18.04.2024

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Folge 34-22 vom 26. August 2022 / Spion aus Ostpreussen / Eine Sidewinder-Rakete für den KGB / Manfred Ramminger versuchte sich nach der Vertreibung aus seiner Heimat zunächst als Rennfahrer und Unternehmer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-22 vom 26. August 2022

Spion aus Ostpreussen
Eine Sidewinder-Rakete für den KGB
Manfred Ramminger versuchte sich nach der Vertreibung aus seiner Heimat zunächst als Rennfahrer und Unternehmer
Wolfgang Kaufmann

Die AIM-9-Sidewinder (auf Deutsch: Klapperschlange) ist eine noch heute verwendete Luft-Luft-Rakete aus US-amerikanischer Produktion, mit der seit 1953 mehr Flugzeuge abgeschossen wurden als mit jedem anderen Flugkörper. Ihre Trefferquote gilt als exzellent und lag beispielsweise zu Beginn des Vietnamkrieges bei 65 Prozent. 

Deshalb war die Sowjetunion sehr daran interessiert, ein Exemplar dieser Rakete in die Hände zu bekommen. Und das gelang ihr bereits 1958. Damals feuerte eine taiwanesische F-86 Sabre auf eine MiG-17 der Volksrepublik China, wobei die Sidewinder aber nicht explodierte, sondern im Rumpf der rotchinesischen Maschine stecken blieb. Der Blindgänger gelangte dann alsbald in die Hände von Experten des UdSSR-Konstruktionsbüros OKB-4 unter der Leitung von Matus Bisnowat. Damit schlug die Geburtsstunde des identischen „Lizenzmodells“ R-3/AA-2 Atoll alias Wympel K-13. 

Allerdings verbesserten die USA die Wärmezielsuchköpfe ihrer Sidewinder-Raketen kontinuierlich, weshalb man in der Sowjetunion auch ein modifiziertes Modell haben wollte. Hierdurch kam der Auslandsgeheimdienst KGB ins Spiel, zu dessen Agenten der deutsche Ingenieur und Rennfahrer Manfred Ramminger zählte.

In Groß-Schorellen geboren

Dieser war am 15. Dezember 1930 in Groß Schorellen im Regierungsbezirk Gumbinnen geboren worden und hatte sich trotz der Vertreibung seiner Familie aus Ostpreußen beim KGB verdingt. Das resultierte aus dem Lebensstil von Ramminger, der stets mehr Geld ausgab, als er einnahm, und deswegen mindestens drei Mal Konkurs anmelden musste. Außerdem schien der Sohn eines Maurerpoliers auch fachlich nicht besonders kompetent zu sein. Nach dem Studium der Ingenieurwissenschaften stieg Ramminger Mitte der 1950er Jahre in ein kleines Krefelder Bauunternehmen ein, wonach er den Mitgesellschafter aus der Firma drängte. Rammingers Unternehmen errichtete in der Folgezeit ein Kino, das nach kurzer Zeit wegen diverser Mängel saniert werden musste, sowie Gebäude für eine Geflügelfutter-Firma sowie einen Reitclub in Bayern.

Rammingers Leidenschaft galt Frauen, teuren Reisen und dem Rennsport, wobei er im Letzteren ebenfalls nur Mittelmaß blieb: Beim ADAC-1000-Kilometer-Rennen für Sportwagen auf dem Nürburgring erzielte er 1964 mit seinem Ferrari 250 GTO den 20. Platz und kam im Folgejahr als Co-Pilot von Wilhelm Werner Prinz von Sayn-Wittgenstein als 23. ins Ziel.

Am Ende bestand Rammingers Firma bloß noch aus einem kleinen Büro samt Sekretärin, das ihm als Tarnung diente, während er den Coup seines Lebens vorbereitete. Der startete in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober 1967. Damals schlich sich Ramminger gemeinsam mit Wolf-Diethard Knoppe, einem 32-jährigen Starfighter-Piloten und Hauptfeldwebel der Bundesluftwaffe, sowie dem Schlosser Josef Linowski auf den NATO-Luftwaffenstützpunkt Zell bei Neuburg an der Donau unweit von Ingolstadt. Knoppe, den Ramminger in dem von ihm gebauten Reitclub kennengelernt hatte, zeigte dann, wo die Sidewinder-Raketen lagerten, wofür er 20.000 D-Mark Belohnung erhielt.

Linowski, der als Fahrer für den KGB-Spion fungierte, sollte einen der Flugkörper per Schubkarre aus dem nur sehr dürftig bewachten Militärobjekt hinausschaffen. Allerdings war die fast drei Meter lange und rund 80 Kilogramm schwere Sidewinder nicht eben leicht zu transportieren, sodass Knoppe mit anpacken musste.

Dann passte die Rakete auch nicht auf den Rücksitz von Rammingers Mercedes, weshalb Linowski die Heckscheibe des Fahrzeugs einschlug und den ins Freie ragenden Teil der Sidewinder notdürftig mit einem Teppich verhüllte. Danach ging es zurück nach Krefeld, wo Ramminger die Rakete demontierte, um sie für den „Versand“ in die Sowjetunion vorzubereiten. Der war dann unkomplizierter als gedacht: Da der KGB-Spion versicherte, die „Maschinenersatzteile“ seien weniger als tausend Mark wert, konnte er sie ganz bequem per Luftpost-Paket nach Moskau schicken – eine außen angebrachte „Kleinstausfuhr-Erklärung“ machte die Zollkontrolle überflüssig. 

Rakete passte nicht ins Auto

Anschließend begab sich Ramminger persönlich mit dem Zünder der Rakete im Handgepäck nach Moskau. Dort musste er jedoch noch zehn nervenaufreibende Tage auf die Lieferung der Sidewinder warten. Diese war aus unerfindlichen Gründen über Paris und Kopenhagen zurück nach Düsseldorf gereist. Aber Ramminger hatte ja immerhin reichlich 300 D-Mark Porto bezahlt, also brachte die Post das Paket freundlicherweise noch ein zweites Mal auf den Weg nach Moskau, wo es dann endlich unversehrt eintraf.

Der KGB zahlte Ramminger für die Sidewinder 300.000 D-Mark, an denen er sich indes nicht lange erfreuen konnte, weil die Ermittler ihm Ende 1968 auf die Schliche kamen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte Ramminger am 7. Oktober 1970 mit Linowski zu vier Jahren Haft, während Knoppe für drei Jahre ins Gefängnis musste. Allerdings kam der KGB-Spion mit den ostpreußischen Wurzeln dann schon 1971 im Zuge eines Agentenaustauschs frei, wonach er bis zu seinem Tod in Krefeld im November 1997 ein unauffälliges Leben führte.