18.04.2024

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Folge 33-22 vom 19. August 2022 / Kartoffeln / Der Siegeszug einer exotischen Frucht / Friedrich II. setzte den Anbau in Deutschland durch – Heute wird die Knolle weltweit genutzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-22 vom 19. August 2022

Kartoffeln
Der Siegeszug einer exotischen Frucht
Friedrich II. setzte den Anbau in Deutschland durch – Heute wird die Knolle weltweit genutzt
Bärbel Beutner

Zum Herbst gehört die Kartoffel, und wenn die Bundesbürger heute in den Herbstferien auf die Malediven fliegen, so denken sie bestimmt nicht daran, dass diese Ferien einst der Kartoffelernte dienten, damit die Kinder helfen konnten.

Die Geschichte von der Einführung der Kartoffel in Preußen wird ebenso häufig erzählt wie die Geschichte von der Mühle in Potsdam; es sind die bekanntesten Anekdoten vom Alten Fritz. Der König fühlte sich vom Klappern einer Mühle gestört und verlangte von dem Müller, die Mühle abzureißen oder zumindest stillzulegen. Der Müller weigerte sich, es kam zum Rechtsstreit, das Recht war auf Seiten des Müllers, aber die Richter wagten nicht gegen den König zu entscheiden. Das bekam ihnen schlecht. Unvergesslich Hans Clarin in einem Fernsehspiel in der Rolle Friedrichs II., wie er mit verkniffenem Gesicht verkündet: „Ich werde meine Untertanen vor solchen Richtern zu schützen wissen!“

Die Kartoffel wurde zum Grundnahrungsmittel

Was die Einführung der Kartoffel betrifft, so hätte er sagen müssen: „Ich werde meine Untertanen vor Hungersnöten zu schützen wissen!“ Jedes Kind kannte und kennt heute noch seinen „Trick“, Kartoffelfelder zu „bewachen“ und bei Strafe zu „verbieten“, Kartoffeln mitzunehmen. Die Kartoffeldiebe wurden dann von Spezialisten mit dem Anbau und der Zubereitung der noch unbekannten Frucht vertraut gemacht, die bald zum Grundnahrungsmittel wurde.

Wie verheerend es sich auswirkte, wenn sogar die Kartoffelernte verdarb, schildert Hermann Sudermann (1857-1928) aus Heydekrug in seiner Autobiografie „Bilderbuch meiner Jugend“. Im Sommer 1867 kam von Juni an kein Sonnenstrahl mehr zum Vorschein, und aus grauen Wolken fiel ununterbrochen und gleichmäßig ein ewig sickernder Regen auf die Memelniederung. Alles verfaulte, die Kartoffeln waren kleiner als Walnüsse und von Stockpfropfen durchsetzt. Das war das Schlimmste. Sudermann schildert ein Elend und eine Hungersnot wie in dunkelsten Kriegszeiten. 

Völkerverbindendes Element

Es ist daher nicht schön, wenn die Kartoffel diskriminierend gebraucht wird. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, soll die Deutschen „Kartoffeln“ genannt haben. Auch wird die Kartoffel nicht immer gewürdigt. „Kartoffeln gehören in den Keller“, sagte eine Kollegin; Kartoffeln schmeckten ihr nicht. Und ein ostpreußischer Landsmann zitierte in Erinnerung an seine Zeit im Flüchtlingslager: „Kartoffelsupp, Kartoffelsupp, die ganze Woch Kartoffelsupp, und Sonntags auch kein Fleisch ...“

Doch gerade heute bekommt die Kartoffel eine aktuelle Bedeutung. In einer Welt, in der plötzlich Krieg und Feindschaft herrschen, verbindet sie alle Völker, die sich mit ihren Spezialitäten geradezu überbieten. Allein schon der Name für dieses Gewächs durchkreuzt die Nationen. Die französische Bezeichnung „pommes  de terre“ (Äpfel der Erde) wird den Kunden am Imbisswagen kaum bewusst sein, wenn sie ihre „Pommes rot-weiß“ (Pommes Frites mit Ketchup und Mayonnaise) bestellen. Doch im Deutschen gibt es auch die Bezeichnung „Erdäpfel“. „Wir waren froh, wenn wir Erdäpfel hatten!“, sagte in Prag der Vater von Franz Kafka (1883–1924) zu seinem Sohn. Das Wort „Kartoffel“ kommt laut Brockhaus von dem italienischen „tartuffulo“ - Trüffel. Auch auf Russisch heißt es „kartofel“, aber als Maskulinum, männlich. Es gibt aber auch die weibliche Verniedlichungsform „kartoschka“.

Was kann man nicht alles aus der Kartoffel zubereiten! „Doennings Kochbuch“, 37. Auflage, Kassel 1969, bietet Rezepte von Seite 278 bis 286, acht Seiten für Salzkartoffeln, Pellkartoffeln, Bratkartoffeln, Kartoffelbrei, Schusterpastete, Bauernfrühstück und, und, und. 

