27.04.2024

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Folge 37-22 vom 16. September 2022 / Proteste / „Heißer Herbst“ spaltet die Linkspartei / Demonstrationen in Berlin und Leipzig: Streit um Russland-Sanktionen eskaliert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-22 vom 16. September 2022

Proteste
„Heißer Herbst“ spaltet die Linkspartei
Demonstrationen in Berlin und Leipzig: Streit um Russland-Sanktionen eskaliert
Norman Hanert

Unter dem Motto „Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein!“ hatte  Sören Pellmann, der Ostbeauftragte der Linkspartei-Fraktion im Bundestag, zu einer Kundgebung am 5. September in Leipzig aufgerufen. Dem Aufruf folgten nach Polizeiangaben mehrere tausend Menschen. Nach den Vorstellungen Pellmanns soll die Montagsdemonstration nur der Auftakt zu einem „heißen Herbst“ der Proteste gegen die Politik der Ampelkoalition sein.

Co-Parteichef Martin Schirdewan verteidigte ausdrücklich den Protestaufruf seiner Partei gegen die Gasumlage. In den ARD-„Tagesthemen“ wies er Bedenken zurück, die Proteste könnten die Gesellschaft spalten: „Diejenigen, die die Gesellschaft spalten, sind die in der Bundesregierung vertretenen Parteien, indem sie eine unsoziale Politik umsetzen, die vor allem zulasten der Bevölkerungsmehrheit geht.“ 

Gezerre um Wagenknecht 

Innerhalb der Linkspartei ist der vom Leipziger Pellmann geplante „heiße Herbst“ allerdings nicht unumstritten. So mahnt klingt Bodo Ramelow, der Ministerpräsident von Thüringen mit Parteibuch der Linken. Er mahnte gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ seine Genossen bei den sozialen Protesten: „Bitte aber die Abstandsregel zu rechtsradikalen Organisatoren beachten.“ Auch zur Terminwahl der Leipziger Genossen hatte Ramelow etwas anzumerken: „Die Rechten wurden zu Recht kritisiert, als sie sich der Symbolik der Montagsdemonstrationen bemächtigt haben.“ 

Auch ein möglicher Auftritt von Sarah Wagenknecht als Rednerin bei dem Montagsprotest hatte für Irritationen gesorgt. Pellmann hatte Wagenknecht zunächst für einen Auftritt angefragt, später sagte er ihr laut einem Bericht des MDR dann aber wieder ab. Gegenüber dem Sender begründete Pellmann die Absage mit organisatorischen Schwierigkeiten.

Ob dies der tatsächliche Grund für den Nichtauftritt Wagenknechts war, bleibt dahingestellt. Tatsache ist: Teile der Linkspartei haben mit den Positionen der prominenten Genossin ihre Probleme. Dies gilt insbesondere für den Standpunkt Wagenknechts zu den Russland-Sanktionen. Nach dem Willen eines Teils ihrer Fraktion hätte Wagenknecht am 7. September bei der Generaldebatte im Bundestag nicht ans Rednerpult treten sollen. Und tatsächlich trat ein, was Teile der Fraktion befürchtet hatten und verhindern wollten. Wagenknecht warf der Bundesregierung vor, einen Wirtschaftskrieg gegen Russland, „unseren wichtigsten Energielieferanten“, vom Zaun gebrochen zu haben. Zudem forderte sie, die EU-Sanktionen gegen Russland aufzuheben, damit Deutschland weiterhin günstige Brenn- und Rohstoffe beziehen könne.

Abgeordnete der AfD applaudierten mit einem Teil der Linksfraktion, andere Genossen der Fraktion reagierte sichtlich verärgert. Am Folgetag äußerten sich Janine Wissler und Martin Schirdewan, die beiden Parteivorsitzenden, zu Wagenknecht: „Sahra Wagenknecht zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen zu lassen, obwohl sie nicht Mitglied eines Ausschusses ist, war eine Entscheidung des Fraktionsvorstandes, nicht der Parteivorsitzenden.“ Gegenüber dem „Neuen Deutschland“ erklärten die Parteichefs, Wagenknechts Rede hätte in Teilen nicht den beschlossenen Positionen der Partei entsprochen. Ein solcher Vorgang sei zu vermeiden gewesen und dürfe sich nicht wiederholen. Ramelow zeigte sich mehr als irritiert: „Dass Frau Wagenknecht ihre Privatmeinung, die nicht den Parteitagsbeschlüssen entspricht, für die Fraktion im Parlament darbieten kann, halte ich für verstörend.“

Wächst Distanz zur eigenen Basis?

Drei Landespolitiker, darunter die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss, forderten sogar den Ausschluss Wagenknechts aus der Bundestagsfraktion und den Rücktritt der beiden Fraktionschefs Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali. Der frühere Parteichef Klaus Ernst verteidigte dagegen Wagenknecht. Diese habe die Zustimmung vieler Bürger „und selbstverständlich auch innerhalb der Fraktion“. 

Ein tief gespaltenes linkes Lager hat sich auch am 5. September bei einer Demonstration in Berlin unter dem Motto „Genug ist genug – protestieren statt frieren“ gezeigt. Zu der Protestaktion vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen hatten linke Gruppierungen und Parteimitglieder der Linkspartei aufgerufen. Auf der Demonstration in Berlin-Mitte sprach sich Ferat Koçak, der für die Linkspartei im Abgeordnetenhaus sitzt, in einer Rede für Antifaschismus und mehr „Klimagerechtigkeit“ aus. Bei den Demonstrationsteilnehmern waren dann allerdings durchaus auch Schilder mit Aufschriften wie „Nordstream 2“ oder Plakate gegen Waffenlieferungen an die Ukraine zu sehen.