25.04.2024

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Folge 30-22 vom 29. Juli 2022 / Der Wochenrückblick / „Nein, nein, nein, nein, nein ... nein!“ / Warum die Grünen so gehetzt aussehen, und was Volker Wissing unter Erfolg versteht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-22 vom 29. Juli 2022

Der Wochenrückblick
„Nein, nein, nein, nein, nein ... nein!“
Warum die Grünen so gehetzt aussehen, und was Volker Wissing unter Erfolg versteht
Hans Heckel

Konnte man das nicht kommen sehen? Dass die Energiewende irgendwann ins Desaster führen wird, das prognostizieren kühle Köpfe und Kenner der Materie schon seit Langem! Und doch ging es immer weiter. Ein hoher Vertreter der Unionsfraktion im Bundestag steckte dem Chef einer großen Gewerkschaft vor etlichen Jahren, warum er der Fahrt ins Verderben mit solcher Gelassenheit zuschaut: „Bei der Energiewende ist es so wie bei einem Fuhrwerk, das in die Sackgasse fährt: Es muss dort wieder herauskommen, wo es hineingefahren ist. Man braucht also nicht hinterherzulaufen. Von Unterhaltungswert ist allein das Wendemanöver.“ So der Politiker, der namentlich natürlich nicht genannt werden wollte. 

Alexander Wendt brachte das Zitat Anfang 2016 an die Öffentlichkeit, mitten in der Merkelzeit, kaum fünf Jahre nach dem Beschluss zum beschleunigten Atomausstieg als Reaktion auf einen Reaktorunfall in weiß der Himmel wo, der aus einem Naturereignis resultierte, das in Deutschland praktisch unmöglich ist. 

Weitere sechseinhalb Jahre später ist es soweit. Das Ende der Sackgasse ist aus dem Nebel der Propaganda aufgetaucht, und auf dem Fuhrwerk bricht Hektik aus. Die Union ist vom Wagen abgesprungen, während die AfD amüsiert am Wegesrand steht, da sie sowieso nie dabei war. Die rot-grün-gelben Ampelmännchen auf dem Bock zupfen derweil verzweifelt an den Zügeln, wobei der Unterhaltungswert in der Tat enorm ist, ganz wie es der Unionsmann vorhergesagt hatte.

Die Grünen wären allerdings nicht die Grünen, wenn sie sich nicht sogar in einer so eindeutigen Situation noch standhaft gegen die Gesetze von Logik und Vernunft stemmten. Kleine Denkaufgabe: Was passiert, wenn man etwas streckt? Klar doch, es wird länger. Ist das nicht logisch? Nicht für Katrin Göring-Eckardt. Bei „Anne Will“ erklärte sie, dass man mit ihr über einen „Streckbetrieb“ der letzten drei Atommeiler über den 31. Dezember hinweg durchaus reden könne. Aber „eine Laufzeitverlängerung wird es nicht geben“, insistiert die Grünen-Politikerin. Hä?

Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten geht das Zügelgezerre sichtlich an die Nieren. Im Gespräch mit „heute journal“-Moderator Christian Sievers verlor er im Gestrüpp der aktuellen Widersprüche vollends die Orientierung und schließlich die Nerven, woraufhin ihm ein fast gekreischtes „Nein, nein, nein, nein, nein ... nein!“ zum andiskutierten „Streckbetrieb“ entfuhr. Oder war es zur Laufzeitverlängerung? Keiner weiß mehr was Genaues.

Die Lage der Grünen ist im Grunde grotesk. Sie liegen in den Umfragen bis zu zehn Punkte über ihrem Ergebnis bei den Bundestagswahlen. Und doch machen sie einen unglücklichen, ja gehetzten Eindruck.

Woher rührt das Ungemach? Nun, bislang konnte sich die Partei über vier Jahrzehnte hinweg austoben wie ein aufmüpfiger 16-Jähriger. Ein Teenager, der mit großem Elan auf seine Eltern losgeht, die Quelle von deren Erwerbslohn unter Beschuss nimmt („Ausbeuter!“) oder deren Lebensgewohnheiten („Spießer!“) und deren Wohlstand („Umweltsau!“). Der aber andererseits fest darauf vertraut, dass die Eltern ihn komfortabel durchs Leben schleppen und jeden Mist wegräumen, den er anrichtet, sodass er nie wirklich zur Rechenschaft gezogen und mit den Folgen seiner Taten und den Ergebnissen seiner Forderungen konfrontiert wird. 

