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Folge 30-22 vom 29. Juli 2022 / Energiepolitik / Grüne als Partei der „sozialen Kälte“ / Im Streit um ein Wiederanfahren von Kohlekraftwerken gerät die Partei immer mehr in Schieflage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-22 vom 29. Juli 2022

Energiepolitik
Grüne als Partei der „sozialen Kälte“
Im Streit um ein Wiederanfahren von Kohlekraftwerken gerät die Partei immer mehr in Schieflage
Norman Hanert

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plant ein weiteres Paket zur Energiesicherung. Um Gas zu sparen und die Stromversorgung zu sichern, will der Grünen-Politiker nun auch die sogenannte Braunkohlereserve aktivieren. Im Eilverfahren hatten Bundestag und Bundesrat bereits am 8. Juli den Weg zum Wiederanfahren stillgelegter Kohlekraftwerke freigemacht.

Habecks Parteifreunde in Brandenburg scheinen mit dem Kurswechsel und dem vorgelegten Tempo nicht ganz mithalten zu können. Während Habeck als Bundeswirtschaftsminister in Berlin in hoher Geschwindigkeit mit Blick auf eine drohende Energielücke im kommenden Winter immer neue Regelungen anschiebt, treten die Grünen in Potsdam eher auf die Bremse. 

Deutlich wird dies bei zwei Reserveblöcken im Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in der Lausitz. Beide Blöcke sind seit drei Jahren heruntergefahren, sie befinden sich seitdem in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft. Angesichts der drohenden Versorgungsengpässe hat der Kraftwerksbetreiber Lausitz Energie Kraftwerke AG (Leag) für die Blöcke E und F eine Ausnahmegenehmigung beantragt, damit sie notfalls wieder ans Netz gehen können.

Kraftprobe in Potsdam

Brandenburgs Grüne haben aber sehr energisch deutlich gemacht, dass sie im Wiederhochfahren der beiden 500-Megawatt-Blöcke nur die allerletzte Option sehen. Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Clemens Rostock, sagte: „Die alten Blöcke in Jänschwalde dürfen nur im absolut dringenden Bedarfsfall wieder in Betrieb genommen werden.“ Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Isabell Hiekel, verwies im Zusammenhang mit den Reaktivierungsplänen für die Kraftwerksblöcke auf die derzeitige Dürre in Brandenburg: „Einen grundsätzlichen Freibrief für zusätzliche Kohleverstromung zu Lasten der Wasserversorgung darf es nicht geben“, so Hiekel.

Beharren Brandenburgs Grüne auf ihrer Position, läuft es in Potsdam innerhalb der rot-schwarz-grünen Koalition auf eine Kraftprobe hinaus. Obwohl Bundestag und Bundesrat grünes Licht für die Reaktivierung stillgelegter Kohlekraftwerke gegeben haben, sehen die Leag und auch die Ministerpräsidenten der drei „Braunkohleländer“ Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt noch erhebliche rechtliche Probleme bei der Nutzung alter Kraftwerke. In einem gemeinsamen Brief an Habeck haben die drei Regierungschefs um eine einheitliche bundesrechtliche Ausnahmeregelung gebeten. 

Kern der Befürchtungen von Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD), Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) ist der Umstand, dass die Kraftwerke, die im Falle eines Gas-Lieferstopps einspringen sollen, nicht mehr den derzeit gültigen Emissionsschutzauflagen entsprechen. Kraftwerksbetreiber Leag warnt, eine auflagenkonforme Nachrüstung der Reserveblöcke sei zeitlich bis zum Herbst gar nicht mehr zu schaffen: „Wenn wir im Herbst zur Verfügung stehen sollen, kriegen wir es nicht ohne Ausnahmegenehmigung hin“, so ein Sprecher der Leag.

Brandenburgs Landesregierung könnte laut rbb-Recherchen die Sondergenehmigung ohne den Bund im Alleingang erteilen. Für die in Potsdam mitregierenden Grünen würde eine solche Landesregelung allerdings bedeuten, diese entweder im Widerspruch zu ihrer bisherigen Anti-Haltung mitzutragen, oder aber, mit den Regierungspartnern SPD und CDU einen Koalitionskrach zu riskieren. 

Linkspartei warnt vor „Sozialkrise“

Eine Blockade der Kraftwerksreserve würde vermutlich bei der Parteibasis der Grünen gut ankommen. Schon jetzt besteht für die Partei allerdings das Risiko, dass die Bürger sie immer stärker als die Kraft wahrnehmen, die hohe Energiepreise und damit die Inflationsentwicklung insgesamt mitzuverantworten hat. Die Partei Habecks schlüpft damit in eine Rolle, die linke Kräfte bislang ziemlich regelmäßig der Union und insbesondere der FDP zugeschrieben haben: die einer Partei der „sozialen Kälte“.

Sebastian Walter, der Landesvorsitzende von Brandenburgs Linkspartei, hat erst vor Kurzem der Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) Handlungsunwilligkeit und Versagen vorgeworfen. Walter sagte voraus: „Die Energiekrise wird zur Sozialkrise.“ Zugleich prognostizierte der Linkspartei-Chef für Brandenburg einen „heißen Herbst“. Verbunden war diese Warnung mit der Forderung, wie andere Länder brauche auch Brandenburg einen „sozialen Schutzschirm“.

Trotz rasant steigender Energie- und Lebensmittelpreise hat in Berlin zuletzt die Grüne-Spitzenpolitikerin Bettina Jarasch solchen Hoffnungen einen starken Dämpfer verpasst: Sie erklärte, der Staat könne „nicht alle Härten abfedern“: „Den Eindruck zu erwecken, der Staat könne dafür sorgen, dass sich nichts verändert, wäre Betrug an den Menschen“, so die Senatorin, die in der Berliner Landesregierung auch für den Verbraucherschutz zuständig ist.