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Folge 33-22 vom 19. August 2022 / Kriegsführung ohne Ziel / Im Ukrainekrieg zeichnet sich immer mehr ab, dass keine Seite das militärische Ringen gewinnen kann. Das wirft die Frage auf, welche Ziele der Westen mit seinem Engagement erreichen will – und welchen Preis er bereit ist, dafür zu zahlen. Das gilt vor allem für die deutsche Politik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-22 vom 19. August 2022

Kriegsführung ohne Ziel
Im Ukrainekrieg zeichnet sich immer mehr ab, dass keine Seite das militärische Ringen gewinnen kann. Das wirft die Frage auf, welche Ziele der Westen mit seinem Engagement erreichen will – und welchen Preis er bereit ist, dafür zu zahlen. Das gilt vor allem für die deutsche Politik
Harald Kujat

Von Harald Kujat

Die Bundesregierung unterstützt die Ukraine in einem erheblichen Umfang durch finanzielle Zuwendungen, die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung sowie durch Sanktionen gegen Russland, die deutschen Bürgern zunehmend finanzielle und wirtschaftliche Lasten sowie Einschränkungen in vielen Lebensbereichen auferlegen. Die langfristigen Schäden der deutschen Volkswirtschaft, insbesondere die Folgen des für den Herbst zu erwartenden Energienotstands, und die Auswirkungen auf deren Wettbewerbsfähigkeit sind bisher nur ansatzweise abschätzbar. Im Frühjahr und Sommer 2022 jedenfalls ist das Wachstum der Wirtschaft vollkommen zum Erliegen gekommen. Zugleich nimmt die Regierung in Kauf, dass das Material für die ohnehin nur noch äußerst begrenzten Fähigkeiten der Bundeswehr zur Erfüllung des Verfassungsauftrags der Landes- und Bündnisverteidigung weiter „geplündert“ wird.

Welche militärischen und politischen Ziele der Ukraine in diesem Krieg ist die Bundesregierung gewillt zu unterstützen? Und erfolgt diese Unterstützung lediglich, soweit diese Ziele mit deutschen Sicherheitsinteressen vereinbar sind – oder selbst dann, wenn dadurch Gefahren für Deutschlands Sicherheit ausgelöst werden? In welchem Ausmaß ist die Bundesregierung bereit, durch Sanktionen verursachte langfristige und möglicherweise irreversible Schäden der deutschen Volkswirtschaft zu akzeptieren? Oder setzt die vornehmste Pflicht der Bundesregierung, Schaden von Deutschland abzuwenden, der Solidarität mit der Ukraine Grenzen? 

Fragwürdige Begründungen

In der deutschen Diskussion des Ukrainekrieges wird die Verpflichtung zur uneingeschränkten Lieferung von Waffen unter anderem damit begründet, dass die Ukraine auch unsere Freiheit verteidigt. Es wird gefordert, die Ukraine müsse siegen beziehungsweise den Krieg gewinnen: „Der Westen verteidigt sich selbst, wenn er der Ukraine hilft, der russischen Aggression zu widerstehen“, andernfalls „müsste er damit rechnen, dass die nächsten Opfer der Aggression auch Mitglieder des atlantischen Bündnisses sein können“. Dieses moralische Argument vermag nicht zu überzeugen, denn sollten die Ukrainerinnen und Ukrainer wirklich unsere Freiheit unter Einsatz ihres Lebens verteidigen, wäre es höchst unmoralisch, dass wir nicht selbst in den Kampf eingreifen. 

