19.04.2024

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Folge 31-22 vom 05. August 2022 / Ostpreussens Tierwelt / Refugium für sensible Tierarten / In der östlichsten Provinz des Deutschen Reiches fühlten sich viele Lebewesen wohl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-22 vom 05. August 2022

Ostpreussens Tierwelt
Refugium für sensible Tierarten
In der östlichsten Provinz des Deutschen Reiches fühlten sich viele Lebewesen wohl
Wolfgang Kaufmann

Durch seine sanften Hügel- und Heidelandschaften, breiten Flussniederungen, Moore und dichten Waldgebiete in Verbindung mit einer vergleichsweise recht geringen Bevölkerungsdichte zählte Ostpreußen seit jeher zu den wichtigsten Refugien für sensible Tierarten in Deutschland, wenngleich manche Spezies dann letztendlich auch hier ausgerottet wurde.

Das galt beispielsweise für Wisente und Bären. Der letzte Wisent in Ostpreußen starb bereits im Jahre 1755. Damals gab es nur noch vier Exemplare des Europäischen Bisons auf deutschem Gebiet, von denen man drei in einen Wildpark bei Berlin brachte, während der vierte zwei Raubschützen zum Opfer fiel, die für ihre Tat zehn Jahre Festungshaft erhielten. Und ein knappes halbes Jahrhundert später, nämlich 1804, starb auch der letzte Bär in Ostpreußen – erschossen vom Sohn des Försters von Puppen. Wobei hier aber keine Bestrafung erfolgte, weil nach wie vor eine Weisung Friedrich des Großen vom 23. Oktober 1740 Gültigkeit besaß, der zufolge, die „sich mehrenden Bäären“ als „culturschädliche Thiere … brav tod geschoßen werden“ sollten. 

Wisente und Bären

Diese radikale Entscheidung des Königs resultierte aus dem Umstand, dass die mittlerweile rund einhundert Bären in Ostpreußen damals immer öfter in menschliche Siedlungen eindrangen und Kälber oder Schafe rissen sowie Bienenkörbe plünderten. Allerdings dauerte es dann noch 64 Jahre, bis der letzte Vertreter der in Ostpreußen ansässigen Europäischen Braunbären zur Strecke gebracht werden konnte, wobei später wiederholt noch einzelne zugewanderte Tiere Jägern vor die Flinte gerieten.

Dahingegen schafften es die Wölfe, in Ostpreußen zu überleben, obwohl auch sie unter enormem Verfolgungsdruck standen, weil sie über das Weidevieh herfielen. So kam es alleine im Zuständigkeitsbereich der Königsberger Kammer im 18. Jahrhundert zum Abschuss von rund 600 Wölfen pro Jahr. Und Friedrich Wilhelm III. erhob mit dem Jagdregal vom 

4. Januar 1814 die Wolfsjagd schließlich gar zur staatsbürgerlichen Pflicht. Ebenso berichten die historischen Quellen von 101 erlegten Wölfen zwischen 1900 und 1944. Die meisten dieser Tiere traf es dabei im Raum der Masurischen Seenplatte und in den Memelforsten an der Grenze zu Litauen. Heute leben in den Wäldern Ermlands und Masurens wieder 114 Wölfe in 24 Rudeln, wie eine Zählung der polnischen Forstbehörden im Februar 2022 ergab.

Außerdem wäre da noch der Elch, ein nachgerade idealtypischer Vertreter der Fauna Ostpreußens: Man kann den größten und majestätischsten Angehörigen der Familie der Hirsche mit Fug und Recht als absoluten Ureinwohner der Region bezeichnen. Und hier überlebte der Elch im Gegensatz zum übrigen Deutschland auch das Vordringen der „Zivilisation“, weil die brandenburgisch-preußischen Herrscher bereits ab 1638 ständig neue Schutzmaßnahmen zu seinen Gunsten verfügten. Dennoch schwankte die Zahl der Elche in Ostpreußen im Laufe der Zeit sehr stark – insbesondere, wenn militärische Auseinandersetzungen tobten. 

So schrumpfte der Bestand während des Siebenjährigen Krieges auf gerade einmal sieben Tiere, während man 1914 wieder von 800 Exemplaren ausging. Bis 1945 hatten sich die Elche dann sogar derart vermehrt, dass die Behörden 1500 Stück registrierten. Dies lag unter anderem an der Errichtung des 46.550 Hektar großen Reichsnaturschutzgebietes „Deutscher Elchwald“ östlich und südöstlich des Kurischen Haffs per Verordnung von 12. September 1937. Heute soll sich nach der zwischenzeitlich fast vollständigen Ausrottung des Elches in der Region während der Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine beachtliche Population durch Zuwanderung aus Polen und Litauen gebildet haben.

Ostpreußen als Vogelparadies

Ansonsten gehört auch der Weißstorch zu den ganz charakteristischen Angehörigen der Tierwelt Ostpreußens. 1905 zählten die Behörden fast 15.000 Horstpaare in den Regierungsbezirken Königsberg, Allenstein und Gumbinnen. Und 1934 waren es schließlich bereits über 18.000, wobei diese genau 36.617 Jungstörche großzogen. Somit brüteten damals 

54 Prozent aller im Deutschen Reich registrierten Horstpaare in Ostpreußen. Und heute findet der Weißstorch auf dem Territorium der ehemaligen preußischen Provinz ebenfalls noch recht vorteilhafte Lebensbedingungen, obgleich seine Population gegenüber 1934 um ein Viertel zurückging.

Der Stellenwert Ostpreußens als Vogelparadies zeigt sich darüber hinaus an der großen Zahl von Zugvögeln, die hier auf dem Weg nach Süden Zwischenstation machen. Dabei bildet die 98 Kilometer lange Kurische Nehrung einen regelrechten Flaschenhals, der in Spitzenzeiten tagtäglich von bis zu zwei Millionen Vögeln auf Wanderschaft passiert wird. Deshalb entstand auf der Halbinsel dann auch die erste ornithologische Forschungsstation der Welt: Die Vogelwarte Rossitten nahm am 1. Januar 1901 ihren Betrieb auf und gehörte ab 1923 zum Netzwerk der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Ihrer kriegsbedingten Evakuierung im Oktober 1944 folgte dann 1946 die Neueröffnung in Möggingen bei Radolfzell am Bodensee.