Wie Baerbock den Kreml vergnügt

Ebenso verachten auch die Grünen den durchschnittsdeutschen Spießer sowie dessen verdächtige Angewohnheiten und hegen eine (linker Tradition entstammende) tiefe Distanz zu Wirtschaft und Unternehmertum. Gleichzeitig aber leben sie in der unerschütterlichen Erwartung, dass Wirtschaft und Spießervolk unbegrenzt belastbar sind und die Mittel erarbeiten können und immer weiter heranschaffen, mit denen die vielen grünen Projekte finanziert werden.

Schließlich jedoch haben sie es zu weit getrieben, und die Zerbrechlichkeit des scheinbar unzerstörbaren „reichen Deutschland“ tritt zutage. Bald könnten die Grünen dastehen wie der 16-Jährige, der vor dem abgebrannten Haus seiner arbeitslos gewordenen Eltern kauert und die Welt nicht mehr versteht. Dem schwant, dass eine Zeit anbrechen könnte, in der er für seine Kapriolen die Rechnung präsentiert bekommt: „Nein, nein, nein, nein, nein ... nein!“

Annalena Baerbocks jüngsten Mist konnten nicht einmal mehr die grün-geneigten Medien schnell genug wegräumen oder aus der Welt schweigen. Die Außenministerin kann nur hoffen, dass den Quark keiner bemerkt hat: Wenn kein russisches Gas mehr fließe, drohe in Deutschland ein „Volksaufstand“, ließ die Außenministerin vom Stapel (siehe „Wort der Woche“). Genau darauf dürfte der Kreml spekulieren, nämlich, dass die russische Reaktion auf die westlichen Sanktionen für den Westen dermaßen schmerzhaft werden, dass er schlappmacht. Da wird man Baerbocks Auslassung mit großem Vergnügen gehört haben! Kurz nach ihrem Auftritt kürzte Moskau die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 um die Hälfte.

Der, sagen wir mal, spielerische Umgang der Grünen mit der Realität hat übrigens auf den gelben Koalitionspartner abgefärbt. Am 20. Juli trat Volker Wissing von der FDP mit einer wirklich verblüffenden Lageanalyse vor die Kameras. Im ARD-„Morgenmagazin“ frohlockte der Bundesverkehrsminister, was für ein voller Erfolg das Neun-Euro-Ticket geworden sei. Schließlich sei der Regionalverkehr der Bahn vorher ja auch nur zu 0,1 Prozent überlastet gewesen.

Streiten wir jetzt nicht darüber, wie man „überlastet“ definiert, sondern berichten von einer Fahrt am Abend vor dem Wissing-Auftritt von Travemünde nach Hamburg. Um 21.34 Uhr soll es am Bahnhof Travemünde-Strand losgehen. Der Bahnsteig dicht bepackt mit Leuten. Der Zug kommt mit reichlich Verspätung, weshalb der Anschluss in Lübeck nicht mehr erreicht wird. Dort also ein längerer Zwangsaufenthalt. Als es hier endlich losgehen soll, ist schon der nächste Travemünde-Zug da, der offenbar recht pünktlich abgefahren ist. Daher drängt die doppelte Menge an Leuten in die Waggons. Der Zug fährt nicht ab, mehrfach fordert der Zugführer die Menschen in den Eingangsbereichen auf, wieder auszusteigen. Eine gute halbe Stunde stecken wir fest, bis schließlich die Polizei zu einer „Zwangsteilräumung“ anrückt. Dicht gedrängt geht es irgendwann doch los. Insgesamt dauert die Reise doppelt so lang wie ausgeschrieben.

Übrigens: Schon auf der Hinfahrt von Hamburg war der vorangegangene Zug von Lübeck-Hauptbahnhof nach Travemünde ausgefallen, weshalb in unseren nun die doppelte Menge Menschen hineindrängte, etliche nicht mitgenommen wurden und im Lübecker Hauptbahnhof zurückbleiben mussten. Wenn Wissing das für einen vollen Erfolg hält, möchten wir wissen, was er unter Scheitern versteht. Oder auch nicht – am nächsten Tag haben wir das Auto genommen.