Die Badegesellschaft im Sommerbad Wilmersdorf ist sich einig: Ausländerfeindlichkeit und benachbarte Gesprächsthemen gehen gar nicht. Im einige Kilometer entfernten Schwimmbad am Insulaner in Berlin-Schöneberg kam es zu Massenschlägereien von „Südländern“, aber eine lädierte Dame mit blauen Flecken schimpft nur auf die „jungen Leute“, die keinen Respekt vor dem Alter hätten. Andererseits ist zu beobachten, dass gegen 10, spätestens 11 Uhr die ältere Badegesellschaft verschwunden ist. Warum? Orientalische Familien bevölkern dann die Badeanstalt. Aber das kann ja der Grund nicht sein.

Eine stark übergewichtige Dame undefinierbaren Alters humpelt an Krücken herbei. Obwohl das Kinderbecken – das einzige, das während des Umbaus des „richtigen“ Schwimmbeckens geöffnet ist – nur maximal 1,10 Meter tief ist, schleppt sie aufblasbare Schwimmflügel mit sich herum, Schwimmhilfen, die Nichtschwimmer zur Unterstützung während eines Schwimmlehrgangs tragen. Theatralisch beteiligt sie sich an Gesprächen der versammelten Gemeinschaft, die zwar keine Bahnen zieht, aber mitten im Becken steht. Allenfalls werden einige Schritte gemacht. 

Ein älterer Herr teilt den wissbegierigen Damen mit, dass er mit dem Lesen des „Spiegel“-Magazins drei Ausgaben im Rückstand sei, weil er gerade ein Buch konsumierte. Dann gibt er die öffentlich-rechtlichen Nachrichten über Putin wieder. Widerspruch duldet er nicht. Nach einer Stunde steige ich auf mein Fahrrad und komme am Roseneck im Ortsteil Berlin-Grunewald am inzwischen geöffneten Wiener Caféhaus vorbei. Dort ist inzwischen auch „Madame Schwimmflügel“ eingetroffen und verzehrt ein reichhaltiges Frühstück. Hoffentlich berichtet sie nächstens nicht, dass ihre Blutdruck- und Zuckerwerte nicht besser geworden sind.