19.04.2024

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Folge 34-22 vom 26. August 2022 / Russischer Automarkt / Eine Branche im freien Fall / Weniger Neuwagen, weniger Händler – Die Hälfte der Autohäuser muss wohl schließen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-22 vom 26. August 2022

Russischer Automarkt
Eine Branche im freien Fall
Weniger Neuwagen, weniger Händler – Die Hälfte der Autohäuser muss wohl schließen
Bodo Bost

Vor zehn Jahren stand der russische Automarkt kurz davor, den deutschen als größten in Europa abzulösen. Mehr als 2,9 Millionen verkaufte Neuwagen meldeten die russischen Zulassungsstellen für das Jahr 2012. Im Monatsdurchschnitt ergab das einen Absatz von 244.000 Fahrzeugen. Im Mai 2022 sind die Zahlen infolge der westlichen Sanktionen drastisch gefallen. Nur noch 24.268 Neuzulassungen gab es. Nicht nur die Kfz-Produktion ist also eingebrochen, auch der Handel ist praktisch zum Erliegen gekommen. Zum Vergleich: In Deutschland, wo der Absatz ebenfalls stottert, wurden im Mai noch mehr als 200.000 Autos verkauft.

Neuwagen sind in Russland zur Mangelware geworden. Viele westliche Hersteller haben bereits im März ihre Lieferungen nach Russland eingestellt, die Produktion vor Ort gestoppt oder gleich ganz den Markt verlassen.

Staat fördert Autokäufe

Der Staat will nun mit umgerechnet mit 337 Millionen Euro Autokäufe subventionieren. Geld ist in Russland aufgrund der sprudelnden Rohstoffeinnahmen genug vorhanden. Moskau nimmt sich ein Beispiel daran, wie der Westen seine Krisen bewältigt. In Deutschland gab es nach der Finanzkrise von 2008 die Abwrackprämie, in Frankreich gibt es seit der Corona-Krise Kaufprämien auch für Verbrenner.  

Frühere Sanktionen hatten in Russland oft dazu geführt, dass die Eigenproduktion gefördert wurde. Bei den russischen KFZ-Fabriken fehlen infolge der Sanktionen jedoch die Ersatzteile, deshalb stehen dort seit Monaten die Bänder still. Zumindest beim Marktführer Avtovaz im russischen Togliatti sind die Bänder Ende Juni wieder angelaufen. Während der langen Leerlaufphase hatten die Arbeiter zwei Drittel ihres Lohnes weiter erhalten. In Togliatti werden auf drei Montagelinien der Lada Granta, die Niva-Familie sowie die Modelle Lada Largus und Lada Xray sowie die Modelle Renault Logan und Renault Sandero hergestellt. Produziert wird der Lada Granta allerdings mit dem Namenszusatz „Classic 2022“. Die Bezeichnung weist darauf hin, dass das Auto vor allem bei der Sicherheit „klassisch“ ist, sprich auf dem Stand des vorvorigen Jahrzehnts. Kunden müssen unter anderem auf ABS, Airbags und Gurtstraffer verzichten. 

Der Rückfall bei den Standards soll mit der Zeit wieder aufgerüstet werden, wenn neue Lieferanten verfügbar sind. Alternativlieferanten suchen die Russen jetzt in China, das in vielen Fällen die in Russland nicht mehr verfügbare Sanktionswaren ersetzen und so auch die Sanktionen umgehen wird. Der Classic-Granta ist das „günstigste Auto auf dem Markt“, es soll zu Preisen ab umgerechnet 10.000 Euro in den Handel kommen. 

Die Autokrise wird auch die Händler erreichen. Beim größten russischen Autohändler „Rolf-Group“, der sich allerdings auf Luxusmodelle spezialisiert hatte, geht man mittlerweile davon aus, dass bis Jahresende die Hälfte der Autohäuser im Land aufgeben muss. Im April gab es noch mehr als 3200 davon. Wie das Wirtschaftsblatt „Wedomosti“ berichtet, wird erwartet, dass die Zahl in diesem Jahr auf 1600 sinkt.