Obwohl unsere Freiheit ebenso wenig wie zuvor am Hindukusch in der Ukraine verteidigt wird, gibt es doch überzeugende Gründe, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Aber es ist auch unbestreitbar, dass dadurch das Risiko einer Ausweitung und Intensivierung des Krieges mit unabsehbaren Gefahren für unser Land entstehen kann. Deshalb ist ein unpolitischer, eindimensionaler Ansatz abzulehnen, der sich auf die Lieferung von Waffen beschränkt und die Ausweitung des Krieges ebenso in Kauf nimmt wie das Risiko einer nuklearen Eskalation. Nur ein dualer Ansatz, neben der materiellen Unterstützung den Krieg auch mit politischen Mitteln zu begrenzen und auf kürzestem Wege zu beenden, dient den Interessen der Ukraine ebenso wie unseren eigenen. 

Weil die Zweifel zunehmen, ob ein militärischer Sieg der Ukraine realistisch ist, wird jetzt gefordert, noch mehr und leistungsfähigere Waffen zu liefern: Entweder um den russischen Streitkräften schwerere Schäden als bislang zuzufügen, die für die militärische und politische Führung unakzeptabel sind, oder die besetzten Gebiete zurückzuerobern, damit die Ukraine ein Waffenstillstandsabkommen von einer Position der Stärke verhandeln kann. Doch dieser Zeitpunkt wurde bereits einmal verpasst, als die russischen Streitkräfte den Angriff auf Kiew abbrachen. 

Die Ziele Washingtons und Kiews 

Die Ukraine verteidigt ihre staatliche Souveränität und territoriale Integrität gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff mit großer Entschlossenheit und kann dabei auf eine breite internationale Unterstützung zählen. Zum vollständigen Bild gehört aber auch, dass das ukrainische Volk für die geostrategischen Interessen der Vereinigten Staaten in der Rivalität mit den beiden anderen Großmächten Russland und China kämpft.

Präsident Selenskyj hat seine Aussagen zu den ukrainischen Kriegszielen seit Beginn des Krieges immer wieder geändert. Bereits am 24. März 2021 hatte er in einem Dekret die Rückeroberung der 2014 von Russland annektierten Krim angeordnet. Nach Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 war er zunächst bereit, auf die NATO-Mitgliedschaft seines Landes zu verzichten und einen neutralen Status für die Ukraine zu akzeptieren. Über den Donbass und die Krim sollte zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden. Gegenwärtig sollen die ukrainischen Streitkräfte wieder die Krim und den Donbass erobern und die völlige territoriale Integrität der Ukraine vor der Annexion der Krim wiederherstellen.

Präziser haben die Vereinigten Staaten in der US-Ukraine-Charta vom 10. November 2021 ihre Kriegsziele als Ergänzung des US-ukrainischen Abkommens über militärische Zusammenarbeit vom 31. August 2021 definiert. Sie betonen ihr „unerschütterliches Engagement für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen, einschließlich der Krim, und ihrer Territorialgewässer“. Sie beabsichtigen, „den Kampf der Ukraine gegen die bewaffnete Aggression zu unterstützen und ... Sanktionen gegen oder im Zusammenhang mit Russland aufrechtzuerhalten und andere relevante Maßnahmen anzuwenden, bis die territoriale Einheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen wiederhergestellt ist“. Darüber hinaus soll Russlands Präsident Putin laut US-Präsident Biden entmachtet und die russischen Streitkräfte in einem Abnutzungskrieg dauerhaft geschwächt werden, so US-Verteidigungsminister Austin. 

Der unklare Kurs Berlins

Der Deutsche Bundestag hat auf Antrag der Fraktionen der Regierungskoalition und der CDU/CSU-Fraktion vom 27. Februar 2022 Russland zum Rückzug aufgefordert und nahezu gleichlautend verlangt, „die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine innerhalb der international anerkannten Grenzen uneingeschränkt zu achten“. Bundeskanzler Scholz hat dieses Ziel deutscher Sicherheitspolitik durch die Verpflichtung unterstrichen: „Wir werden die Ukraine auch weiterhin massiv unterstützen – finanziell, wirtschaftlich, humanitär, politisch und nicht zuletzt mit der Lieferung von Waffen“, „und zwar so lange, wie die Ukraine unsere Unterstützung braucht“.

