26.04.2024

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Folge 32-22 vom 12. August 2022 / Übergewinnsteuer / Die Front verläuft quer durch Regierung und Opposition / Grüne, SPD und Linke sind für die Extrasteuer, die FDP dagegen. Rechtsprofessor Hanno Kube äußert Zweifel an der Rechtsmäßigkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-22 vom 12. August 2022

Übergewinnsteuer
Die Front verläuft quer durch Regierung und Opposition
Grüne, SPD und Linke sind für die Extrasteuer, die FDP dagegen. Rechtsprofessor Hanno Kube äußert Zweifel an der Rechtsmäßigkeit
Norman Hanert

Während Wirtschaft und Privathaushalte mit drastisch gestiegenen Energiepreisen kämpfen, melden Ölmultis wie BP, Shell, Total-Energies, Chevron und Exxon für das zweite Jahresquartal hohe Gewinne. In der Ampel gibt diese Entwicklung Forderungen nach einer sogenannten Übergewinnsteuer neue Nahrung. 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte bereits im Mai laut über eine Sondersteuer nachgedacht: „Mit Blick auf die europäische Regelsetzung sind wir dabei zu prüfen, ob Übergewinne – also man muss es ja so sagen – Kriegsgewinne noch mal besteuert werden können, um einen dämpfenden Effekt auslösen zu können.“ 

Klare Mehrtheit in der Bevölkerung

Nachdem die Ölmultis nun hohe Quartalsgewinne meldeten, griff der Grünen-Fraktionsvize Michael Audretsch Anfang August das Thema wieder auf: „Wenn Mineralölkonzerne völlig leistungslose Milliardengewinne einfahren, dann muss es eine Übergewinnsteuer geben.“ 

Kurz zuvor hatte bereits der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch konstatiert: „Wir haben im Moment Konzerne, die richtig viel Geld machen. Die müssen jetzt über eine Übergewinnsteuer die Verantwortung auch mitübernehmen.“ 

Der Umstand, dass die Ölmultis allesamt ihren Steuersitz im Ausland und nicht in Deutschland haben, scheint der öffentlichen Wirkung solcher Forderungen bislang nicht zu schaden. Denn laut dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend sprechen sich 76 Prozent der Wahlberechtigten dafür aus, Unternehmen mit außergewöhnlichem Gewinn wegen des Ukrainekriegs eine zusätzliche Steuer aufzuerlegen.

Auch dem Fiskus nutzt die Krise

Innerhalb der Ampel lehnt die FDP bislang als einzige der Koalitionsparteien die Pläne für eine Übergewinnsteuer ab. Ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte zwar generelles Verständnis für die Debatte über eine Übergewinnsteuer, warnte allerdings vor den Folgen einer Zusatzsteuer auf außergewöhnliche Gewinne. Im ARD-„Morgenmagazin“ sagte der Freidemokrat, Investoren würden abgeschreckt, wenn der Staat willkürlich definiere, ab wann ein Gewinn ein Übergewinn sei. Auch andere Liberale haben inzwischen auf das Problem hingewiesen, Übergewinne rechtlich einwandfrei zu definieren sowie zusätzliche Gewinne, die aufgrund der aktuellen Lage anfallen, methodisch sauber von anderen, gewöhnlichen Unternehmensgewinnen abzugrenzen.

Hanno Kube, Professor für Öffentliches, Finanz- und Steuerrecht, kritisiert: „Eine zusätzliche Steuer auf die Gewinne einer einzelnen Branche wäre ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.“ Laut dem in Heidelberg lehrenden Juristen stellt eine Übergewinnsteuer eine Ertragsteuer auf den Gewinn dar, und eine solche Steuer müsse „für alle Unternehmen gleich sein“. Kube wies darauf hin, dass im Fall der Kernbrennstoffsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht bereits einmal der Versuch gescheitert ist, die Gewinne einer Branche gezielt abzuschöpfen.

Auf Seiten der Linkspartei warf deren Bundestagsfraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch der FDP „eine Blockade“ der Übergewinnsteuer vor und forderte ein Entlastungspaket der Bundesregierung für Menschen, die von der aktuellen Teuerung besonders betroffen sind. In diesem Zusammenhang wies der Linkspolitiker auch auf die guten Einnahmen des Staates hin. 

Verdächtige Differenz

Tatsächlich fahren derzeit nicht nur Ölmultis und Raffineriebetreiber gute Gewinne ein, auch die Einnahmen des deutschen Fiskus sind außergewöhnlich stark gestiegen. Wie aus dem Monatsbericht Juli des Bundesfinanzministeriums hervorgeht, beliefen sich die Einnahmen des Bundeshaushalts im ersten Halbjahr auf rund 175,6 Milliarden Euro. Dies waren rund 28,6 Milliarden Euro beziehungsweise 19,4 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Den größten Anteil an diesem kräftigen Plus hatten die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Die steigenden Energiepreise und die Verteuerung von Lebensmitteln führen automatisch zu höheren Einnahmen des Staates bei dieser Verbrauchssteuer. Diese legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30,4 Prozent beziehungsweise rund 15,9 Milliarden Euro zu. 

Auffällig ist, dass der Anstieg der Mehrwertsteuereinnahmen ganz deutlich über den offiziell ausgewiesenen Inflationsraten liegt. Dieses Phänomen kann die Haltung von Verbrauchern widerspiegeln, Anschaffungen vorzuziehen, bevor die Preise weiter steigen. Möglich ist allerdings auch, dass die offiziellen Inflationsraten, die auf Grundlage eines statistischen „Warenkorbs“ errechnet werden, die reale Preisentwicklung im Land nur noch sehr verzerrt abbilden.

Nicht nur die Mehrwertsteuer-Einnahmen des Staates sind kräftig gestiegen. Der Bund nahm im ersten Halbjahr mit 116,6 Milliarden Euro auch 14,7 Prozent mehr Lohnsteuer ein. Experten werten diese Zusatzeinnahmen als Zeichen für einen bislang stabilen Arbeitsmarkt.