30.04.2024

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Folge 36-22 vom 09. September 2022 / Zweiter Weltkrieg / Wie es zu Karl Dönitz’ Laconia-Befehl kam / Vor 80 Jahren griffen US-Bomber U-Boote der Achsenmächte an, während diese versuchten, alliierte und italienische Schiffbrüchige zu retten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-22 vom 09. September 2022

Zweiter Weltkrieg
Wie es zu Karl Dönitz’ Laconia-Befehl kam
Vor 80 Jahren griffen US-Bomber U-Boote der Achsenmächte an, während diese versuchten, alliierte und italienische Schiffbrüchige zu retten
Wolfgang Kaufmann

Um den alliierten Schiffsverkehr vor Kapstadt zu stören, entsandte der Befehlshaber der Unterseeboote (BdU), Admiral Karl Dönitz, im August 1942 vier große U-Boote in den Südatlantik. Darunter befand sich U 156 unter dem Kommando von Korvettenkapitän Werner Hartenstein. Während des Anmarsches torpedierte das U-Boot am späten Abend des 12. September 1942 den britischen Truppentransporter „Laconia“. Zu diesem Zeitpunkt wusste Hartenstein noch nicht, dass der mit acht Geschützen und Wasserbombenwerfern bewaffnete Dampfer auch um die 80 britische Zivilisten sowie etwa 1800 italienische Kriegsgefangene an Bord hatte. Das erkannte er erst nach dem Auftauchen an der Untergangsstelle 360 Seemeilen nordöstlich der Insel Ascension.

Angesichts der zahlreichen Frauen und Kinder sowie Militärangehörigen eines verbündeten Staates, die im Wasser um ihr Leben kämpften, traf Hartenstein die Entscheidung, so viele von diesen wie möglich an Bord seines Bootes zu holen. Anschließend informierte er den BdU, der das Handeln des Kommandanten billigte sowie U 506, U 507 und das italienische U-Boot „Cappellini“ zu Hilfe schickte, wohl wissend, dass zu Rettungseinsätzen aufgetauchte U-Boote ein leichtes Ziel darstellen. Außerdem informierte Dönitz die deutsche Regierung, auf deren Ersuchen hin die Kriegsschiffe des Französischen Staates „Gloire“, „Dumont d’Urville“ und „Annamite“ aus ihren westafrikanischen Stützpunkten ausliefen, um die Schiffbrüchigen an Land zu bringen.

Am Morgen des 13. September setzte Hartenstein zusätzlich noch einen unverschlüsselten Funkspruch auf der internationalen Notrufwelle ab, in dem er seine Position mitteilte und zusicherte, keine etwaigen Rettungsschiffe des Gegners anzugreifen. Anschließend hisste U 156 eine vier Quadratmeter große Rot-Kreuz-Flagge.

Zu Kriegsbeginn erteilte Nimitz einen vergleichbaren Befehl

Zwei Tage später trafen die drei anderen U-Boote vor Ort ein und nahmen die Rettungsboote der „Laconia“ in Schlepp oder fischten weitere Menschen aus dem Ozean. Während des Wartens auf die französischen Einheiten überflog am 16. und 17. September ein viermotoriger US-amerikanischer Bomber vom Typ Consolidated B-24 „Liberator“ unter dem Kommando von Lieutenant James Harden wiederholt die Untergangsstelle und warf mehrere Bomben ab, die einige der Rettungsboote beschädigten und deren Insassen töteten. Dennoch gelang es letztlich, 425 italienische Kriegsgefangene sowie 668 alliierte Schiffbrüchige zu retten. Allerdings gab es beim Untergang des Truppentransporters und infolge der rücksichtslosen US-Luftangriffe in der Zeit danach auch 1658 Tote.

