20.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Olympia 1972 / Kein Gedenken – und kein Geld für die Opfer / Vor 50 Jahren ermordeten palästinensische Terroristen elf Mitglieder der israelischen Mannschaft. – Angehörige warten auf Entschädigung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Olympia 1972
Kein Gedenken – und kein Geld für die Opfer
Vor 50 Jahren ermordeten palästinensische Terroristen elf Mitglieder der israelischen Mannschaft. – Angehörige warten auf Entschädigung
Erik Lommatzsch

Die Angehörigen der israelischen Olympia-Teilnehmer, die 1972 in München Opfer palästinensischer Terroristen wurden, haben ihre Teilnahme an der offiziellen deutschen Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag am 5. September abgesagt. Stattfinden soll diese am Ort des blutigen Endes der Aktion, auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog wird der Veranstaltung ebenfalls fernbleiben, aus den Reihen der Angehörigen hieß es, „Herzog hält zu den Familien“. Diese konnten sich mit der deutschen Seite im Vorfeld des Gedenkens nicht über eine materielle Entschädigung einigen.

Die Olympischen Sommerspiele von 1972 wurden vom 26. August bis zum 11. September in der bayerischen Landeshauptstadt ausgetragen. In den frühen Morgenstunden des 5. September überwältigten acht Palästinenser, die zur Terrorgruppe „Schwarzer September“ gehörten, im Olympischen Dorf elf Mitglieder der israelischen Mannschaft. Zwei davon wurden bei Gegenwehrversuchen getötet.

Mit den neun verbliebenden Geiseln sollten unter anderem mehrere hundert Palästinenser aus israelischer Haft freigepresst werden, was die von Golda Meir geführte Regierung ablehnte. Auch die Entlassung von in Deutschland einsitzenden RAF-Terroristen gehörte zu den Forderungen der Terroristen. Schließlich wurde vereinbart, die Palästinenser ihrem Wunsch gemäß mit den Geiseln nach Kairo auszufliegen. Am Abend wurden sie zum Fliegerhorst Fürstenfeldbruck gebracht. Hier versuchte die bayerische Polizei, die Israelis zu befreien. 

GSG 9 als Resultat des Terrorakts

Die Bilanz, die in den ersten Stunden des 6. September nach einem mehrstündigen Feuergefecht gezogen werden konnte, fiel katastrophal aus. Alle Geiseln waren tot, ebenso ein Polizist. Drei Geiselnehmer hatten überlebt, sie wurden in Deutschland inhaftiert. Allerdings bemächtigten sich palästinensische Terroristen bereits am 29. Oktober einer Lufthansamaschine und verlangten die Freigabe der Verhafteten. Die Bundesregierung gab dem nach, folglich war der Münchener Terrorakt in Deutschland nie Gegenstand eines Gerichtsprozesses.

Israel stellte eine Sondereinheit des Geheimdienstes Mossad auf, deren Ziel es war, die überlebenden Geiselnehmer und die Hintermänner aufzuspüren und zu ermorden. Den Aktionen der „Operation Zorn Gottes“ fiel auch eine Reihe Unbeteiligter zum Opfer. In Deutschland wurde die Antiterroreinheit GSG 9 (Grenzschutzgruppe 9) gegründet, als Konsequenz aus der fehlgeschlagenen Befreiungsaktion. 

In der Tat ist die Liste der Versäumnisse, Fehler und Unzulänglichkeiten, die sich die deutschen Behörden bezüglich ihres Vorgehens gegen die Geiselnehmer vorhalten lassen mussten, sehr lang. So waren die Terroristen nicht vom Informationsfluss via Radio und Fernsehen abgeschnitten. Fälschlich ging man lange von fünf statt von acht Geiselnehmern aus, was zur Folge hatte, dass auf dem Fliegerhorst auch nur fünf Scharfschützen positioniert wurden. Diese waren weder entsprechend ausgebildet noch adäquat ausgerüstet. Polizisten wurden irrtümlich von ihren Kollegen beschossen. Panzerwagen wurden zu spät gerufen. 

Noch während der Auseinandersetzungen wurden mehrere unzutreffende Erfolgsmeldungen herausgegeben. Bei all dem sollte man allerdings nicht aus dem Auge verlieren, dass die Terroristen die Verantwortung für die Morde tragen.

„Humanitäre“ drei Millionen Euro

Die Angehörigen der Opfer hatten sich von Anfang an um eine materielle Entschädigung bemüht – durch die Bundesrepublik, das Land Bayern und die Stadt München. Zeitnah wurde eine Million US-Dollar gezahlt, als „humanitäre Hilfe“ über das Rote Kreuz. Aufgefasst wurde dieser Weg als das Umgehen eines Schuldeingeständnisses. 

