19.04.2024

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Folge 34-22 vom 26. August 2022 / Gesundheit / Alarmismus wegen eines neuen China-Virus / Ein vermutlich harmloser Erreger sorgt für Aufregung in Teilen der Fachwelt – Droht die nächste Hysterie?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-22 vom 26. August 2022

Gesundheit
Alarmismus wegen eines neuen China-Virus
Ein vermutlich harmloser Erreger sorgt für Aufregung in Teilen der Fachwelt – Droht die nächste Hysterie?
Wolfgang Kaufmann

Vor Ausrufung der Corona-Pandemie wären Artikel über Viren, die in zweieinhalb Jahren bei drei Dutzend Menschen zu banalen Erkältungssymptomen, aber keinen schweren Verläufen oder gar Todesfällen geführt haben, sicher niemals in einem renommierten Fachblatt wie „The New England Journal of Medicine“ (NEJM) erschienen. Doch mittlerweile wird offenbar jeder neu identifizierte Erreger aus dem globalen Reservoir der vermutlich rund 100 Millionen Virenarten als potentieller Gefahrenherd ausgemacht, über den die Welt Bescheid wissen muss.

Aktuell übernahmen 17 Virologen aus Singapur, Australien und der Volksrepublik China um Xiao-Ai Zhang vom staatlichen Institut für Mikrobiologie und Epidemiologie in Peking die Rolle der Unheilsverkünder. Ihr Artikel „A Zoonotic Henipavirus in Febrile Patients in China“ in der NEJM-Ausgabe vom 4. August berichtet von der Entdeckung eines bislang unbekannten Erregers aus der Gattung der Henipaviren, der den Namen Langyavirus (LayV) erhielt, weil er zuerst in der historischen Region Langya in der chinesischen Provinz Shandong nachgewiesen wurde.

Hier fanden die Wissenschaftler Ende 2018 im Rachenabstrich eines Bauern die RNA des LayV, bevor sie dann bis Anfang 2021 noch bei weiteren 34 Personen auf das Virus stießen. Die Infizierten zeigten aber durchweg nur wenig spektakuläre Symptome: Fieber, Müdigkeit, Husten, Kopf- und Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit und Übelkeit. Weil die Betroffenen fast alle Landwirte mit Kontakt zu Tieren waren, suchten die Forscher nach entsprechenden Wirten. Dabei spürten sie den Erreger auch in 262 Spitzmäusen sowie einigen wenigen Hunden und Ziegen auf. Darüber hinaus heißt es in dem Artikel: „Die Kontaktnachverfolgung bei neun Patienten mit engen Kontakten innerhalb der Familie ergab keine LayV-Übertragung.“

Das klingt zunächst sehr harmlos und maximal nach einer Zoonose ohne sonderliches Gefahrenpotential. Zumal die Untersuchung der Virologen nicht einmal die Henle-Koch-Postulate hinsichtlich des eindeutigen Nachweises der Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Erregern und Symptomen bei angeblichen Infektionskrankheiten erfüllen. Mit anderen Worten: Die Beschwerden der Probanden resultierten möglicherweise gar nicht aus dem LayV, denn es wurden zugleich noch weitere pathogene Viren im Körper der Erkrankten gefunden. 

Eiligst „unter Beobachtung“

Deshalb warnt François Balloux vom University College London, einer der weltweit führenden Experten für Zoonosen, auch vor jedwedem Versuch der direkten oder indirekten Gleichsetzung des Langya-Henipavirus mit dem Pandemie-Verursacher SARS-CoV-2. 

Dennoch aber orakeln die Autoren des NEJM-Artikels mit düsterem Unterton, dass sich eine Übertragung des LayV-Virus von Mensch zu Mensch vielleicht doch nachweisen lasse, wenn man größere Stichproben als bisher betrachte. Daraufhin hat das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) LayV eiligst „unter Beobachtung gestellt“. Damit sind durchaus noch unangenehme Überraschungen möglich.