26.04.2024

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Folge 30-22 vom 29. Juli 2022 / Rohstoffe zur Energiewende Kobalt und Coltan sind für die Erzeugung von „grüner“ Energie in vielen Fällen unverzichtbar. Die Art ihrer Gewinnung aber lässt nicht selten erschaudern / Die schmutzige Herkunft des Kobalts / In kongolesischen Minen schuften Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-22 vom 29. Juli 2022

Rohstoffe zur Energiewende Kobalt und Coltan sind für die Erzeugung von „grüner“ Energie in vielen Fällen unverzichtbar. Die Art ihrer Gewinnung aber lässt nicht selten erschaudern
Die schmutzige Herkunft des Kobalts
In kongolesischen Minen schuften Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen
Wolfgang Kaufmann

Kobalt ist ein stahlgraues, sehr zähes Schwermetall und gehört heutzutage zu den wichtigsten Rohstoffen überhaupt. Das resultiert unter anderem daraus, dass es für viele der sogenannten Zukunftstechnologien benötigt wird – wobei Elek­trofahrzeuge an erster Stelle stehen (siehe unten). Gleichzeitig halten sich die globalen Vorkommen an Kobalt aber in Grenzen. Diese werden auf sieben bis 25 Millionen Tonnen geschätzt. Zudem sind nur wenige Staaten auf der Welt bereit, Kobalt zu fördern, das überwiegend als Nebenprodukt bei der Nickel- und Kupfergewinnung anfällt. Denn der Abbau ist mit hohem Aufwand und massiven Umweltbelastungen verbunden.

Das meiste Kobalt liefert seit Jahren die Demokratische Republik Kongo (DRK), in der rund die Hälfte des auf dem Festland verfügbaren Kobalts liegen soll. So wurden 2020 weltweit insgesamt 142.000 Tonnen gefördert, von denen 98.000 aus der DRK stammten. Und der Bedarf wächst und wächst: Experten schätzen, dass er 2030 bereits 260.000 Tonnen betragen und bis 2050 auf 800.000 Tonnen pro Jahr steigen könnte. Deshalb wird in nicht allzu ferner Zukunft mit einer Erschöpfung der Vorräte gerechnet, was zahlreiche Akteure auf den Plan ruft, welche sich zuvor noch möglichst große Anteile sichern wollen. Das bekommt auch die Demokratische Republik Kongo zu spüren, wo drei Akteure nach dem inzwischen unverzichtbaren Metall greifen: China, der Westen und einheimische Gruppierungen.

Gefahr für Mensch und Umwelt

Die DRK verschuldete sich bei Peking, um ihre Infrastruktur auszubauen, und begleicht die Außenstände unter anderem mit Kobalterz. Daher gehören dem Bergbaukonzern China Molybdenum nunmehr 80 Prozent der zweitgrößten Kobaltmine der Welt namens Tenke Fungurume. Angesichts dessen will auch der Westen nicht zurückstehen und engagiert sich ebenfalls im Kongo. So befindet sich das allergrößte Kobaltbergwerk auf unserem Planeten in Mutanda im Besitz des anglo-schweizerischen Unternehmens Glencore. Dabei verweisen Firmen wie Glencore gern auf die hohen Umwelt- und Sicherheitsstandards in ihrem Verantwortungsbereich. Jedoch stammt ein Fünftel des aus dem Kongo exportierten und unter anderem auch in Finnland und Belgien weiterverarbeiteten Kobalts aus Minen, die von rund zwei Millionen sogenannter artisanaler Kleinbergleute betrieben werden, die sich selbst „Creuseurs“, also „Grabende“, nennen. Deren Tätigkeit ist zum einen illegal und zum anderem lebensgefährlich, denn in den abenteuerlich angelegten Minigruben sterben immer wieder Menschen beim Einsturz der Stollen. Außerdem müssen rund 40.000 Minderjährige für einen Tagelohn von umgerechnet zwei bis drei US-Dollar als Creuseurs schuften, obwohl Kinderarbeit in der DRK eigentlich verboten ist. Doch damit nicht genug.

Viele der illegalen Kleinminen – vor allem im Osten des Kongo – stehen unter der Kontrolle von Milizen, die den Bergleuten mit vorgehaltener Waffe „Steuern“ abpressen, um damit ihren Kampf zu finanzieren. Und von diesen Gruppierungen gibt es nicht wenige, sondern etwa 120 an der Zahl. Denn die DRK ist de facto ein gescheiterter Staat, in dem seit 1998 Bürgerkrieg herrscht, wobei es den ethnisch höchst unterschiedlichen Parteien stets um Macht, territoriale Gewinne und den Zugang zu Bodenschätzen ging. 

Milizen machen ihr Geschäft

Zu den wichtigsten Akteuren zählen heute die Bewegung 23. März (M23), welche ganz offensichtlich die Unterstützung der Nachbarländer Uganda und Ruanda besitzt, die Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR), die sich auf das Gebiet der DRK zurückgezogen haben, die Cooperative for Development of the Congo (CODECO) und die Terrormiliz Allied Democratic Forces (ADF), wobei die Letztere vermutlich mit dem Islamischen Staat kooperiert.

Der Kobalthunger der Industriestaaten, welcher vor allem eine Folge des Strebens nach einer besseren, weil grüneren Welt ist, befeuert also den Bürgerkrieg in der DRK und beschert immer mehr Menschen dort den Tod oder zumindest bittere Armut und Krankheit. Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen inzwischen 27 Millionen Kongolesen (bei einer Gesamtbevölkerung von 92 Millionen) Hilfe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten. Dabei konnten bislang aber nur zehn Prozent der hierfür benötigten Mittel akquiriert werden. Angesichts dieser Misere ertönt nun die Forderung, die Bürgerkriegsparteien von ihren Geldquellen abzuschneiden und auf den Import von Kobalt aus der DRK zu verzichten. Allerdings sind andere Kobalt-Förderländer wie Russland und Kuba keine unproblematischen alternativen Partner.