19.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Weltpolitik / Das Spenden und Stiften ist zum globalen Machtinstrument geworden / Soros, Gates und andere: Scheinbar selbstlose „Philanthrokapitalisten“ üben mit ihren Milliarden-Gaben weltweit unauffällig Einfluss aus – und machen nicht selten sogar noch Profit dabei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Weltpolitik
Das Spenden und Stiften ist zum globalen Machtinstrument geworden
Soros, Gates und andere: Scheinbar selbstlose „Philanthrokapitalisten“ üben mit ihren Milliarden-Gaben weltweit unauffällig Einfluss aus – und machen nicht selten sogar noch Profit dabei
Wolfgang Kaufmann

Reiche Philanthropen, also vermögende „Menschenfreunde“, die freiwillig bedeutende Summen zur Hebung des Gemeinwohls zur Verfügung stellen, gibt es schon seit der Antike. Dazu kommen nun neuerdings noch die Philanthrokapitalisten. Das sind extrem reiche Personen wie Bill Gates, Warren Buffett, George Soros, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos, die sich seit geraumer Zeit als „Weltsanierer“ gerieren und in deren Stiftungen bereits um die eintausend Milliarden US-Dollar geflossen sind.

Die Bezeichnung für diesen sehr speziellen Typ von Wohltätern prägte der indische Investor Uday Khemka im Februar 2006 in einem Artikel für die britische Zeitschrift „The Economist“, in dem er prophezeite, dass die Philanthropie bald „immer mehr der kapitalistischen Wirtschaft ähneln“ werde. 

Und genauso kam es dann auch: Der Philanthrokapitalismus als globales Modell einer institutionalisierten Förderung, welche die Effektivität und Effizienz der traditionellen Philanthropie um Längen übertreffen soll, befindet sich seitdem gewaltig auf dem Vormarsch, was das „Forbes Magazine“ dazu brachte, vom „neuen Goldenen Zeitalter der Philanthropie“ zu schwärmen. Immerhin böten die Stiftungen von Gates, Soros und Co. ja eine höchst sinnvolle Ergänzung zu den staatlichen Aufwendungen für Soziales, Kultur, Umwelt, Bildung und Wissenschaft, was die Zivilgesellschaft stärke und zu einer wünschenswerten Umverteilung von Reichtum führe – ganz abgesehen von der innovativen und pluralistischen Ausrichtung dieser neuen Art der Philanthropie. Tatsächlich allerdings überwiegen die Nachteile beziehungsweise Gefahren des Philanthrokapitalismus dessen Vorteile aufs Gravierendste.

Die Elite der Zukunft heranzüchten

Das beginnt schon damit, dass der Reichtum zum Verteilen in aller Regel aus dem unerbittlichen Streben nach Profit resultiert – wovon so mancher Arbeitnehmer in den Unternehmen der Philanthropen ein Lied singen kann. Und dann verfügen die „noblen“ Geldgeber natürlich auch über reichlich Macht: So können sie beispielsweise nach ihrem ganz eigenen privaten Gusto bestimmen, was dem Gemeinwohl gut zu tun hat und was nicht, womit gesellschaftliche Konflikte programmiert sind.

Ein weiteres großes Problem ist die fehlende demokratische Kontrolle der philanthrokapitalistischen Aktivitäten. Im Gegensatz zu gewählten Politikern müssen sich vermeintliche Weltverbesserer vom Schlage eines Buffett oder Zuckerberg eher selten für ihr Tun verantworten, obwohl sie erheblichen Einfluss ausüben, wenn es um zentrale Belange eines Staates und dessen Bürger geht.

Gleichzeitig glauben die Philanthrokapitalisten, sie könnten Probleme besser lösen als die eigentlich dafür Zuständigen in den Regierungen und Parlamenten, was manchmal, aber beileibe nicht immer zutrifft. Aus diesem Grunde bezeichnen Kritiker das Verhalten der „wohltätigen Menschenfreunde“ auch als paternalistisch im Sinne von despotisch und bevormundend sowie elitär und snobistisch. Immerhin ist Philanthropie in großem Stil stets nur winzig kleinen privilegierten Minderheiten möglich, welche so auch ihren sozialen Status zementieren wollen.

Des Weiteren läuft der Philanthrokapitalismus auf den Versuch hinaus, eine kulturelle Hegemonie zu errichten: Die Wohltätigkeit der Milliardäre dient auch dem Zweck, ihren Werten und Normen Geltung zu verschaffen, um die eigene Machtposition zu sichern. Deshalb sponsern sie gern Universitäten und Forschungseinrichtungen: So können die Superreichen einerseits die intellektuelle Elite der Zukunft heranzüchten, die ihre Weltsicht teilt, und andererseits der Wissenschaft die Richtung vorgeben. Das mündet oft sogar in Selbstzensur, denn die auf Fördermittel Angewiesenen wissen sehr genau, wofür sie Geld bekommen und wofür nicht. Zumal die klugen Köpfe dabei auch noch zur Passivität verdammt sind: „Rufen Sie uns nicht an, wir finden Sie!“, lautet ein Slogan der meisten philanthrokapitalistischer Stiftungen.

Ein gutes Steuersparmodell

Und dann wäre da noch der Umstand, dass die „Menschenfreundlichkeit“ in aller Regel Profit abwerfen soll. Gerade bei den Wohltätern aus dem IT-Bereich ist die Grenze zwischen Philanthropie und Gewinnsucht hochgradig fließend. Wenn etwa Stiftungen kostenlose Lernsoftware zur Verfügung stellen, führt deren Verwendung meist zum Absaugen persönlicher Daten, die für die Unternehmen der Gönner Gold wert sind.

Außerdem stellen die „großzügigen“ Stiftungen natürlich Steuersparmodelle par excellence dar, wodurch alleine schon dem US-Fiskus um die 40 Milliarden Dollar pro Jahr entgehen. Bezos und seinesgleichen enthalten dem Staat also Geld vor, um die „eingesparten“ Mittel dann nach eigenem Gutdünken dort einzusetzen, wo sie ihrer Meinung nach am besten aufgehoben sind, wobei die Beziehung zwischen Spender und Empfänger zugleich noch zutiefst asymmetrisch ist.

Der Philanthrokapitalismus trägt auch in keiner Weise dazu bei, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Vielmehr verschlimmert er die bestehende Situation noch, wie nicht zuletzt das Scheitern der „Allianz für eine grüne Revolution in Afrika“ (AGRA) der Bill- und-Melinda-Gates- sowie der Rockefeller-Stiftung auf eindrucksvolle Weise zeigte: Der Anteil der Menschen, die unter extremem Hunger leiden, stieg in vielen AGRA-Teilnehmerländern durch den misslungenen Versuch der „nachhaltigen Intensivierung“ der lokalen kleinbäuerlichen Landwirtschaft um 30 Prozent. 

Insofern hatte Peter Wilby, Bildungsexperte der britischen Zeitung „The Guardian“, recht, als er im August 2010 schrieb: „Die Reichen wollen eine bessere Welt? Dann sollten sie … ihre Steuern pünktlich und vollständig zahlen; ihre Lobbyarbeit gegen eine angemessene Besteuerung und Regulierung einstellen; die Schaffung von Monopolen vermeiden; ihren Mitarbeitern bessere Löhne, Renten und Arbeitsbedingungen bieten; Waren herstellen und Produktionsmethoden verwenden, welche die Umwelt nicht schädigen oder Menschen krank machen.“ Aber daran hapert es auch zwölf Jahre später noch.