in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Helene Charlotte von Friedland wurde 2004 im Schlosspark ein Denkmal gestiftet. Zuletzt entstand zu Kunersdorf eine ständige Ausstellung mit Begleitschrift.