27.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Aus Kaisers Zeiten / Gekrönte Häupter auf Usedom und Wollin / Royale Spuren erwecken heutzutage ein zunehmendes Interesse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Aus Kaisers Zeiten
Gekrönte Häupter auf Usedom und Wollin
Royale Spuren erwecken heutzutage ein zunehmendes Interesse
Erwin Rosenthal

Obwohl es in Europa keine Kaiser mehr gibt, hat das Adjektiv „kaiserlich“ Konjunktur. Das größte deutsche Ostseebad, das „Kaiserbad“ Seebad Heringsdorf beruft sich hier auf seine Geschichte. Ob das Bad auch heute kaiserlich ist, also herrlich, prachtvoll und kaum zu toppen, sollten die Gäste entscheiden. Bei wohlwollender Betrachtung könnte ihre Zahl als Votum gelten: Im Jahre 2020 wurden annähernd drei Millionen Übernachtungen gezählt. Die Zahl erhöht sich bedeutend, wenn man die man die Gäste des benachbarten, sehr dynamisch wachsenden polnischen Ostseebades Swinemünde [Świnoujście] hinzurechnet. 

Der polnische Historiker und Chronist Swinemündes, Józef Pluciński, vertritt die Auffassung, dass es auf Usedom nur ein Kaiserbad gebe: Das Ostseebad Swinemünde. Und in der Tat gaben sich hier zwischen 1820 und 1913 die Majestäten geradezu die Klinke in die Hand.

Im Jahr 1820, exakt hundert Jahre nach der Besitznahme Stettins und der Doppelinsel Usedom-Wollin durch Preußen, besuchte erstmals ein preußischer Monarch Swinemünde (den Stadtbrief, der als Gründungsurkunde gilt, hatte Friedrich der Große 1765 unterzeichnet),  um die dortigen Molen in Augenschein zu nehmen. Tonnen edlen Goldes hatte Preußen der Hafen mit der Stadt aus der Retorte gekostet. Eine auf der Ostmole angebrachte steinerne Tafel mit dem Monogramm Friedrich Wilhelms III. von Preußen und dem Datum seiner Visite – an der auch der Kronprinz, der spätere Kaiser Wilhelm I., teilnahm – erinnerte an das Ereignis.

Royale Familienbande

Nach dem Sieg über Napoleon spielte Swinemünde eine bedeutende Rolle bei der Pflege der überaus guten Beziehungen zwischen Preußen und Russland. So weilte im Jahre 1838 der russische Zar Nikolaus I. in Begleitung seiner Töchter, der Großfürstinnen Maria, Olga und Alexandra in Swinemünde. Im Jahre 1841 traf sich hier der Zar mit dem schwedischen Thronfolger Oscar. Erwähnung verdient auch der Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1846. Er verbrachte in Swinemünde einige Tage mit seiner Schwester Charlotte, der russischen Zarin Alexandra. 

Im gleichen Jahr beehrte auch König Wilhelm I. von Württemberg mit seiner jungen Gemahlin Olga, der Schwester des russischen Zaren, die Swinemünder Gesellschaft. Ähnliche königliche Familientreffen wiederholten sich mehrfach. Im Swinemünder Hafen lagen zu dieser Zeit russische Kriegsschiffe ständig unter Dampf.

Große Popularität erlangte Swinemünde auch durch die Besuche des Deutschen Kaisers Wilhelm II. in den Jahren 1891 bis 1913 anlässlich der alljährlich stattfindenden Flottenmanöver. Zu den „Kaisertagen“ reiste der Monarch gewöhnlich an Bord der Jacht „Hohenzollern“ an, die am „Kaiserbollwerk“ festmachte. Und ganz besonderes Aufsehen erregte die Begegnung des Kaisers mit seinem Cousin, dem Zaren von Russland, Nikolaus II., im August 1907 auf der Reede vor Swinemünde. Und nicht zuletzt: In der Stadt an der Swine erholten sich 1883 der König von Portugal, 1891 der König von Dänemark und im Jahre 1899 der König von Sachsen. 

Kaiserliche Spuren beseitigt

Den ersten Besuch eines gekrönten Hauptes hatte der schwedische König Gus­tav II. Adolf der Region abgestattet, als er zu Johanni 1630 mit seinen Soldaten in der Nähe von Peenemünde an Land ging. Er vertrieb die kaiserlichen, von Wallenstein befehligten Truppen und stieß binnen weniger Tage bis zur Swinemündung vor. Vor dem Weitermarsch nach Wollin machte er in Kaseburg, heute ein Ortsteil Swinemündes, halt, übernachtete im Pfarrhaus und frühstückte mit dem Pfarrer unter den alten Kastanien.