Doch was bedeutet diese Festlegung konkret? Wird die Bundesregierung beispielsweise einen Beitrag zur Eroberung der Krim leisten, die von der russischen Regierung als russisches Staatsgebiet betrachtet wird? Oder unterstützt sie die Ukraine dabei, den Zustand vor dem russischen Angriff wiederherzustellen? Mit der Krim weiter in russischer Hand und die Zukunft des Donbass trotz „Minsk II“-Abkommens ungeklärt? 

Russland könnte nach der Konsolidierung seiner Eroberungen im Osten und Südosten der Ukraine ein Ende der „begrenzten militärischen Spezialoperation“ verkünden. Dadurch könnte sich die Gelegenheit für einen Waffenstillstand und, falls sich dieser als tragfähig erweist, für Friedensverhandlungen ergeben. Dann würde sich für die Bundesregierung die Frage stellen, ob die Waffenlieferungen und Sanktionen fortgesetzt werden, falls die Ukraine einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen ablehnt und den Krieg fortsetzt, um die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern oder einen jahrelangen Guerillakrieg beginnt.

Zu Recht wurde kürzlich in einem Appell zahlreicher prominenter Persönlichkeiten für einen Waffenstillstand gefragt, „welches Ziel Länder, die die Ukraine militärisch unterstützen, genau verfolgen und ob (und wie lange) Waffenlieferungen weiterhin der richtige Weg sind“. Im Sinne von Clausewitz ist das die Frage, ob die Politik in diesem Krieg der Logik der Gewalt weicht und der Krieg die Politik ersetzt – oder ob die Politik auch im Krieg fortgesetzt und dieser mit den Mitteln der Diplomatie beendet wird. 

Gegenwärtig ist noch die uneingeschränkte Lieferung auch von Waffen der Bundeswehr das Kernthema der deutschen Kriegsrhetorik. Die Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr, die Frage des Einsatzwertes bestimmter Waffensysteme für die ukrainischen Streitkräfte und das Risiko einer durch Waffenlieferungen ausgelösten Eskalation werden verdrängt. Dass durch die Intensivierung der Kampfhandlungen auch die zivilen und militärischen Verluste steigen, wird ebenfalls nicht thematisiert. Dabei ist der Blutzoll der ukrainischen Streitkräfte durch deren statische Operationsführung, wodurch lediglich eine Verzögerung russischer Geländegewinne erreicht wird, extrem hoch. Die Verzögerungsgefechte werden in den urbanen Räumen und großen Städten, wie Amnesty International kürzlich recherchiert hat, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung geführt. 

Ein Krieg, der für niemanden 

zu gewinnen ist

Diesen Krieg wird niemand gewinnen, weder Russland noch die Vereinigten Staaten – und auch nicht die Ukraine. Denn den Krieg zu gewinnen bedeutet, die jeweiligen politischen Kriegsziele zu erreichen. 

Für Russland sind die politischen Kriegsziele trotz seiner zuletzt erzielten militärischen Erfolge unerreichbar. Zwar ist der NATO-Beitritt der Ukraine so weit von der Realisierung entfernt wie zuvor. Aber die Erweiterung der NATO um Schweden und Finnland ist ein geostrategischer Zugewinn für die Allianz und ein schwerer Rückschlag für Russland. Zudem wurde die Verteidigung der Ostflanke des Bündnisses verstärkt, und die europäischen Verbündeten planen signifikante Verstärkungen ihrer Verteidigungsfähigkeiten. Sogar Deutschland, die traditionelle Landmacht in Mitteleuropa, plant, die 2011 eingeleitete Fehlentwicklung zu korrigieren und das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten. Die Ukraine bleibt ein strategischer Partner der Vereinigten Staaten und ein machtpolitischer Vorposten gegenüber dem geopolitischen Rivalen. Auch die Befürchtungen Russlands, das ballistische Raketenabwehrsystem der NATO in Polen und Rumänien könnte das nuklearstrategische Gleichgewicht mit den Vereinigten Staaten gefährden, bleiben ungelöst.

