25.04.2024

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Folge 35-22 vom 02. September 2022 / Der Wochenrückblick / Der nächste Aufprall / Warum es uns eigentlich ganz gut geht, und was aus weltweiten „Vorreitern“ werden kann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-22 vom 02. September 2022

Der Wochenrückblick
Der nächste Aufprall
Warum es uns eigentlich ganz gut geht, und was aus weltweiten „Vorreitern“ werden kann
Hans Heckel

Schlimme Zeiten sind das: „Wutwinter“, „tiefste Krise seit Bestehen der Bundesrepublik“, „Absturz der Industrieproduktion“, „Blackout“ – man weiß gar nicht mehr, wo man hingucken soll, überall schnappen schreckliche Entwicklungen nach uns. Früher war es wirklich gemütlicher in Deutschland. Da durften wir uns mit lauter „Problemen“ beschäftigen, über die wir heute nur noch lachen können.

Zumindest die meisten von uns. Jan Böhmermann hat diese gemütlichen Zeiten der eingebildeten Probleme nie verlassen. Dafür muss man ihn einerseits beneiden, andererseits treibt seine überlebte Haltung Blüten, die uns vor dem Hintergrund der realen Gegenwartssorgen doch ziemlich bizarr vorkommen müssen.

Der stramm linke Fernsehmann will herausgefunden haben, dass das deutsche Apotheken-Logo ganz furchtbar „Nazi“ sei, weil das rote Fraktur-A 1936 eingeführt worden sei. Das Entstehungsjahr reicht ihm, um Bescheid zu wissen. Nun appelliert Böhmermann an die Branche, das Logo zu ersetzen. Außerdem: Fraktur, das sagt doch alles! Oder? Nun ja, in Wahrheit waren es ausgerechnet die Nationalsozialisten, welche die schönen Frakturbuchstaben und die Sütterlin-Schreibschrift abgeschafft haben. Aber das wissen die Böhmermänner des Landes natürlich nicht. Wo so viel Haltung herrscht, ist Ahnung nur hinderlich.

Aber immerhin, der Ausfall des TV-Krakeelers zeigt uns: So ernst kann die Lage gar nicht sein, wenn wir für so einen Murks noch Zeit haben. Und in Wahrheit ist sie das auch nicht. In einer führenden bürgerlichen Tageszeitung rückt uns eine der dortigen Edelfedern den Kopf zurecht und schreibt: „Vergleicht man Deutschland mit Staaten wie Afghanistan, Mali oder Sri Lanka, muss man ziemlich vernagelt sein, um zu dem Urteil zu kommen, das Staatsversagen klopfe beständig an unsere Tür.“

Na eben, verglichen mit Mali oder Afghanistan, also Drittweltländern am untersten Rang der weltweiten Wohlstandsskala, geht es uns doch blendend – Schluss mit dem Gemecker! Das gute Gefühl leidet allerdings ein wenig, wenn man diese Argumentation mal gegen den Strich bürstet und fragt: Das ist also neuerdings unser Maßstab für die Bewertung der Zustände in Deutschland? Gescheiterte Staaten, die von Bürgerkriegen zerrissen und von Fanatikern zerrüttet völlig am Boden liegen? Dann wird es noch ein weiter Weg nach unten sein, bis wir erkennen, dass mit der Entwicklung in Deutschland etwas nicht stimmt.

Sri Lanka als Dritter im Bunde der Messlatten für Deutschland ist übrigens eine interessante Wahl. Es teilt mit der Bundesrepublik eine herausragende globale Rolle, die des grünen „Vorreiters“ nämlich. Was wir auf dem Felde der Energiepolitik darstellen, das zeichnet den Inselstaat bei der Agrarpolitik aus. Denn so wie wir aus Kernkraft und fossilen Energien so schnell wie möglich aussteigen wollen (wollten?), hat die Regierung von Sri Lanka im April 2021 per Federstrich chemische Kunstdünger und Pestizide verboten. Erlaubt war nur noch Öko-Landbau.