Nach 1945 wurde in Swinemünde im Rahmen der sogenannten „Repolonisierung“ Swinemündes alles beseitigt, was an die deutschen Kaiser und preußischen Könige erinnern konnte. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal vor dem Rathaus wurde geschleift, die Kaiserfahrt in Kanał Piastowski umbenannt, die kaiserlichen Kasernen übernahm die Rote Armee und die Tafel auf der Ostmole wurde herausgebrochen. 

Heute ändert sich dort das Bild wieder. Seit einigen Jahren empfängt das Hotel Kaiser’s Garten [Cesarskie Ogrody] seine Gäste. Es handelt sich um das frühere städtische Krankenhaus in der Heysestraße [Stanisława Wyspiańskiego].Nicht wenige vertriebene Swinemünder feiern in jenem Haus, in dem sie einst das Licht der Welt erblickten, etwas wehmütig ihren 80. Geburtstag. Und die in neuerer Zeit erste deutsche Gaststätte, an der Anlagestelle für die Ausflugsschiffe gelegen, trägt den Namen „Des Kaisers Pavillon“.

Auch um die Entwicklung Misdroys auf der Nachbarinsel Wollin zu einem modernen Kurort hatte sich ein Thronfolger, der spätere deutsche Kaiser Friedrich III. verdient gemacht. Im Jahre 1867 kurte er hier einige Wochen mit seiner Familie. Dank seiner Fürsprache wurde zwei Jahre später am Vietziger See ein Schiffsanleger für die Direktverbindung Stettin–Misdroy gebaut. Die dankbaren Einwohner von Misdroy gaben daraufhin ihrer 1855 eröffneten Seebrücke, der ersten in der Region, seinen Namen. 

Bereits ein Jahr vor ihrer Visite in Misdroy weilte die preußische Kronprinzessin Victoria, Princess Royal von Großbritannien und Irland, spätere Königin von Preußen und Deutsche Kaiserin mit ihren Söhnen Wilhelm und Heinrich im Weißen Schloss auf dem Kulm in Heringsdorf. Zwischen Sellin und Neu-Sallenthin erinnert auf der Victoria-Höhe eine Tafel an ihren Besuch. Nach dem Ende des Deutschen Krieges 1866 stieß auch der preußische Kronprinz Friedrich zu seiner Familie. Erwähnung verdient auch Claus von Amsberg, der spätere Gemahl der holländischen Königin Beatrix. Er besuchte in den Jahren 1938 bis 1942 in Misdroy die „Balten-Schule“.

Der „Kaiser“ punktet stets

Die Seebrücke Heringsdorfs wurde 1891 per „kaiserlicher Kabinettsorder“ auf den Namen Kaiser-Wilhelm-Brücke getauft. Aufsehenerregend waren die Teevisiten Kaiser Wilhelms II. bei der Konsulin Staudt in Heringsdorf, zu denen er aus Swinemünde bis 1912 im offenen Cabrio anreiste. Vor der Villa Staudt prangt heute eine Büste seines Vorgängers, Wilhelm I. Ein Schmunzeln ruft der Name Kaiserbädersaal beziehungsweise Kaisersaal für den Saal in einem Vier-Sterne-Superior Hotel in Heringsdorf hervor. Es handelt sich hier um den Theatersaal des früheren sowjetischen Offizierskasinos und späteren Heringsdorfer Kulturhauses.

Auch in Ahlbeck haben die Majestäten ihre Spuren hinterlassen. Als die Bauern der Thurbruchgemeinden die Überschwemmung ihrer Wiesen beklagten, siedelte Friedrich II. ehemalige Soldaten an der „Aal-Beeke“ an. Sie mussten zur Entwässerung des Bruchs den Bach am Fließen halten. Neben „Ahlbeck adlig“ entstand nun „Ahlbeck königlich“. Und schließlich: In Ahlbeck logierte im Jahre 1905 der österreichische Kaiser Franz Joseph I. zwei Wochen im Hotel Ahlbecker Hof. Täglich fuhr er mit seiner Kutsche nach Swinemünde zur Morgenandacht in der katholischen Kirche „Stella Maris“. 

Fazit: Über mangelndes Interesse der Obrigkeit an ihrer Heimat konnten sich unsere Altvorderen auf Usedom und Wollin nicht beklagen.