Als Konsequenz aus dem Vorfall erließ Dönitz am 17. September 1942 den sogenannten Laconia-Befehl, in dem es hieß: „Jegliche Rettungsversuche von Angehörigen versenkter Schiffe … haben zu unterbleiben.“ Darin sah der britische Ankläger im Nürnberger Prozess, David Maxwell Fyfe, eine verklausulierte Anweisung zur Tötung der gegnerischen Besatzungen. Dönitz’ Verteidiger Otto Kranzbühler rief daraufhin den Oberkommandierenden der US-Pazifikflotte, Chester W. Nimitz, in den Zeugenstand, in dem der Fleet Admiral aussagte, dass er den U-Booten der Vereinigten Staaten zu Kriegsbeginn genau den gleichen Befehl gegeben habe. 

Das rettete Dönitz vor dem Strang, war aber nur die halbe Wahrheit. Vielmehr deckten beziehungsweise dekorierten die Briten und Amerikaner ihre U-Boot-Fahrer sogar, wenn sie Schiffbrüchige ermordeten.

Zu den alliierten Kriegsverbrechern zur See zählte Commander Dudley W. Morton von der United States Navy, zweiter und letzter Kommandant des U-Bootes „Wahoo“ (SS-238). Das versenkte unter seinem Kommando am 26. Januar 1943 bei einer Aufklärungsmission vor Papua-Neuguinea die japanischen Truppentransporter „Buyo Maru“ und „Fukuei Maru No. 2“. Anschließend ließ Morton auftauchen und die Überlebenden in den Rettungsbooten eine Stunde lang beschießen. Dabei starben rund 100 Menschen, darunter viele indische Soldaten des 16. Punjab-Regiments, die bei Singapur in japanische Kriegsgefangenschaft geraten waren. Morton, der den Vorgang ganz ungeniert im Logbuch seines Bootes dokumentiert hatte, wurde nach dem Einlaufen in Pearl Harbor zum Helden hochgejubelt und mit dem Navy Cross, der höchsten Auszeichnung, die vom Department of the Navy vergeben wird, ausgezeichnet.

Anglo-amerikanische U-Boot-Fahrer ermordeten sogar Schiffbrüchige

Ein Mann ähnlichen Kalibers war Lieutenant Commander Charles W. Wilkins. Dessen U-Boot „Narwhal“ (SS-167) operierte im Sommer 1942 vor den Kurilen. Dabei versenkte es am 24. Juli das japanische Vorpostenboot „Shinsei Maru No. 83“ sowie die beiden Inselversorger „Kofuji Maru“ und „Nissho Maru“. Wie aus späteren glaubwürdigen Aussagen von Seeleuten der kaiserlichen Marine hervorgeht, feuerte die Besatzung des US-amerikanischen U-Bootes mit Maschinengewehren auf die im Wasser schwimmenden Schiffbrüchigen der „Nissho Maru“, was zu einer unbekannten Anzahl von Toten führte. Wilkins erhielt danach ebenfalls das Navy Cross.

Die Kommandanten der britischen 

U-Boote verstießen vor allem im Mittelmeer gegen das Seekriegsrecht. Der erste bekannt gewordene Fall ereignete sich am 12. Mai 1941 in der nördlichen Ägäis zwischen Limnos und Kavala. An diesem Tag wurde der griechische Motorsegler „Osia Paraskevi“ mit vier deutschen Soldaten und sieben griechischen Besatzungsmitgliedern an Bord von dem Minenleger-

U-Boot „Rorqual“ versenkt. Im Anschluss daran gab dessen Kommandant Lieutenant Commander Ronald H. Dewhurst den Befehl, die im Wasser treibenden Deutschen zu erschießen.

Ähnliches passierte am 9. Juli 1941. Nachdem das britische U-Boot „Torbay“ unter Lieutenant Commander Anthony C. Miers nördlich von Andikythira die Motorsegler „L V“, „L VI“ und „L XII“ attackiert hatte, ließ der Kommandant des Bootes sieben überlebende deutsche Gebirgsjäger töten. Gegen den entsprechenden Befehl gab es anfangs Widerstand in den Reihen der eigenen Besatzung, bis Miers einem seiner Matrosen mit der Erschießung drohte. Auch dieser alliierte Offizier musste sich nie vor Gericht verantworten. Stattdessen erhielt er 1942 das Victoria Cross, die höchste britische Auszeichnung für Tapferkeit vor dem Feind, und avancierte dann im Januar 1956 zum Rear Admiral.