29.03.2024

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Folge 37-22 vom 16. September 2022 / Analyse / „Feind im Innern“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-22 vom 16. September 2022

Analyse
„Feind im Innern“
Norman Hanert

Unter dem Motto „Die Tschechische Republik zuerst“ haben am 3. September in Prag laut einer Polizeischätzung annähernd 70.000 Menschen gegen die Regierungspolitik demonstriert. Zum Protest aufgerufen hatten zunächst ein Pizzeria-Unternehmer und ein Dramaturg. Regierungskritische Organisationen, Bürgerinitiativen und auch außerparlamentarische Oppositionsparteien von Links bis Rechts schlossen sich schnell an.

Unter Hinweis auf die Schäden und Belastungen für die tschechische Bevölkerung forderte das politisch so unterschiedlich zusammengesetzte Protestbündnis ein Ende der Sanktionspolitik und Verhandlungen zur Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen. Mit auf dem Programm stand auch der Ruf nach militärischer Neutralität des Landes. Als Reaktion auf den Massenprotest in der Mitte der Hauptstadt warf Tschechiens Regierungschef Petr Fiala den Demonstranten quasi vor, Nestbeschmutzer und Fünfte Kolonne Moskaus zu sein. Laut Fiala haben die Demonstranten nämlich den Interessen des Landes geschadet. Der Regierungschef weiter: „Der Protest auf dem Wenzelsplatz wurde von pro-russischen Kräften ausgerufen, die extremen Positionen nahestehen.“ Die Presseagentur Česká tisková kancelář (ČTK) zitierte den Ministerpräsidenten zudem mit den Worten: „Es ist klar, dass sich die russische Propaganda und Desinformationskampagne immer wieder in unserem Land zeigt und dass Menschen ihr verfallen.“

Das Reaktionsmuster, das Fiala an den Tag legte, ist mittlerweile in einer ganzen Reihe westlicher Länder zu beobachten. Ganz offensichtlich hat sich die in Brüssel, Washington, London und Berlin gehegte Erwartung nicht erfüllt, dass harte und umfassende Sanktionen Russlands Wirtschaft schnell ruinieren und alsbald ein Sturz Wladimir Putins folgt. Stattdessen sind es nun die EU-Kommission und diverse Regierungen, die sich ernsthafte Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

Für Deutschland und andere europäische Länder stellt sich sogar die Frage, ob sie ohne bezahlbare Energieimporte überhaupt noch eine Zukunft als Industriestaaten haben, oder ob sie mittel- und langfristig auf das Niveau der Dritten Welt herabsinken.

Der Umgang, mit den Menschen, die dies ansprechen und kritisch auf die ruinöse Fehleinschätzung der westlichen Regierungen hinweisen, verläuft meist nach einem vorhersehbaren Muster. Kritikern der Regierungspolitik wird von der Regierung das Etikett „Extremist“ und „Staatsfeind“ angehängt.

Statt nüchtern Bilanz über die in großem Stil fehlgeschlagene Energie- und Sanktionspolitik zu ziehen, findet eine Stigmatisierung der Kritiker als „Putin-Versteher“ oder als Opfer russischer Propaganda statt. Als passendes Gegenstück zu dem hier sehr geläufigen Etikett des „Putin-Verstehers“ hat sich auch in englischsprachigen Ländern mittlerweile die Formulierung „Putin’s Enabler“ (Putins Wegbereiter) im Sprachgebrauch von Medien und Regierungspolitikern etabliert.

Besonders eifrig zurückgegriffen wird auf diesen Kampfbegriff in Großbritannien, dessen Bürger die Folgen von Inflation und Energieknappheit immer drastischer zu spüren bekommen.  Offenbar als Reaktion auf zunehmende Verdrossenheit und Zweifel an der Politik der europäischen Regierungen warnte der Historiker Timothy Garton Ash Mitte August im „Guardian“ vor Menschen im Westen, die Putin „zustimmen und die westliche und europäische Einheit von innen untergraben“. Garton Ash wies in seiner „Guardian“-Kolumne zudem auf das Risiko hin, das aus seiner Sicht eine Niederlage der US-Demokraten bei den Zwischenwahlen im November und eine politische Rückkehr Donald Trumps darstellen, da dieser notorisch zurückhaltend sei, Putin zu kritisieren.

 Angesichts des drohenden Verlustes der Mehrheit in Kongress und Senat scheinen bei den US-Demokraten tatsächlich inzwischen die Nerven völlig blank zu liegen. Wenige Wochen vor der Kongresswahl am 8. November hat Joe Biden in Philadelphia mit einer außergewöhnlich aggressiven Rede versucht, die Bürger der USA gegen den ehemaligen Präsidenten Trump zu mobilisieren. Flankiert von zwei US-Marines warnte Biden bei der Rede, die Vereinigten Staaten seien von einer düsteren Kraft bedroht. „Donald Trump und seine Gefolgsleute verkörpern einen Extremismus, der die Fundamente unserer Republik bedroht“, so Biden.