19.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Grundsicherung / Lohnt sich Arbeit noch? / Gegenüber dem Arbeitslosengeld II werden beim Bürgergeld die Regelsätze angehoben. Außerdem ist höherer Zuverdienst möglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Grundsicherung
Lohnt sich Arbeit noch?
Gegenüber dem Arbeitslosengeld II werden beim Bürgergeld die Regelsätze angehoben. Außerdem ist höherer Zuverdienst möglich

„Wir lösen die Grundsicherung durch ein neues Bürgergeld ab“, formulierten SPD, Grüne und FDP im vergangenen Herbst als ein Ziel, das sie sogar in die Präambel ihres Koalitionsvertrages aufnahmen. In der Endphase des erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens werden in Detailfragen nun aber noch einmal sehr verschiedene Vorstellungen deutlich.

Taktisch nicht ungeschickt, hatte Hubertus Heil die Eckpunkte seines Gesetzesentwurfs erst kurz vor der parlamentarischen Sommerpause öffentlich gemacht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Referentenentwurf zur Einführung des Bürgergeldes sogar erst am 10. August veröffentlicht.

Folge dieses straffen Zeitplans ist nun aber, dass sich die Ampel unter hohem Zeitdruck abstimmen und einigen muss, damit noch im Laufe des Septembers im Bundeskabinett über das Bürgergeld abgestimmt werden kann.

Klären muss die Ampelkoalition noch die Frage, wie hoch das Bürgergeld überhaupt sein soll. Bundesarbeitsminister Heil schwebt eine „angemessene Erhöhung“ des bisherigen Hartz-IV-Regelsatzes von 449 Euro vor, die nicht der Inflation hinterherhinken soll. Konkret nannte Heil dabei einen Betrag von zusätzlich 50 Euro.

Die Linkspartei-Chefin Janine Wissler kritisierte allerdings die Vorstellung des Ministers: „50 Euro im Monat für einen Erwachsenen – und das ist noch nicht einmal mit dem Koalitionspartner abgestimmt. Selbst wenn die FDP ihren Widerstand aufgibt, wird diese Erhöhung von der Inflation schneller aufgefressen, als man gucken kann.“ Tatsächlich sind aus der FDP bislang eher ablehnende Töne zu einer Erhöhung zu hören. Parteichef Christian Lindner verwies beispielsweise auf  ein „bewährtes Verfahren“ zur Errechnung der Regelsätze anhand von Preis- und Gehaltsentwicklung.

Auch bei den Sanktionsmöglichkeiten im Falle von Pflichtverstößen hat die FDP andere Vorstellungen als der SPD-Politiker Heil. Lindner sagte gegenüber der „Berliner Morgenpost“ zu den Sanktionen gegen Bürgergeld-Empfänger: „Ich sehe das aus den Augen derjenigen, die jeden Tag arbeiten und trotzdem jeden Euro umdrehen müssen.“ Lindner weiter: „Diese Menschen könnten nicht verstehen, dass sie mit ihren Steuern nicht nur Bedürftige unterstützen sollen, sondern auch jene, die vorsätzlich Termine nicht wahrnehmen oder angebotene Bildung und Arbeit ablehnen.“

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärte mit Blick auf das Bürgergeld gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, man müsse aufpassen, dass sich Arbeit noch lohnt. Offen zeigte sich die FDP dagegen, beim Bürgergeld die Grenze für einen Zuverdienst anzuheben. „Wenn Menschen in Hartz IV einige Stunden arbeiten, wollen wir ihnen nicht mehr den Großteil des Verdienstes wegnehmen“, so Dürr. 

In Heils Vorschlägen ist bislang lediglich vorgesehen, dass Schüler, Azubis und Studenten, die Bürgergeld erhalten, mehr hinzuverdienen dürfen als bislang Hartz-IV-Bezieher. Tatsächlich kann eine generelle Anhebung der Zuverdienstmöglichkeiten als ein zweischneidiges Schwert angesehen werden. Die FDP verweist auf eine aktivierende Wirkung, wenn beispielsweise Langzeitarbeitslose zumindest für einige Stunden wieder einer bezahlten Arbeit nachgehen. 

Aufgrund der Erfahrungen mit den Hinzuverdienstmöglichkeiten im bisherigen Hartz-IV-System ist allerdings auch zu befürchten, dass bei einer deutlichen Erhöhung der Hinzuverdienstgrenze in einer Grauzone ein Arbeitsmarktsegment entsteht, bei dem Unternehmer und Beschäftigte das Bürgergeld als eine Lohnsubventionierung auf Kosten der Steuerzahler nutzen. N.H.