26.04.2024

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Folge 37-22 vom 16. September 2022 / Energieversorgung / Handwerk fordert „langfristige Lösungen“ / Nach dem TV-Auftritt des Bundeswirtschaftsministers steigt im Mittelstand die Sorge vor drohender Insolvenz wegen fehlender bezahlbarer Energie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-22 vom 16. September 2022

Energieversorgung
Handwerk fordert „langfristige Lösungen“
Nach dem TV-Auftritt des Bundeswirtschaftsministers steigt im Mittelstand die Sorge vor drohender Insolvenz wegen fehlender bezahlbarer Energie
Norman Hanert

Robert Habeck, Wirtschaftsminister der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, hat mit seinen Äußerungen in der Sendung von Sandra Maischberger bei Mittelständlern und insbesondere auch im deutschen Handwerk scharfe Reaktionen ausgelöst. Auf Maischbergers Frage nach einer drohenden Insolvenzwelle infolge der hohen Energiepreise hatte der Grünen-Politiker von einer Möglichkeit gesprochen, die aus seiner Sicht keine klassische Insolvenz darstellen würde. Als Beispiel führte Habeck an, dass Bäcker, die aufgrund der hohen Energiepreise keine Brötchen mehr verkaufen könnten, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten zunächst einstellen könnten. Wenn die Zeiten wieder besser sind, könnten sie die Tätigkeit dann wieder aufnehmen.

„Ein Stück weit fassungslos“

Gerade in der von Habeck als Beispiel angeführten Bäckerinnung fielen die Reaktionen harsch aus. Johannes Kamm, der Geschäftsführer des Bäcker- und Konditoren-Landesverbandes Berlin-Brandenburg, kommentierte, der Auftritt des Wirtschaftsministers lasse ihn „ein Stück weit fassungslos zurück“. Wie Kamm erklärte, backen sieben von zehn Bäckereien mit Gas, dessen Preis sich teils verachtfacht habe: „Das ist nicht stemmbar.“ Zudem hätten die Bäcker nicht nur mit den steigenden Energiekosten zu kämpfen: „Die Rohstoffpreise haben sich verdoppelt, die Personalkosten steigen.“ Mit Blick auf Habecks Aussagen sagte der Chef des Innungsverbandes: „Wenn man dann eine solche Aussage hört, bleiben einem die Worte weg.“ 

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies inzwischen auf eine weitere Entwicklung hin. „Bei uns laufen die Telefone heiß von Betrieben, die gar keine Versorgungsverträge mehr kriegen, also die keine Energie mehr bekommen ab Januar“, so der DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben im Deutschlandfunk. Dementsprechend ist mittlerweile die Stimmung in vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die wegen der hohen Energiepreise immer öfter vor der Existenzfrage stehen.

Das Mitte Juli von der Bundesregierung aufgelegte Energiekostendämpfungsprogramm richtete sich bislang nur an Unternehmen, die aus einer als energieintensiv eingestuften Branche stammen und die im internationalen Wettbewerb stehen. Diese Firmen können Zuschüsse zu ihren gestiegenen Energiekosten beantragen. Außenvor bleiben damit allerdings das Handwerk und ein Großteil der Firmen, die für den deutschen Mittelstand stehen. Gut ausgebildete Handwerker und ein breiter Mittelstand zählten bislang zu den besonderen Stärken des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Angesichts der existenzbedrohenden Entwicklung dringen die Präsidenten der Handwerkskammern in den östlichen Bundesländern darauf, die Betriebe zu schützen. Konkret fordern die Vertreter von 14 Handwerkskammern in einer gemeinsamen Resolution, Kohle- und Kernkraftwerke so lange laufen zu lassen, bis die Energiesicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen garantiert werden kann. Stefan Lobenstein, Präsident der Handwerkskammer Erfurt sagte: „Uns erreichen täglich Notrufe. Immer mehr Handwerksbetriebe brechen unter der Last der aktuellen Energiepreise zusammen.“ Besonders betroffen sind nach Angaben von Lobenstein Lebensmittelhandwerke, Textilreinigungen, Brauereien, Galvaniseure und Kfz-Werkstätten. Die bisherigen Instrumente zur Hilfe sind aus Sicht des Handwerks „einzig und allein von kurzfristigem Aktionismus gezeichnet“.

„Einem bleiben die Worte weg“

„Was unsere Betriebe jetzt sofort brauchen, sind langfristige Lösungen“, erklärt der Präsident der Handwerkskammer Erfurt. Bei einem Treffen in der thüringischen Landeshauptstadt verabschiedeten die Präsidenten der Handwerkskammern der fünf mitteldeutschen Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Resolution, die an die Bundes- und die Länderpolitik gerichtet ist. Eine Kernforderung des Handwerks ist, dass jetzt allein die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und des Handwerks im Fokus aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen stehen muss.

Der Bundeswirtschaftsminister kündigte im Bundestag inzwischen an, das Mitte Juli aufgelegte Energiekostendämpfungsprogramm solle für einen größeren Kreis von Unternehmen geöffnet werden: „Wir werden einen breiten Rettungsschirm aufspannen“, so Habeck. Allein schon das dritte, bereits beschlossene Entlastungspaket wird den Bundeshaushalt allerdings mit 65 Milliarden Euro belasten. Angesichts solcher Dimensionen ist klar, dass die Politik der Entlastungspakete keine Dauereinrichtung sein kann. Sie löst zudem auch nicht das Grundproblem von Privathaushalten und Unternehmen, das Fehlen preiswerter Energie.