19.04.2024

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Folge 33-22 vom 19. August 2022 / Russland-Sanktionen / Memels LNG-Hafen als Vorbild / Umschlagplatz für Gasexporte in baltische Staaten – Weitere gemeinsame Terminals geplant

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-22 vom 19. August 2022

Russland-Sanktionen
Memels LNG-Hafen als Vorbild
Umschlagplatz für Gasexporte in baltische Staaten – Weitere gemeinsame Terminals geplant
Bodo Bost

Seit dem 3. März, gut eine Woche nach Kriegsbeginn, haben die Betreiber des LNG-Terminals Memel die Annahme von Ladungen aus Russland aus- und damit die Boykott-Maßnahmen der EU durchgesetzt. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 62 Prozent des in Litauen, Lettland, Estland und Finnland verbrauchten Gases über das LNG-Terminal in Memel abgewickelt. Der größte Anteil des Erdgases wurde aus den USA importiert.

Bis 2014 von Russland abhängig

Das LNG-Terminal von „Klaipėdos Nafta AB“ wurde am 3. Dezember 2014 in Betrieb genommen. Das Terminal und ein Liegeplatz für ein LNG-Schiff befinden sich im Kurischen Haff in der Nähe der Insel „Schweinerücken“. Das LNG-Terminal und die zugehörige Infrastruktur bestehen aus einem LNG-Schiff als schwimmendem Speicher, einem Liegeplatz für das Anlegen des LNG-Tankers und einer LNG-Pipeline, über die Erdgas vom Terminal in das litauische und übrige baltische Erdgasnetz eingespeist wird. Vor dem Terminalbau hatte Litauen keine Alternativen für die Gasversorgung – es bezog sein Erdgas aus Russland, über eine einzige Pipeline durch Weißrussland, und die Gasversorgungskapazität des lettischen Inčukalnis-Gasspeichers reichte im Falle einer Unterbrechung der Versorgung über Weißrussland nicht aus.

Bereits  2010 hatte die Regierung der Republik Litauen beschlossen, dass Klaipėdos Nafta AB mit der Entwicklung eines Flüssiggas-Terminalprojekts beginnen sollte. Das schwimmende Terminal wurde von dem norwegischen Unternehmen Hoegh gebaut. Vier Banken erteilten eine Zusage über Darlehen in Höhe von 250 Millionen Euro für den Bau eines neuen Flüssiggasterminals. Im Februar 2014 wurde der LNG-Tanker „Independence“ für Litauen offiziell auf einer südkoreanischen Werft vom Stapel gelassen. Die „Independence“ ist für zehn Jahre von der norwegischen Hoegh LNG geleast. Es besteht ein Rückgaberecht am Ende des Leasingzeitraums.

Die interministerielle Arbeitsgruppe in Litauen hatte zunächst in Erwägung gezogen, das LNG-Terminal vor der Küste zwischen Polangen und Butinge oder westlich der Kurischen Nehrung, am nördlichen Wellenbrecher des Hafens von Memel oder im südlichen Teil des Hafens in der Nähe der Halbinsel Schmelz zu errichten. In Butinge befindet sich auch die Endstation der Ölpipeline aus Russland. Am Ende einigte man sich jedoch auf den jetzigen Standort. 

Die Pipeline vom LNG-Terminal durch das Kurische Haff zur Küste wurde in einer Tiefe von etwa 25 bis 35 Meter unter der Insel Schweinerücken und dem Kurischen Haff verlegt. Die Gaspipeline wurde vom deutschen Unternehmen PPS Pipeline Systems GmbH gebaut. Sie verbindet die LNG-Anlegestelle im Hafen mit dem litauischen Erdgasfernleitungsnetzes Jurbarkas-Memel. Am 21. August 2014 unterzeichnete LITGAS einen Fünfjahresvertrag mit dem norwegischen Unternehmen Equinor über die Versorgung des Terminals mit der notwendigen Produktionsmenge – 540 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Dieses Volumen wird benötigt zur Sicherstellung der staatlich regulierten Strom- und Wärmeerzeugung in Litauen.

2017 wurde die LNG-Verteilerstation eröffnet. Im Oktober 2018 wurde bekannt gegeben, dass die Litauer seit 2014 mit dem LNG-Terminal in Memel durch die Wahl des Gaslieferanten insgesamt 103 Millionen Euro eingespart haben. Das LNG-Terminal hat eine maximale Jahreskapazität von vier Milliarden Kubikmeter. Diese Gasmenge deckt den gesamten Bedarf des Landes und ermöglicht den Export von Gas in die Nachbarländer. 

Großes Einsparpotential

Das Flüssigerdgas-Terminal in Memel reicht jedoch nicht aus, um den Gasbedarf aller baltischen Länder gänzlich zu decken. Deshalb sind Gespräche über ein zweites LNG-Terminalprojekt in den baltischen Staaten im Gange. Eine Erweiterung der Kapazität des LNG-Terminals in Memel wird derzeit nicht diskutiert. Der estnische Minister für Wirtschaft und Infrastruktur, Tavis Asas, erklärte, dass Estland mit Lettland und Finnland über die Möglichkeit des Baus eines gemeinsamen LNG-Importterminals verhandelt, aber noch keine Entscheidung getroffen habe.