Den Vereinigten Staaten wird es jedoch nicht gelingen, Russland als geopolitischen Rivalen auszuschalten. Russland wird in diesem Stellvertreterkrieg ohne ein direktes Eingreifen der Vereinigten Staaten und der NATO, was Präsident Biden mehrfach kategorisch ausgeschlossen hat, nicht einmal in die Nähe einer militärischen Niederlage geraten. Man muss davon ausgehen, dass eine militärische Niederlage Russlands auch nicht im chinesischen Interesse ist. Die Vereinigten Staaten sind sich bewusst, dass China eine derartige Entwicklung sowohl zur Entlastung Russlands als auch zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen würde und sie nicht in der Lage wären, einen Zweifrontenkrieg zu führen. 

Der US-amerikanische Strategieexperte Harlan Ullman, der in den 1990er Jahren Hauptautor der Doktrin von „Shock and Awe“ (Schock und Ehrfurcht) war, fragt deshalb besorgt: „Haben die USA einen vermeidbaren Fehler begangen, indem sie eine strategische militärische Zwei-Fronten-Konfrontation gegen China und Russland eröffnet haben?“ Er bezeichnet die amerikanische Zwei-Fronten-Strategie als „tickende Zeitbombe“. Es wird immer deutlicher, dass die US-Regierung die geostrategische Dynamik ihres Ukraine-Engagements unterschätzt und sich in eine Situation manövriert hat, die ein Gegensteuern erfordert.

Die Ukraine ist weder in der Lage, die Krim noch den Donbass zu erobern. Die ukrainischen Streitkräfte können zwar begrenzte Gegenangriffe durchführen, sie verfügen jedoch nicht über die Fähigkeit zu weiträumigen, dynamischen Operationen. Daran ändert auch die Lieferung moderner westlicher Waffen nichts, auch wenn in westlichen Medien regelmäßig „Wendepunkte“ oder „game changer“ durch den Einsatz von „Wunderwaffen“ prognostiziert werden. Die täglichen Siegesmeldungen mögen bei deutschen Politikern als Bestätigung ihrer ständigen Forderung nach Lieferung „schwerer Waffen“ gewertet werden – mit der Realität haben sie wenig zu tun. 

Bei einer Einigung vor dem 24. Februar wäre es noch möglich gewesen, durch die Umsetzung des Minsk-II-Abkommens den Donbass, zwar mit größerer Autonomie, aber immerhin als integralen Bestandteil der Ukraine zu erhalten. Diese Chance wurde vertan, weil der Krieg „vielleicht in gewisser Weise entweder provoziert oder nicht verhindert wurde“ (Papst Franziskus). Das südukrainische Cherson wird Russland nicht abgeben wollen, weil es für die Wasserversorgung der Krim wichtig ist. Das Schicksal Odessas und der Region, die an Transnistrien grenzt, könnte in Friedensverhandlungen entschieden werden.

Erste Zweifel in Washington

In den Vereinigten Staaten mehren sich die Stimmen, die fordern, der Ukraine Grenzen der Unterstützung aufzuzeigen. Präsident Biden reagierte darauf in einem Namensartikel der „New York Times“ (Titel: „President Biden: What America Will and Will Not Do in Ukraine“), in dem er bereits wichtige amerikanische Positionen aufgab: Die Vereinigten Staaten würden weder versuchen, Putin zu entmachten noch wollten sie den Krieg verlängern, nur um Russland zu schaden. Zugleich betonte er, dass „die Vereinigten Staaten die Ukraine weiter stärken und in ihren Bemühungen unterstützen werden, ein Ende des Konflikts durch Verhandlungen zu erreichen“. 

