30.04.2024

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Folge 36-22 vom 09. September 2022 / Besucherschwund / „Long-Covid“ an deutschen Bühnen / Der Deutsche Musikrat kritisiert, dass das neue Infektionsschutzgesetz „weit über das Ziel hinausschießt“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-22 vom 09. September 2022

Besucherschwund
„Long-Covid“ an deutschen Bühnen
Der Deutsche Musikrat kritisiert, dass das neue Infektionsschutzgesetz „weit über das Ziel hinausschießt“
Harald Tews

Wer denkt, nach dem Ende der Pandemie-Beschränkungen laufe im Kulturbetrieb alles wieder normal, sieht sich getäuscht. Theater, Konzerthäuser, Museen und Kinos beklagen einen rapiden Besucherschwund. War laut Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins für die von Corona stark betroffene Spielzeit 2020/21 die Zahl der Zuschauer gegenüber der letzten Corona-freien Saison 2018/19 um 86 Prozent zurückgegangen, so leiden die Bühnen aktuell unter einer Art Long-Covid. 

Inzwischen kämpfen die Kulturveranstalter mit einem Besucherverlust von 

20 Prozent. Mancherorts wird sogar nur vor halbleeren Sälen gespielt. Vor allem das ältere, zahlungskräftige Stammpublikum wagt sich noch nicht in Veranstaltungen mit größerem Zulauf. So sind der Oper in Frankfurt am Main 5000 von 12.000 Abonnenten abgesprungen. An anderen Orten sieht es ähnlich düster aus.

Beim jüngst verkündeten Entlastungspaket der Bundesregierung bleibt die Kultur außen vor. Und das neue Infektionsschutzgesetz für den Herbst und Winter, über das am Donnerstag im Bundesparlament abgestimmt wurde, ist für die Kultur ein weiterer Klotz am Bein. Dieses enthält Regelungen zu einer bundesweiten Maskenpflicht und delegiert an die Länder ein hohes Maß an Eigenverantwortung bei der Umsetzung weiterer Maßnahmen auch im Kulturleben.

So kritisiert Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, dass der Änderungsentwurf weit über das Ziel hinausschieße, weil er in unverhältnismäßiger Weise dezentrale Einschränkungen ermögliche, die weder die wissenschaftliche Erkenntnislage, die medizinischen Fortschritte, den Grad der bereits erreichten Durchseuchung noch die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben angemessen berücksichtige. „Die Pandemie“, so Höppner, „kennt aber keine Grenzen, wie der Blick in die europäischen Nachbarländer zeigt, die die pandemische Vorsorge weit weniger restriktiv anlegen.“

So sei das Kulturleben wie der Sport in den letzten zweieinhalb Jahren personell wie strukturell stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Diese nachhaltige Schwächung, zusätzlich belastet durch hohe Energiekosten, Inflation und Zuschauerschwund, bedürfe der Ermöglichung kultureller Begegnungen. „Der jetzt vorhersehbare föderale Flickenteppich Pandemie-bedingter Restriktionen würde die Planung sowohl von Tourneen als auch von vielen Veranstaltungen verhindern“, sagt Höppner voraus.

Mit Blick auf den Herbst und damit auf die absehbare Verschärfung von Corona-Maßnahmen und einer Zuspitzung der Energiekrise fordern der Deutsche Musikrat, zehn Landesmusikräte und der Bundesmusikverband Chor & Orchester die Politik zum Handeln auf. Ein Fünf-Punkte-Plan stellt jetzt Maßnahmen vor, um die Kultur gut durch den Winter zu bringen und dabei auch das Musikleben in seiner ganzen Vielfalt aufrechtzuerhalten.

Dieser Plan enthält Forderungen wie die Wiedereinführung kostenloser Corona-Tests für den Kulturbereich sowie die Aufhebung der Maskenpflicht für Musiker bei Kultur- und Musikveranstaltungen. Damit solle der Eigenverantwortlichkeit der Künstler Rechnung getragen werden. Außerdem sollen Schulen, Vereine und Kommunen öffentliche Räume für Musikproben zur Verfügung stellen. Geeignete „Kulturorte“ zu nutzen, sei eine Grundlage dafür, den Menschen weiterhin Zugang zum Musikleben zu garantieren.

Ferner fordert der Musikrat einheitliche Corona-Verordnungen in allen Städten und Gemeinden, über die sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund abstimmt. Damit werde die Planungssicherheit sowohl für die Organisation von Tourneen als auch die von Veranstaltungen vor Ort gewährleistet. Und schließlich wird ein anteiliger Energiekostenzuschuss – die Rede ist von 80 Prozent der zusätzlichen Energiekosten – für Musikveranstalter und Musikvereine verlangt, damit das öffentliche Musikleben trotz der im Herbst und Winter zu erwartenden, drastischen Anstiege der Energiekosten wirtschaftlich gesichert bleibt. 

Manche dieser Forderungen werden Wunschdenken bleiben, aber wenn nicht ein Teil davon erfüllt wird, dann wird in vielen Bühnen womöglich bald dauerhaft das Licht ausgehen.