1994 klagten die Angehörigen aufgrund der Fehler bei dem Befreiungsversuch auf 40 Millionen D-Mark Schadenersatz. Dies wurde wegen Verjährung abgewiesen. Einen Revisionsantrag beim Bundesgerichtshof zogen die Angehörigen 2001 zurück. Im Folgejahr wurden ihnen jedoch, wieder versehen mit dem Stichwort „humanitär“, von Deutschland drei Millionen Euro überwiesen.

2021 forderten die Angehörigen von den Vereinten Nationen (UN) Schadenersatz. Das Geld sollte dabei von eingefrorenen Konten des ehemaligen libyschen „Revolutionsführers“ Muammar al-Gaddafi kommen, der die Terroristen von München unterstützt habe. Genannt wurde eine Summe von 110 Millionen Euro 

– zehn Millionen für jede ermordete Geisel. Die Angehörigen orientierten sich dabei am Lockerbie-Attentat von 1988. Hier war ein US-Passagier-Flugzeug durch einen libyschen Anschlag zum Absturz gebracht worden. Auf Druck der UN musste das Land der Attentäter für jedes Todesopfer zehn Millionen Dollar zahlen.

Größere Summen sind nun auch in Bezug auf Deutschland im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Terroraktes bei der Münchener Olympiade ins Spiel gekommen. Ankie Spitzer ist Witwe des Fechttrainers Andrei Spitzer und Sprecherin der Angehörigen. Sie verlangt eine „normale Kompensation nach internationalen Standards“. 

Eine „beleidigende Summe“

Hieß es Ende Mai dieses Jahres seitens der Bundesregierung noch, die Entschädigungsverfahren seien abgeschlossen, so erklärte ein Sprecher des Innenministeriums im Juli, „die gravierenden Folgen für die Hinterbliebenen der Opfer in immaterieller und in materieller Hinsicht“ seien „erneut zu artikulieren“. 

Die Angehörigen wünschen eine bislang nicht erfolgte Bitte um Entschuldigung von deutscher Seite und eine historische Aufarbeitung des Terroraktes. Für Ersteres zeigt sich der Bundespräsident offen, dem zweiten Anliegen wird mit einer deutsch-israelischen Historikerkommission Genüge getan. 

Zur Absage der Teilnahme an der Gedenkveranstaltung kam es aufgrund der materiellen Forderungen. Bund, Bayern und München wollen insgesamt zehn Millionen Euro aufbringen, abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen. Spitzer nannte dies eine „unakzeptable und beleidigende Summe“. 

Gemeinsam mit Ilana Romano, der Witwe des Gewichthebers Josef Romano, schrieb Spitzer in einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder: „50 Jahre Schmähung, Lügen, Erniedrigung und Abweisung durch die deutsche Regierung und insbesondere bayerische Behörden sind mehr als genug für uns.“ 

Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland, sagte, man habe „ein faires Angebot gemacht“. Die bayerische Staatskanzlei ließ verlauten, man bedauere die Absage sehr und führe die Verhandlungen fort.





Neue Bücher zum Jahrestag

Markus Brauckmann/Gregor Schöllgen: „München 72: Ein deutscher Sommer“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2022, gebunden, 25 Euro

Roman Deininger/Uwe Ritzer: „Die Spiele des Jahrhunderts: Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland“, dtv, München 2021, gebunden, 528 Seiten, 25 Euro

Cornelia Ziegler: „Olympia 1972: 19 Superlative und 72 Geheimnisse“, Volk Verlag, München 2022, Taschenbuch, 160 Seiten, 16,90 Euro

Petra Mattfeldt: „München 72 – Der Tag, an dem die Spiele stillstanden“, Blanvalet Verlag, München 2022, broschiert, 320 Seiten, 16 Euro 

Sven Felix Kellerhoff: „Anschlag auf Olympia: Was 1972 in München wirklich geschah“, wbg Theiss, Darmstadt 2022, 240 Seiten, gebunden, 25 Euro

Karl Stankiewitz: „München 1972: Wie Olympia eine Stadt veränderte“, Allitera Verlag, München 2021, broschiert, 224 Seiten, 25 Euro

Elisabeth Spieker: „Olympia München ’72. Architektur + Landschaft als gebaute Utopie“, Jovis Verlag, Berlin 2022, gebunden, 464 Seiten, 48 Euro

 Cornelia Jahn/Katharina Wohlfart: „Olympia 72 in Bildern: Fotografien aus den Sammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek“, Volk Verlag, München 2022, gebunden, 192 Seiten, 29,90 Euro