18.04.2024

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Folge 30-22 vom 29. Juli 2022 / Astronomie / Ein Feuerwerk wissenschaftlicher Leistungen / Friedrich Wilhelm Bessel, Autodidakt und Gründer der Sternwarte Königsberg, besaß außergewöhnliches Talent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-22 vom 29. Juli 2022

Astronomie
Ein Feuerwerk wissenschaftlicher Leistungen
Friedrich Wilhelm Bessel, Autodidakt und Gründer der Sternwarte Königsberg, besaß außergewöhnliches Talent
Wolfgang Kaufmann

Der 2. Oktober 1838 zählt zu den wichtigsten Meilensteinen in der Geschichte der Astronomie. An jenem Tage legte Friedrich Wilhelm Bessel die erste Berechnung der Entfernung eines Fixsterns von der Erde vor: Die Distanz zwischen unserem Heimatplaneten und 61 Cygni im Sternbild Schwan betrage genau 10,28 Lichtjahre. Bessel war zu dieser Zeit Professor für Astronomie an der Universität Königsberg und Direktor der dortigen Sternwarte, die er selbst mit geplant, errichtet und dann 1813 eingeweiht hatte.

Ohne Abitur und Studium

Dabei entsprachen die Anfänge seiner wissenschaftlichen Laufbahn in absolut keiner Weise den damaligen Vorstellungen. Denn Bessel konnte weder ein Abitur noch ein Studium und erst recht keine Promotion oder Habilitation vorweisen. Dass der am 22. Juli 1784 in Minden (Westfalen) geborene Sohn des preußischen Justizrates Carl Friedrich Bessel trotzdem Karriere zu machen vermochte, resultierte sowohl aus einem unglaublichen Talent als auch aus dem wiederholten Eingreifen von einflussreichen Fürsprechern oder Förderern, die das Potential des Autodidakten und ausgebildeten Überseekaufmanns erkannten. 

Zu dem selben Personenkreis zählten unter anderem der Astronom und Entdecker der Kleinplaneten Pallas und Vesta, Heinrich Wilhelm Olbers, der weltweit verehrte „Fürst der Mathematiker“ Carl Friedrich Gauß, der prominente Forschungsreisende Alexander von Humboldt sowie die beiden preußischen Könige Friedrich Wilhelm III. und IV.

Bessel erregte erstmals Aufmerksamkeit, als er 1804 richtungsweisende Berechnungen über die Bahn des Halleyschen Kometen vorlegte, die ihm später den renommierten Lalande-Preis der französischen Akademie der Wissenschaften eintrug. Aufgrund dieser und weiterer Leistungen, wie der Erstellung eines äußerst umfangreichen Sternenkatalogs, berief Friedrich Wilhelm III. Bessel am 6. Januar 1810 auf Anraten Humboldts an die Alma mater in Königsberg. Dort stieß der Neuankömmling ohne akademische Weihen allerdings zunächst auf den massiven Widerstand des übrigen Lehrkörpers, bis Gauß ihm im März 1811 zur Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen verhalf.

Nachfolgend glänzte Bessel durch ein regelrechtes Feuerwerk wissenschaftlicher Leistungen auf den Gebieten der Astronomie, Physik, Mathematik und Geodäsie. Dazu zählten beispielsweise das Zusammentragen der Positionsdaten von 75.000 Sternen, die Entwicklung der Besselschen Differentialgleichungen zur mathematischen Beschreibung diverser physikalischer Phänomene, die Einführung innovativer Methoden der Fehlerrechnung und -analyse, die Schaffung der Grundlagen der Längendefinition im preußischen Maßsystem, die am 10. März 1835 Gesetzeskraft erlangte, die Formulierung einer plausiblen Hypothese zur Entstehung der Kometenschweife, die schlüssige Widerlegung von Spekulationen über eventuelle Mondbewohner und die Vorhersage eines weiteren Planeten jenseits der Bahn des Uranus, der dann tatsächlich am 23. September 1846 von Johann Gottfried Galle gefunden und Neptun genannt wurde. 

Vermessung Ostpreußens

Von 1830 bis 1838 leitete Bessel außerdem auch die Vermessung Ostpreußens. Durch diese konnte die letzte Lücke in der durchgehenden Vermessungskette von Spanien bis zum Nordpolarmeer geschlossen werden. Aufgrund der hierbei erzielten Genauigkeit galten die von Bessel angewandten Methoden 40 Jahre lang als richtungsweisend. Gleichzeitig gelang es Bessel während der ostpreußischen Gradmessung, die exakten Dimensionen der Erdfigur zu bestimmen – noch präzisere Werte hinsichtlich des Abstands der Pole zum Äquator, des Äquatorradius und der Abplattung unseres Planeten lieferten dann erst moderne Satelliten zum Ende des 20. Jahrhunderts. 

Von der beeindruckenden Schaffenskraft Bessels zeugen rund 400 wissenschaftliche Abhandlungen. Für sein Werk wurde er schon zu Lebzeiten hoch geehrt und zum Mitglied von 23 gelehrten Gesellschaften in Europa und Amerika gewählt. Friedrich Wilhelm III. ernannte Bessel 1832 zum Geheimen Regierungsrat und Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm 1842 einen der ersten Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Dafür revanchierte sich der Forscher, der insgesamt 34 Jahre im Dienste der Universität Königsberg gestanden und deren exzellenten Ruf mitbegründet hatte, mit uneingeschränkter Treue gegenüber dem preußischen Königshaus und Staat. Gleichzeitig nahm er jedoch kein Blatt vor den Mund, wenn es beispielsweise Missstände im Bildungswesen zu kritisieren galt.

Im Herbst 1844 verschlechterte sich Bessels Gesundheitszustand derartig, dass er jegliche Lehr- und Forschungstätigkeit aufgeben musste. Er verstarb am 17. März 1846 an einer seltenen Form der Bindegewebsvermehrung im Bauchraum, durch die wichtige Organe geschädigt wurden. 

Nach seinem Tod erfuhr Bessel noch zahlreiche weitere Ehrungen: So erhielten ein Mondkrater und der Asteroid 1552 sowie eine Lücke innerhalb der Ringe des Saturn den Namen des Königsberger Astronomen. Darüber hinaus vergibt die Alexander-von-Humboldt-Stiftung seit 2001 den mit 45.000 Euro dotierten Friedrich-Wilhelm-Bessel-Forschungspreis.