20.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Johann Heinrich Dombrowski / Ein polnischer Nationalheld aus deutschsprachigem Hause

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Johann Heinrich Dombrowski
Ein polnischer Nationalheld aus deutschsprachigem Hause
Wolfgang Reith

Verlässt man die Stadt Rastenburg [Kętrzyn] in westliche Richtung auf der Hindenburgstraße [ul. Generala Władys-ława Sikorskiego], kommt man an einen Kreisverkehr, wo die Woiwodschaftsstraße 594 nach Süden hin zur berühmten Wallfahrtskirche Heiligelinde [Święta Lipka] führt. Auf der Kreisinsel inmitten des Platzes steht eine weiß-rot gestreifte Bake mit einer daran befestigten Tafel und dem Text „Szlak Bojowy Wojsk Gen. Jana H. Dąbrowskiego 1807 r.“. In der deutschen Übersetzung heißt dies, dass hier die Marschroute des in napoleonischen Diensten stehenden polnischen Generals Jan H. Dąbrowski und seiner Division im Jahre 1807 verlief. Wer aber war dieser General?

Jan Henryk Dąbrowski wurde am 29. August 1755 in Pierzchowice in der Nähe von Krakau geboren, wuchs jedoch als Johann Heinrich Dombrowski in Hoyerswerda auf, wo sein Vater Johann Michael Dombrowski/Jan Michał Dąbrowski (1718–1779), der mit Zofia Maria Dąbrowska, geborene Sophie von Lettow-Vorbeck (1724–1757) verheiratet war, als Oberst der sächsischen Armee diente. 

Sohn Johann Heinrich trat 1772 ebenfalls in die Armee des Kurfürstentums Sachsen ein, der er 20 Jahre lang angehörte. Er lebte in Dresden, wurde 1789 Rittmeister und war von 1788 bis 1791 Generaladjutant des sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. 1792 wechselte Dąbrowski als Oberstleutnant in die Streitkräfte des polnisch-litauischen Commonwealth über, in deren Reihen er im selben Jahr unter König Stanisław II. August Poniatowski am polnisch-russischen Krieg teilnahm. Als Vize-Brigadier beteiligte er sich 1794 am Aufstand von Tadeusz Kościuszko, der sich gegen die dritte und damit vollständige Teilung Polens wandte. Der Versuch scheiterte, und Polen verschwand 1795 für lange Zeit von der Landkarte Europas. 

Wegen seiner militärischen Leistungen noch zum Generalleutnant befördert, engagierte sich Dąbrowski nunmehr im Ausland für die Wiederherstellung des polnischen Staates. In Italien gründete er 1797 eine polnische Legion, die dort bis 1801 im Verbund mit der französischen Armee unter Napoleon kämpfte. Bis 1806 stand er dann als General Jean Henri Dombrowski in französischen wie in italienischen Diensten. Durch die Kriegserfolge Napoleons ermutigt, wagten polnische Patrioten in jenem Jahr einen Aufstand in der Provinz Südpreußen, die 1793 nach der zweiten polnischen Teilung auf den annektierten historischen Territorien Großpolens und Masowiens entstanden war (Großpolnischer Aufstand), wobei sie sich mit Hilfe Frankreichs eine Wiederherstellung des polnischen Staates erhofften. 

Schlachten in Ostpreußen

Tatsächlich konnten die französischen Truppen, unterstützt von polnischen Einheiten, schon Ende 1806 Warschau einnehmen. Die Schlachten bei Preußisch Eylau Anfang Februar 1807 und bei Heilsberg am 10. Juni des Jahres gingen bei hohen Verlusten sowohl auf französisch-polnischer als auch auf russisch-preußischer Seite noch unentschieden aus, doch die Schlacht bei Friedland am 14. Juni 1807 und die Einnahme von Königsberg nur zwei Tage später brachte den entscheidenden französischen Sieg und führte am 7. und am 9. Juli zum Frieden von Tilsit, der vor allem für Preußen eine bittere Niederlage bedeutete und zur Errichtung eines neuen polnischen Staates in Form des Herzogtums Warschau führte.

Eine Woche nach der Schlacht bei Friedland trafen in der französischen Armee kämpfende polnische Truppen unter dem Befehl der Generale Jan Henryk Dąbrowski und Józef Zajączek in Rastenburg zusammen (20.–21. Juni 1807), ehe sie weitermarschierten. 

In Erinnerung an den Aufenthalt in der Stadt wurde am 11. November 1997 am Haupteingang der Ordensburg ein Gedenkstein enthüllt, dessen Text in der deutschen Übersetzung lautet: „Die sich hier vom 20. bis 21.6.1807 befindliche Posener Division unter General Jan Henryk Dabrowski und General Zajaczek besetzte am 22.6.1807 Lötzen. Die Einwohner Rastenburgs errichteten diese Gedenktafel zur Erinnerung an dieses Ereignis, an das 200-jährige Jubiläum der Entstehung der Nationalhymne und zum 640-jährigen Jubiläum der Verleihung der Stadtrechte der Stadt Rastenburg.“ 

Tatsächlich ist nämlich die polnische Nationalhymne mit dem Text „Jeszcze Polska nie zginęła“ („Noch ist Polen nicht verloren“) nach Dąbrowski benannt, denn sie trägt den Titel „Mazurek Dąbrowskiego“ und beschreibt den Wunsch, der General möge die im Ausland lebenden Polen in ihr Vaterland zurückführen und dieses als Staat wiederauferstehen lassen.

Als Divisionskommandeur in der Armee des Herzogtums Warschau nahm Dąbrowski 1812 am Russland-Feldzug Napoleons teil, ebenso kämpfte er auf französischer Seite in den europäischen Befreiungskriegen der Jahre 1813–1815. Nach dem Tode des Fürsten Józef Antoni Poniatowski war er seit 1813 Oberbefehlshaber aller polnischen Truppen. Im Anschluss an den Wiener Kongress organisierte Dąbrowski ein Jahr lang (1815–1816) die Armee des neuen Königreiches Polen („Kongresspolen“), das in Personalunion mit dem Russischen Kaiserreich verbunden war, wofür er von Zar Alexander I. zum General der Kavallerie ernannt wurde. Wenig später schied er aus dem Dienst aus und zog sich auf seine Güter bei Winna Góra (Gemeinde Środa Wielkopolska) im Großherzogtum Posen, das zum Königreich Preußen gehörte, zurück, wo er am 6. Juni 1818 starb.

Obwohl General Jan Henryk Dąbrowski als polnischer Nationalheld verehrt wird, wuchs er doch in einem deutschsprachigen Elternhaus in Sachsen auf und schrieb auch Gedichte auf Deutsch. Später verfasste er etliche militärische Abhandlungen in den drei Sprachen, die er fließend beherrschte: Polnisch, Deutsch und Französisch. In erster Ehe war Dąbrowski mit der Deutschen Gustave Margarethe Henriette von Rackel (1757–1803) verheiratet, nach deren Tod heiratete er die Polin Barbara Florentyna Chłapowska h. Dryja (1782–1848); aus beiden Ehen gingen mehrere Kinder hervor. 

Sein Name in der Schreibweise Dombrowsky ist am Triumphbogen in Paris eingelassen, außerdem führte im Zweiten Weltkrieg die 2. Infanterie-Division der Polnischen Streitkräfte in der Sowjetunion seinen Namen (2 Warszawska Dywizja Piechoty im. Henryka Dąbrowskiego).