Zur Geschichte des Kochbuches: 1891 gründeten die Schwestern Margarete und Elisabeth Doenning in Königsberg eine „Ostpreußische Haushaltungsschule“, die so großen Erfolg hatte, dass bereits 1902 ihr Kochbuch in zweiter Auflage erschien. Die „Ostpreußische Mädchengewerbeschule“, wie sie später hieß, im Volksmund „Klops-Akademie“ genannt, bestand bis 1945.

Überall beliebt sind die Kartoffelpuffer/Hamburg, Reibekuchen/Westfalen, Kartoffelflinsen/Ostpreußen. Diese Pfannkuchen aus rohen geriebenen Kartoffeln, in heißem Fett gebacken, müssen braun und knusprig sein. 

Vielseitige Zubereitungsarten

Bei den ostpreußischen Kartoffelflinsen (es gab auch „Mehlflinsen“) hört man gleich die slawischen „blini“ heraus. Eine Steigerung dieses Genusses stellen die russischen „draniki“ dar, die kleiner und knuspriger sind und Ähnlichkeit mit den schweizerischen „Rösti“ haben. Die polnische Küche hat eine besondere Raffinesse entwickelt. Der Teig, der aus geriebenen rohen und gekochten Kartoffeln besteht und mit Eiern, Zwiebeln und Gewürzen nach Geschmack hergerichtet wird, wird auf einem Backblech im Ofen gebacken. Die braunen, kross gebackenen „Kartoffelkuchenstücke“ werden mit Gulasch serviert. 

Man darf aber nicht vergessen, dass die Kartoffel eine Speise für die Armen war, und das brachte Resteverwertung mit sich. So stampfte man die restlichen Kartoffeln vom Mittagessen, gab ein Ei und etwas Milch dazu, würzte nach Geschmack und formte daraus runde Plätzchen oder – andere Variante – eine Rolle, die man in Scheiben schnitt.  Die wurden dann in der Pfanne gebraten. Doennings Kochbuch nennt sie „Kartoffelbratlinge“ und bietet zwei Rezepte dafür an. Auf litauische Art bereitete eine russische Freundin diese „Schemaitschi“ zu. In die gerollte Kartoffelmasse wird Hackfleisch eingefügt, dann kommen die Rollen in den Backofen oder in Scheiben geschnitten in die Pfanne. Mit „Smetana“, saurer Sahne, servierte sie diese Köstlichkeit ihren begeisterten Gästen.

Ostpreußische Rezepte

Könnte der Alte Fritz doch erleben, was aus seinem Feldzug für die Kartoffel geworden ist! Was er wohl von Kartoffelsalat, Kartoffelgratin, Kartoffelspalten, Backkartoffeln, Kroketten und Süßkartoffeln hielte? Er müsste auf jeden Fall die ostpreußischen „Keilchen“ probieren, eigentlich eine Art Klöße, ähnlich den bayrischen Knödeln. So steht es in dem Kochbuch „Die schönsten Rezepte aus Ostpreußen“ von Ingeborg Hoffmann, Köln 1998, Seite 25: „Keilchen sind von der Form her allerdings sehr verschieden – sie können klein, rund, aber auch länglich sein.“ Der Teig, aus dem die länglichen oder runden Keilchen geformt werden, besteht anteilig aus rohen geriebenen Kartoffeln und gekochten Pellkartoffeln vom Vortag und wird mit Eiern, Mehl und Salz zu einer festen Masse verarbeitet. In siedendem Wasser werden die Keilchen gegart. Schnellküche ist das nicht, zumal sie mit einer kunstvollen Soße gereicht oder gerne zu Gänse- und Schweinebraten gegessen werden. Kalorien dürfen hier auch nicht zum Problem werden.

Die Kartoffel beschert uns viele Genüsse, aber am wichtigsten ist ihre Botschaft: Liebe geht durch den Magen und stellt Verbindungen her – bei allen Völkern.


Foto: Transport per Boot: Frisch geerntete Kartoffeln aus dem Großen Moosbruch werden verladenFoto: Bildarchiv Ostpreußen

Bild: Überwacht mit Argusaugen die Kartoffelernte: Friedrich der GroßeFoto: Gemälde/DHM

Rezept Kartoffelflinsen

Zutaten: 1 ½ kg große Kartoffeln 

4 Eier, Salz, 

1 Eßlöffel Mehl

1 knapper Teelöffel Anis

1 Zwiebel, Öl

Zucker oder Apfelmus

Zubereitung: Die rohen Kartoffeln schälen und kurz vor dem Backen reiben, damit sie hell bleiben. Bei neuen Kartoffeln wiederholt das Wasser vom Teig abschöpfen. Eier, Salz, Mehl, Anis und eine kleine geriebene Zwiebel untermengen. Den Teig gut rühren. 

In der Stielpfanne Öl zum Sieden bringen, und je nach Belieben kleine oder größere Flinsen darin auf beiden Seiten rösch (knusprig) und braun backen.