Mittlerweile haben sich die Wege der beiden Vorreiter getrennt, denn während wir zumindest vorgeben, weiterhin auf Kurs zu sein, ist der Agrar-Vorreiter bereits mit Schwung in den Graben galoppiert und hat das Verbot aufgehoben. Zwischenzeitlich nahm der Präsident von Sri Lanka die Beine in die Hand und floh panisch außer Landes, ehe ihn ruinierte Bauern und hungernde Bürger beim Kragen packen konnten.

Bürgergeld als globaler Lockstoff

Davon lassen wir uns nicht beirren und richten den Blick weiter tapfer nach vorn. Das ist auch besser so. Denn wenn wir den Blick nach hinten richteten, würden wir erstaunt feststellen, dass uns überhaupt keiner hinterher trabt – womit wir in Wahrheit also gar kein „Vorreiter“ sind, denn den macht es ja aus, dass ihm die anderen folgen. Stattdessen blickt uns der Rest der Welt höhnisch bis ungläubig hinterher, wie wir einsam und allein in die kalte Dunkelheit wackeln.

Ach nein, was soll dieser Pessimismus! Wirtschaftsminister Habeck sieht bereits Licht und erfreut uns mit einer tollen Nachricht: Bei der Befüllung der Gasspeicher komme man viel schneller voran als erhofft, deshalb werde der Preis bald auch nicht mehr so hoch sein, weil man nicht mehr um jeden Preis kaufen müsse. Wie kam es zu dieser glücklichen Wendung? Die Industrie hat im Juli 20 Prozent weniger Gas verbraucht als im Vorjahresmonat.

Na, geht doch, das mit dem Gassparen! Da können wir doch ganz optimistisch in die Zukunft blicken, zumindest, wenn wir ein kleines Detail ausblenden: Die Industrie hat weniger Gas verbraucht, weil sie ihre Produktion teils massiv gedrosselt oder gar ganz eingestellt hat, da die Preise für Gas unbezahlbar wurden. 20 Milliarden Euro an Wertschöpfung sind allein in diesem Wirtschaftssektor dadurch verloren gegangen. Die deutsche Industrie spart demnach nicht nur Gas ein, sondern gleich auch noch sich selbst.

Irgendwie geht das alles nicht mehr auf. Die Ampelkoalitionäre merken das, und es treibt ihnen zunehmend den Schweiß auf die Stirn, weshalb sie bereits aufeinander losgehen wie Parteien, die des Zusammenregierens nach langen Jahren müde sind und kurz vor den nächsten Wahlen ihre Unterschiede herausstreichen wollen. Dabei sind die erst neun Monate beieinander. Ging ganz schön schnell mit dem Überdruss. Mal sehen, wie lange das gut geht. 

Nun heißt es für die Parteien vor allem „Profil zeigen“ und die eigenen „Kernthemen“ bedienen: So stellen sich die Grünen weiter wacker gegen die Atomkraft, und Minister Habeck piesackt die Kohlekrafterzeuger mit schikanösen Vorschriften. Resultat: Erst zwei Werke sind wieder ans Netz zurückgekehrt. Bravo! Und SPD-Minister Hubertus Heil legt sich für das „Bürgergeld“ ins Zeug, während die Wirtschaft in den Keller sackt und demzufolge die Steuereinnahmen bald abstürzen dürften. Egal, das „reiche Deutschland“ kann das alles wuppen, und als Sozialdemokrat muss man halt für „soziale Gerechtigkeit“ sorgen.

Geht es nach den Grünen, wird das neue Bürgergeld sogar abgelehnten Asylbewerbern ausgezahlt. Das wird zusätzlichen Auswanderungssog gerade bei jenen erzeugen, bei denen der Anteil künftiger Sozialfälle besonders hoch ist. Einen indischen Computerfachmann interessieren Hartz IV oder Bürgergeld genauso wenig wie einen brasilianischen Ingenieur. Ein Analphabet von wo auch immer wird die Nachricht von den neuen finanziellen Möglichkeiten in Germanien dagegen mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. 

Derweil warnt der Rechnungshof, dass bereits 90 Prozent des Staatshaushalts „eingefroren“ seien als feste Ausgabeposten, und dieser Anteil wachse immer weiter. Den größten „gefrorenen“ Posten stellten die Sozialausgaben. Der finanzielle Spielraum der Politik schrumpfe dramatisch zusammen. Nach dem Energiedesaster wartet also schon die nächste Wand auf unseren Aufprall.