30.04.2024

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Folge 36-22 vom 09. September 2022 / Musik / Ein Orgel- und Gesangserlebnis / Erfolgreiche „Internationale Musiktage in Warpuhnen“ absolviert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-22 vom 09. September 2022

Musik
Ein Orgel- und Gesangserlebnis
Erfolgreiche „Internationale Musiktage in Warpuhnen“ absolviert
Kerstin Harms

Zu den viertägigen „Internationalen Musiktagen in Warpuhnen“ im vergangenen Monat kamen über 600 Gäste in die einst totgesagte evangelische Kirche nach Warpuhnen in Masuren, die in diesem Jahr ihr 140-jähriges Bestehen feiert. Aus der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden reisten Warpuhner an und Gäste, die einen persönlichen Bezug zu der Kirche haben, weil sie selbst dort getauft, konfirmiert oder die Eltern oder Großeltern dort getraut wurden.

Vor zehn Jahren wurde die Kirche vom Verein Freunde Masurens e.V. vor dem Verfall gerettet. Durch Fördermittel vom Bundesamt für Kultur und Medien in Bonn, dem Gustav-Adolf-Werk und dem Martin-Luther-Bund konnte 2019 der Kirchturm komplett saniert werden. Im letzten Jahr wurden alle fünf Türen und die drei wertvollen bunten Glasfenster über dem Altar restauriert. Durch private Spendengelder in Höhe von 35.000 Euro wurde die durch Feuer und Löschwasser ziemlich stark beschädigte Terletzki-Orgel 2010 repariert. In diesem Jahr soll auch noch das gesamte Dach erneuert werden. 

Verein rettet Kirche

In Zusammenarbeit mit dem Verein Freunde Masurens und dem Kulturreferat am Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg begannen die Musiktage pünktlich mit einem interessanten und vielfältigen Rahmenprogramm. Pastor Fryderyk Tegler, der ebenfalls in dieser Kirche getauft, konfirmiert und getraut wurde, begrüßte die vielen Gäste aus dem In- und Ausland und wünschte allen Freude an den Veranstaltungen der nächsten Tage. Auch die Sensburger Landrätin, Barbara Kuźmicka-Rogala, war unter den Gästen.

Mit einer Power-Point-Präsentation zeigte die Vorsitzende des Vereins Freunde Masurens Bilder vom Zustand der Kirche, wie diese sie vor über zehn Jahren vorgefunden hatte. Hohe Laubberge und Unrat sowie eingeschlagene Fenster und kaputte Türen hielten sie nicht davon ab, auch das Schöne und Erhaltene der über 100 Jahre alten Kirche zu sehen, wie den Altar mit dem Bild von dem Auferstandenen mit Maria Magdalena und die drei bunten Glasfenster darüber.

Als die drei Originalglocken, die einst in dieser Kirche zu vielen Anlässen geläutet hatten und jetzt in der evangelischen Kirche im schlesischen Zeislowitz [Cisownica] dienen, vom Band ertönten, liefen bei vielen Tränen der Wehmut. 

Susanne Borrek, Mitglied des Vereins Freunde Masurens, nimmt seit drei Jahren auf Wunsch des Vereins Orgelunterricht und weihte die im Jahr 2020 restaurierte Orgel zum zehnjährigen Vereinsjubiläum in dieser Kirche ein. Zu den Musiktagen gab sie ein sehr vielfältiges wunderschönes Konzert mit Orgelstücken von Johann Pachelbel, Dietrich Buxtehude, Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Gustav Adolf Merkel, Max Reger und William Lloyd Webber. 

Der polnische Chor Schola Vocale und die M.A.Z.I-Band unter der Leitung von Cezary Nowakowski aus Sensburg, der bereits schon mehrere Konzerte in der Kirche mit der hervorragenden Akustik gegeben hat, band auch das Publikum bei einigen Liedern mit ein und begeisterte mit seinem Können und Temperament.

Alfred Siwik stellte auf Staffeleien alte Fotos aus dem Kirchspiel Warpuhnen in der Kirche aus, die die Teilnehmer zu mancher Erinnerung führten.

Am zweiten Tag trat der Sänger BernStein (Bernd Krutzinna) auf und nahm mit seinen selbstkomponierten Liedern und den dazu passenden Bildern die Menschen in der Kirche mit in das alte und das gegenwärtige Masuren. Die Stimme von Krutzinna mit Liedern über die Heimat, wie zum Beispiel „Fahr einmal nach Masuren“, „Ännchen von Tharau“ oder „Nach der Heimat zieht’s mich wieder“ begeisterte die Zuhörer, und auch die polnischen Gäste waren von seiner Musik sehr angetan.

Nach einer kurzen Pause gab es einen interessanten Vortrag von dem Historiker Ralf Meindl zum Thema „Die Geschichte von Ermland und Masuren am Beispiel von Olsztyn/Allenstein“. Sein Vortrag wurde illustriert mit altem Bildmaterial und Statistiken über die Vergangenheit und Gegenwart von Ostpreußen. Bei dem anschließenden Sektempfang vor der Kirche entwickelten sich viele Gespräche, man traf auf alte Bekannte, und neue Freundschaften wurden geschlossen.