Den ukrainischen Präsidenten verpflichtete Biden zum neuen Kurs, indem er ihn mit den Worten zitierte, dieser Krieg „wird nur endgültig durch die Diplomatie enden“. Doch ein Verhandlungsfrieden ist wohl ohne Gebietsverluste nicht zu erreichen, und Biden thematisiert dies entsprechend diplomatisch: „Ich werde die ukrainische Regierung nicht unter Druck setzen, irgendwelche territorialen Konzessionen zu machen.“ Bidens Bemühen, Selenskyj auf einen gemeinsamen Kurs festzulegen, ist auch Ausdruck der Tatsache, dass die amerikanische Regierung den erratischen ukrainischen Präsidenten inzwischen mit „tiefem Misstrauen“ begegnet und in ihm ein Risiko für die Vereinigten Staaten sieht.

Der Verlierer ist Deutschland 

Die Maßnahmen des Westens, die die Einstellung des russischen Angriffs auf die Ukraine zum Ziel haben – finanzielle Unterstützung, Sanktionen sowie die Lieferung von Waffen – müssen als Gesamtstrategie gesehen werden. Es ist bereits seit einiger Zeit absehbar, dass es Russland besser als erwartet gelingt, die Auswirkungen der vom Westen verhängten Sanktionen zu überstehen. Jedenfalls haben diese keinen Einfluss auf die russische Kriegsführung. Dagegen steht für den IWF die westliche Welt als Folge des Ukrainekrieges vor einer Rezession. Und „der größte Verlierer unter den großen Wirtschaftsnationen wird Deutschland sein“.

Die Entscheidung der Bundesregierung, sich aus Furcht, Russland könnte die Gaslieferungen als politische Waffen einsetzen, aus der Abhängigkeit von Russland zu lösen, hat eine Energiekrise ausgelöst, die nicht nur die deutsche Wirtschaft vor große Probleme stellt, sondern mittlerweile immer mehr Lebensbereiche aller Bürger erfasst. Nicht zu bedenken, dass Russland darauf mit Gegenmaßnahmen reagieren könnte, war ein großer außen- und sicherheitspolitischer Fehler. 

Wirtschaftsminister Habeck wird hingegen nicht müde, vor den Folgen seiner eigenen Entscheidungen zu warnen und ruft mit teilweise grotesken Vorschlägen zum Energiesparen auf. Zugleich wird eine Diskussion darüber geführt, wie der Ausfall Russlands als Energielieferant kompensiert werden könnte. Jedenfalls soll auf keinen Fall die auf US-amerikanischen Druck zustande gekommene Entscheidung, die Erdgasleitung Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen, revidiert werden. Whatever it takes? Die Vereinigten Staaten jedenfalls profitieren von der europäischen Energiekrise. Die US-Exporte von Flüssiggas (LNG) nach Europa sind im ersten Halbjahr 2022 um 63 Prozent gestiegen.

Würde die Unterstützung der Ukraine und deren Widerstands gegen den russischen Angriff von der deutschen Regierung richtigerweise als Gesamtstrategie verstanden, so müssten alle Maßnahmen von einer rational agierenden Politik ständig auf ihre Wirksamkeit geprüft und diejenigen aufgehoben werden, die nicht dazu beitragen, das angestrebte Ziel zu erreichen oder sogar größeren eigenen Schaden anrichten. Doch das geschieht nicht. 

In den Vereinigten Staaten sind erste Anzeichen einer Wende in der Ukrainepolitik erkennbar, wenngleich das Außenministerium noch Rückzugsgefechte gegen das strategisch und geopolitisch weiterdenkende Pentagon führt. Die bevorstehenden Wahlen im November werden diese Entwicklung verstärken. 

Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkennt und die sicherheitspolitischen, strategischen und wirtschaftlichen Interessen unseres Landes in den Mittelpunkt ihrer Politik rückt und damit auch Zeichen für Europa und seine Selbstbehauptung gegenüber den großen Mächten setzt.



General a.D. Harald Kujat war von 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr und von 2002 bis 2005 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses.