30.04.2024

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Folge 36-22 vom 09. September 2022 / Ostdeutsches Lied / 60 Jahre Patenschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-22 vom 09. September 2022

Ostdeutsches Lied
60 Jahre Patenschaft

Es ist die einzige Sachpatenschaft für ein ostdeutsches Kulturgut in Deutschland: die „Patenschaft für das Ostdeutsche Lied“ der Stadt Wetzlar. Die Institution kümmert sich seit 60 Jahren darum, das Liedgut der einst deutschen Siedlungsgebiete im Osten vor dem Vergessen zu bewahren. Gefeiert wird das Jubiläum mit einem Liederabend am 11. September, 17 Uhr, in der Wetzlarer Stadthalle.

Drei Zimmer im Alten Wetzlarer Rathaus in der Altstadt direkt neben dem Standesamt bilden das Domizil der Patenschaftsstelle für das Ostdeutsche Lied. Hier sind die rund 2000 Liederbücher der Sammlung, dazu 300 Fachbücher und 2000 Liederblätter untergebracht. Geleitet wird die Einrichtung von Gerhard König. Der 82-Jährige leistet die Arbeit seit 2003 ehrenamtlich und wird unterstützt durch Petra Hannig, die als Mitarbeiterin im Historischen Archiv der Stadt Wetzlar stundenweise auch für die Patenschaftsarbeit tätig ist.

Den Anstoß zur Gründung gab der aus dem Sudetenland heimatvetriebene Musikpädagoge und Volkskundler Edgar Hobinka (1905–1989). Der spätere Ehrenbürger Wetzlars hatte bereits 1957 die Wetzlarer Musikschule mitbegründet und gehörte auch der Stadtverordnetenversammlung an, die 1962 den Beschluss zur Gründung der Patenschaft fasste.

Ziel war es, eine zentrale Sammel- und Auskunftsstelle für das ostdeutsche Liedgut einzurichten, die als Ansprechpartner für Chöre und Musiker zur Verfügung steht und beispielsweise Notenblätter zur Verfügung stellt. Auch Anfragen aller Art sollten beantwortet werden. Ein großer Teil davon stammt von Chören oder aus den Reihen der Vertriebenenverbände, die auf der Suche nach bestimmten Liedern oder Liederbüchern sind. Viele Anfragen machen deutlich, dass es nicht nur um eine Melodie geht, sondern auch darum, das Trauma einer schweren Zeit aufzuarbeiten. So schickte eine ehemalige Gefangene in sibirischen Arbeitslagern aus Schwerin Lieder zu, die in diesen Lagern entstanden sind. Daraus ergab sich ein längerer Schriftwechsel mit dem Austausch von Erlebnissen und Erfahrungen.

Auch von Bürgern aus den Republiken Polen und Tschechien werden Anfragen nach Liedern gestellt, die von Wetzlar aus beantwortet werden können. Wer ein bestimmtes Lied sucht und nur den Textanfang kennt, hat die Möglichkeit, die Liedsuchdatei der Patenschaftsstelle zu nutzen. Sie verfügt mittlerweile über 66.000 Titeleinträge und dürfte kaum eine Liedanfrage offenlassen.

Auch gibt es erste Bestrebungen, die alten ostdeutschen Lieder neu zu bearbeiten. So haben sich zwei Musikgruppen gemeldet, um die Lieder als „Jazzversion“ zu vertonen und damit neue Zielgruppen zu erschließen.

Um das ostdeutsche Liedgut zu pflegen und zu verbreiten, hat die Patenschaftsstelle eigene Liederbücher herausgegeben und veranstaltet alljährlich einen Liederabend. 2013 wurde die Patenschaft vom Land Hessen mit dem Preis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ geehrt.PM