28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 30-22 vom 29. Juli 2022 / Politik / Verteidiger des Liberalismus verzweifelt gesucht / Rund ein halbes Jahr nach der Regierungsbildung tritt die FDP vor allem als Erfüllungsgehilfin rot-grüner Projekte in Erscheinung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-22 vom 29. Juli 2022

Politik
Verteidiger des Liberalismus verzweifelt gesucht
Rund ein halbes Jahr nach der Regierungsbildung tritt die FDP vor allem als Erfüllungsgehilfin rot-grüner Projekte in Erscheinung
René Nehring

Die Aufregung war groß. Anfang der Woche machten Meldungen die Runde, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) versuche, Pläne von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur „Entlastung“ der Geringverdiener zu durchkreuzen. Umgehend hielt Lindner dagegen und versicherte, ganz im Gegenteil an Plänen für eine Steuersenkung zugunsten der Geringverdiener sowie auch der „arbeitenden Mitte“ zu arbeiten. Hintergrund der Aufregung ist die Kalte Progression, die dem Staat in Zeiten einer rasanten Inflation Mehreinnahmen in die Kassen spült, während die finanziellen Spielräume der Bürger enger werden. 

Mit der Aussicht auf eine Steuersenkung setzt Lindner erstmals ein deutliches Signal im Sinne klassischer ordnungspolitischer Vorstellungen. Bislang hingegen agierte seine FDP vor allem als Erfüllungsgehilfin rot-grüner Leib-und-Magen-Themen. Weder beim Festhalten an der Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und im Personenverkehr (die es nur noch in Deutschland gibt), noch bei der dauerhaften Duldung rechtsstaatlich abgelehnter Asylbewerber und der Schaffung eines „Chancen-Aufenthaltsrechts“ (das faktisch auf einen Stopp jeglicher Abschiebungen und ein Bleiberecht für all jene hinausläuft, die es irgendwie legal oder illegal nach Deutschland geschafft haben), noch beim radikalen Umbau des Familienrechts (siehe Seite 3) gab oder gibt es nennenswerten Widerstand vonseiten der Liberalen. 

Als im Herbst vergangenen Jahres die zuvor von keinem Beobachter erwartete Ampelkoalition als Trägerin der Bundesregierung gebildet wurde, trösteten sich viele bürgerliche Wähler und Kommentatoren mit der Präsenz der FDP im Kabinett und der Hoffnung darauf, dass diese schon die größten ideologisch motivierten Projekte von Rot-Grün verhindern werde. Grund dieser Hoffnungen war der Umstand, dass Lindner vier Jahre zuvor eine Regierungsbeteiligung ausgeschlagen hatte, weil er „lieber gar nicht als schlecht regieren“ wollte. Bislang jedoch fällt es schwer, sich vorzustellen, bei welchem Thema die Politik der Bundesregierung heute anders aussähe, wenn die Freien Demokraten nicht an Bord wären. 

Kaum ein Unterschied erkennbar

Einen – zumindest teilweise – sichtbaren Unterschied machten die Liberalen lediglich bei der Besetzung der Staatssekretärsposten. Hier kommen Lindner mit zwei und sein Kollege Marco Buschmann sogar mit einem aus. Doch schon die FDP-Minister Volker Wissing und Bettina Stark-Watzinger haben drei Staatssekretäre unter sich – ohne jedoch damit eine höhere Wirkung zu erzielen. 

Eine erste Quittung für ihre Politik des Laissez-faire haben die Liberalen bereits bekommen. Bei den Landtagswahlen im Frühjahr verpassten sie entweder den Einzug in den Landtag (Saarland) oder sie stürzten dramatisch in der Wählergunst ab (Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen). Auch in den aktuellen bundesweiten Umfragen stehen sie nur noch bei sechs bis acht Prozent, während sie im Herbst noch 11,5 Prozent geholt hatten. Geht die Tendenz weiter, droht der FDP bei der nächsten Wahl im Bund ein abermaliges Scheitern wie bereits 2013. 

Der weitestgehende Ausfall der Freien Demokraten ist freilich nicht nur das Problem der Partei selbst. Gerade in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen bräuchte das Land eine verlässliche politische Kraft, der bewusst ist, dass zum Wort „Liberalismus“ auch das Präfix „Ordo“ gehört. Gerade eine freie Gesellschaft braucht Ordnung. Sie braucht klare Regeln dafür, was allgemeines Recht ist – und was nicht rechtens ist. Sie braucht ein klares Verständnis davon, welche Kompetenzen der Staat hat – und wo dessen Zuständigkeit zugunsten der bürgerlichen Freiheiten endet. Und sie braucht einen klaren Begriff davon, wer zu dieser freien Gesellschaft gehört (und ihr somit etwa als Steuern zahlender Bürger verpflichtet ist) – und wer nicht. 

Ansonsten wird aus einer freien Gesellschaft ganz schnell eine Anarchie.