29.03.2024

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Folge 34-22 vom 26. August 2022 / Hochbetagte vor Gericht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-22 vom 26. August 2022

Hochbetagte vor Gericht
Norman Hanert

Als der Bundestag mit Blick auf NS-Verbrechen im Jahr 1979 die Verjährungsfrist für Mord aufhob, war dies der Schlusspunkt einer langen „Verjährungsdebatte“. Vermutlich keiner der damals Beteiligten dürfte geahnt haben, dass die Strafverfolgung bei solchen Verbrechen noch Jahrzehnte später andauern würde.

Dabei ist inzwischen immer öfter von „juristischem Neuland“ die Rede. Im Jahr 2011 verurteilte das Münchner Landgericht erstmals einen nichtdeutschen Wachmann eines NS-Todeslagers, den 91-jährigen John Demjanjuk, wegen Beihilfe zum Mord ohne konkreten Tatnachweis. Das Gericht schloss sich dabei der Argumentation der Staatsanwaltschaft an, nach der der gebürtige Ukrainer als SS-Helfer Teil der „Vernichtungsmaschine“ gewesen sei. Bis dahin musste in NS-Verfahren die individuelle Schuld eines Angeklagten nachgewiesen werden. 

Inzwischen sind weitere Verfahren gegen hochbetagte Angeklagte gefolgt. Ein Brandenburger Gericht verurteilte erst vor wenigen Wochen einen 101-Jährigen, der Wachmann im KZ Sachsenhausen gewesen ist, ebenfalls aufgrund des Vorwurfs, Teil einer „Vernichtungsmaschinerie“ gewesen zu sein. 

Mittlerweile kündigt sich an, dass die Berliner Justiz mit der Anklage eines 98-Jährigen, der als junger Wehrmachtssoldat Kriegsgefangene bewacht hatte, einen neuen „juristischen Meilenstein“ errichten will. Die Justiz muss sich dabei jedoch die Frage nach ihren Maßstäben gefallen lassen. Noch beim Honecker-Prozess Anfang der 90er Jahre stellte der damalige Richter die Frage, welchen Sinn ein Prozess macht, bei dem der Angeklagte zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung vermutlich nicht mehr lebt. 

Auch die extreme Ausweitung dessen, was im juristischen Sinne als Mittäterschaft angesehen wird, kann langfristig noch weitreichende Folgen haben.