25.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Für Sie gelesen

Rassistischer Antirassismus

In den USA ist der Einfluss der Antirassismus-Bewegung auf die staatlichen Institutionen und auf die Gesellschaft nach dem gewaltsamen Tod des Schwarzen George Floyd im Mai 2020 noch stärker geworden. Der schwarze Sprachwissenschaftler und Journalist John McWorther prangert in seinem neuen Buch „Die Erwählten. Wie der neue Antirassismus die Gesellschaft spaltet“ die Black Lives Matter (BLM)-Bewegung als eine aus dem Ruder gelaufene, radikale Ideologie an, die ihrerseits rassistische Züge trage. Ihre Verfechter machen sich medial und lautstark auf der Straße bemerkbar und sie verzeichnen Erfolge. 

Ein Rassismus-Vorwurf gegen einen Amtsträger könne wie eine Waffe wirken, wie er anhand von Beispielen zeigt, und schon bei Verdachtsfällen drohe Betroffenen die soziale Exkommunion. Für McWorther sind die BLM-Anhänger Protagonisten einer neuen, quasi-religiösen fundamentalistischen Sekte. Ihn treibt die Sorge um, dass diese „totalitäre, zwanghafte und völlig überflüssige kulturelle Umprogrammierung der Demokratie“ schon bald nicht nur die Hochschulen, sondern die gesamte US-amerikanische Kultur durchdringen und Fortschritt erschweren könnte. Mit seinem Buch wendet er sich an die in dieser Debatte noch Unentschlossenen, da ihm bewusst sei, dass man „religiöse Fanatiker“ nicht mehr mit Argumenten erreichen könne.

Aktuell wird die BLM-Bewegung von linksliberalen Weißen angeführt. Die „Erwählten“ würden sich wohlfühlen in ihrer Gutmenschen-Blase, sagt McWorther. Mit ihrer anklagenden und letztlich auch freudlosen „Cancel Culture“ hätten sie ihrem Leben eine bedeutsame Agenda verschafft. 

Dabei leugnet er nicht die Notwendigkeit der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung in den USA. Dazu verweist er auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die in der Schul- und der Drogenpolitik zur Anwendung kommen sollten. Die BLM-Anhänger hätten sich jedoch in anti-aufklärerischer Weise das Recht auf einen Erziehungsauftrag an die Bevölkerung der USA angemaßt. Sie würden versuchen, den weißen Amerikanern ein Bewusstsein für ihre sogenannte weiße Schuld und ihre Privilegien einzuimpfen, während sie besorgten schwarzen Bürgern herablassend erklären, was ihnen wichtig zu sein hat. Der Autor weist diese Rollenzuschreibungen empört zurück. Insbesondere hält er es für fatal, dass den schwarzen Amerikanern nahegelegt wird, sich über eine 400-jährige Opferrolle zu identifizieren. 

Durchaus bemerkenswert ist es, dass die Übersetzerin Kirsten Riesselmann die in den USA durchgesetzte Großschreibung des personenbezogenen Adjektivs „schwarz“ - „Schwarze Amerikaner“ -, die der Autor als Erfolg der BLM-Bewegung kennzeichnet und überflüssig findet, für ihre Übersetzung ins Deutsche übernommen hat. Hierzulande ist wiederum der Begriff „Rasse“ tabuisiert, sodass die etwas skurrile Wortschöpfung „dieses race-Ding“ erfunden wurde. Dagmar Jestrzemski

John McWhorter: „Die Erwählten. Wie der neue Antirassismus die Gesellschaft spaltet“, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2022, gebunden, 256 Seiten, 23 Euro