Am dritten Tag wurden die Musiktage durch Hans-André Stamm, Leverkusen, und Karen Sokoll, Potsdam, deren Großeltern in dieser Kirche getraut worden sind, mit Orgel und Gesang fortgesetzt aus Werken von Jean Adam Guilain, Samuel Scheidt, Johann Pachelbel, Alessandro Scarlatti, Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Wolfgang Amadeus Mozart sowie auch aus Stamms eigenen Kompositionen. Die Kirchenbesucher, darunter die Familie von Karen Sokoll aus der Schweiz und ihr Vater, Günther Sokoll, waren von dem Konzert sehr angetan.

Die Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Danzig, Cornelia Pieper, begrüßte als Schirmherrin der „Internationalen Musiktage in Warpuhnen“ die Gäste sehr herzlich und freute sich über die vielen Besucher, die zu dieser Veranstaltung gekommen sind. Sie dankte den Organisatoren, dem Verein Freunde Masurens sowie Agata Kern vom Kulturreferat am Ostpreußischen Landesmuseum für das interessante und vielfältige Programm mit Musik und Vorträgen.

Danach zeigte der Orgelbaumeister Andrzej Kowalewski, der die Orgel im Jahre 2020 restauriert hat, Bilder von seiner monatelangen Arbeit. Er hat das ganze Instrument in seine Einzelteile zerlegt, restauriert und Teile nachkonstruiert, die nicht mehr zu reparieren waren. Die Orgel war vor einigen Jahren Opfer eines Brandanschlags durch Jugendliche geworden. Die Brand- und Wasserschäden an dem Holz waren immens, sodass es an ein Wunder grenzt, dass diese Schäden wieder behoben werden konnten und die Orgel so wundervoll in der Kirche erklingt.

Cornelia Pieper als Schirmherrin

Zum Mittag gab es im Dorfgemeinschaftshaus gegenüber der Kirche Erbsensuppe und den landestypischen Borschtsch. Beim geselligen Beisammensein ergaben sich viele interessante Gespräche. Für die Fortführung des Musikprogramms sorgte anschließend der Chor des Sozialkulturellen Vereins aus Lötzen mit seinen fröhlichen deutschen und polnischen Liedern. Wieder in der Kirche ging es weiter mit dem berührenden Orgelspiel von Ruslan Kozynko.

Jugendliche verursachten Brand

Nach einer Kaffeepause im Dorfgemeinschaftshaus mit selbstgebackenem Kuchen von den Landfrauen aus dem Dorf stellte Ania Baziuk, eine aus der Ukraine geflüchtete junge Künstlerin, dort einige ihrer Werke aus, die von einigen Gästen auch käuflich erworben wurden.

Das große Abschlusskonzert der Musiktage gestalteten Neithard Bethke und Anja Uhlemann. Professor Bethke ist Kirchenmusikdirektor, Organist, Komponist, Cembalist, Dirigent und war zuletzt Domorganist und Kapellmeister am Ratzeburger Dom. Zurzeit leitet er den Akademischen Chor in Zittau/Görlitz, in dem auch Anja Uhlemann als Altistin singt.

Bethke, dem die Orgel in Warpuhnen aus früheren Konzerten bekannt war, spielte Werke von Vincent Lübeck, Guiseppe Torelli, Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn und Alessandro Stradella sowie eigene Kompositionen. Anja Uhlemann füllte die Kirche mit ihrer schönen Altstimme und begeisterte das dankbare Publikum. Es war ein gelungener Abschluss der Musiktage, die mit dem Lied „Guten Abend, gute Nacht“ nach Orgelklängen von Bethke endeten.

Mit dem festlichen ökumenischen Dankgottesdienst am vierten Tag endeten die „Internationalen Musiktage in Warpuhnen“. In die mit vielen Gottesdienstbesuchern aus Nah und Fern voll besetze Kirche war auch der Landesbischof Jerzy Samiec aus Warschau gekommen. Die Predigt hielt Bischof Paweł Hause in polnischer und deutscher Sprache und durch die Liturgie führten die Pastoren Fryderyk Tegler und Krzysztof Mutschmann. Die Kollekte für die Renovierung des Kirchendaches erbrachte 823 Euro. Als Ausklang der Musiktage waren das Orgelspiel von Matthias Böhlert aus Salzwedel und der Gesang von BernStein in den Gottesdienst integriert.





Zur rechtlichen Situation

Die evangelische Kirche in Warpuhnen wurde am 25. März 2022 notariell mit Genehmigung des Konsistoriums in Warschau an die „Fundacja na rzecz rozwoju turystyki aktiwnej“ (Stiftung für die Entwicklung des Aktivtourismus) unter dem Vorsitz von Alfred Siwik aus Sensburg verkauft, mit der Auflage der Evangelisch Augsburgischen Kirche in Warschau, diese Kirche ausschließlich für religiöse, kulturelle, pädagogische und soziale Zwecke zu nutzen. Somit bleibt der sakrale Charakter erhalten und es besteht die Möglichkeit, dort weiterhin Taufen, Trauungen und andere kirchliche Handlungen zu vollziehen und Gottesdienste zu feiern.