18.04.2024

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Folge 33-22 vom 19. August 2022 / Kommentar / Autokraten unter sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-22 vom 19. August 2022

Kommentar
Autokraten unter sich
Bodo Bost

In der Türkei hatte schon vor dem Ukrainekrieg ein Abstieg begonnen, der in Erdoğans Günstlingswirtschaft begründet ist. Der türkische Präsident möchte nun von Putins Ukrainekrieg profitieren und positioniert sich damit gegen den Westen. Ihm geht es vor allem darum, im kommenden Jahr wiedergewählt zu werden.

Bei einem Treffen beider Präsidenten Anfang August in Sotschi ging es um Getreide, Gas, aber auch die Situation in Syrien und in der Ukraine. Beide brauchen sich gegenseitig, doch in einigen Punkten liegen sie quer. In Sotschi sollte die wirtschaftliche Kooperation gestärkt werden. Der Kremlherr dankte dem Türken für dessen Bemühungen, die zu einer Einigung zwischen Moskau und der Ukraine über ukrainische Getreidelieferungen aus Schwarzmeerhäfen geführt hatten. Er hob auch die Rolle Ankaras bei der Durchleitung von russischem Gas nach Europa über die TurkStream-Pipeline hervor. 

Erdoğan wollte mit Putin über Syrien sprechen, wo Ankara mit einer Militäroperation gegen kurdische Gruppen droht, was Moskau ablehnt. Russland fühlt sich noch am längeren Hebel, denn durch den Bau des Kernkraftwerks Akkuyu durch den russischen Atomriesen Rosatom in der Südtürkei hält Putin ein Faustpfand in der Hand. 

Ein nicht offen angesprochener Punkt war es, die immer stärker wirkenden westlichen Sanktionen mithilfe der Türkei zu umgehen. Die Türkei profitiert seit Beginn des Krieges von diesen Sanktionen. Istanbul ist das neue Drehkreuz für Reisen nach Russland geworden. 

Fünf türkische Banken haben damit begonnen, das russische Zahlungssystem „Mir“ einzuführen. Sie ermöglichen es damit Russen, Geld nach Westeuropa zu überweisen oder dort mit Kreditkarte zu bezahlen und Geldautomaten in der Türkei zu nutzen. Mit „Mir“ will die Türkei vor allem den Tourismus stützen. 

Die Branche, die durch Corona hart getroffen wurde, hatte für 2022 auf eine kräftige Erholung gehofft. Die meisten ausländischen Touristen kamen früher aus Russland – noch vor den Deutschen. Der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Probleme beim Zahlungsverkehr sorgen jetzt dafür, dass die Hälfte weniger Touristen aus Russland in die Türkei kommen als vorhergesagt. 

Erdoğan kämpft angesichts einer galoppierenden Inflation und schlechter Umfragewerte um sein politisches Überleben und braucht wirtschaftliche Erfolgsnachrichten. Diese könnte ihm Putin liefern, wenn er den Türken das russische Erdgas und Erdöl zu verbilligten Preisen liefert, sodass die Türkei mit dem Weiterverkauf dieser Rohstoffe einen Gewinn herausschlagen und Wahlgeschenke verteilen könnte. Außerdem ist die Türkei bereit, einen Teil der Energielieferungen aus Russland künftig in Rubel zu zahlen. 

Die Türkei könnte bei dieser Abmachung sogar seine neue Wunderwaffe, die Bayraktar-Drohne, an das kriegführende Russland liefern. Es wäre ein Affront gegen die NATO-Partner.