Frankreich ist derzeit stärker für die hohen Strompreise in Deutschland verantwortlich als Russland. Dies liegt daran, dass lange Zeit knapp drei Viertel des von der Grande Nation benötigten Stroms aus den 18 französischen Kernkraftwerken mit ihren insgesamt 56 Reaktoren stammte, dieser Anteil allerdings während des laufenden Jahres gravierend geschrumpft ist. Bis Ende Juli gingen 26 der Atommeiler vom Netz. Damit stehen nun statt 63.000 nur noch 27.000 Megawatt Erzeugungskapazität zur Verfügung. 

Ursache hierfür sind gravierende strukturelle Mängel der französischen Kernenergieerzeugung. Zum einen gibt es Korrosionsprobleme an den vielen veralteten Reaktoren, die langwierige Wartungsarbeiten nötig machen, die während der Corona-Pandemie vernachlässigt wurden. Zum anderen kommt der Bau von neuen Anlagen wie dem Block 3 im Kernkraftwerk Flamanville nicht wie erhofft voran. Und dann waren auch noch hitzebedingte Abschaltungen nötig, da die Kühlwassertemperaturen oftmals die zulässigen Werte überstiegen.

Damit in Frankreich nicht schon im Sommer dieses Jahres die Lichter ausgingen, lieferte Deutschland erhebliche Mengen an Gas und Strom über die Grenze. Das trieb die Energiekosten in Deutschland weiter nach oben, während die französischen Verbraucher aufgrund staatlicher Preisdeckelungen deutlich weniger geschröpft wurden. 

Bis 2020 exportierte Frankreich zehn Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr nach Deutschland, und 2021 waren es immerhin noch fünf Milliarden. Dieses Verhältnis kehrte sich im laufenden Jahr um. Bis Ende Juli beliefen sich die deutschen Stromlieferungen nach Frankreich bereits auf 3,4 Milliarden Kilowattstunden. Und daran wird sich wohl auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass die Grande Nation ihren Strombedarf erst in zehn bis 20 Jahren wieder vollständig aus eigener Kraft decken kann.W.K.