29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 37-22 vom 16. September 2022 / Östlich von Oder und Neiße / Inneres Durcheinander als Ansporn / Das Kulturfestival der Deutschen Minderheit führt grenzübergreifend in Breslau zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-22 vom 16. September 2022

Östlich von Oder und Neiße
Inneres Durcheinander als Ansporn
Das Kulturfestival der Deutschen Minderheit führt grenzübergreifend in Breslau zusammen
Chris W. Wagner

Das am 11. September in Oppeln [Opole] eingeweihte Dokumentations- und Ausstellungszentrums der Deutschen in der Republik Polen nennt der deutsche Botschafter in der Republik Polen, Thomas Bagger, einen „wichtigen Ort für die Mehrheitsgesellschaft, denn dann kann es die Rolle erfüllen, die ihm zugedacht ist“. Einen Tag vor der Einweihung präsentierten sich die Deutschen in der Republik Polen mit ihrem mittlerweile traditionellen „Kulturfestivals der deutschen Minderheit in Polen“ in der Breslauer Jahrhunderthalle. Auch mit dieser Veranstaltung wollen sich die Deutschen in der Republik Polen der Mehrheitsbevölkerung von ihrer besten Seite zeigen. Das klappte zumindest insofern, als die Zeitung „Gazeta Wyborcza Breslau“ umfassend berichtete. 

Wie viel Trotzpotential steckt in der Deutschen Minderheit?

Wie viele von den etwa 3500 Besuchern tatsächlich der Mehrheitsgesellschaft angehörten, lässt sich schwer sagen, da die vorherrschende Sprache mit Ausnahme  der Bühne eher Polnisch war – letztlich ist dies ja auch ein Überbleibsel der sprachlichen Polonisierung der Deutschen nach 1945. Doch genau diese findet derzeit ihre Fortsetzung, nachdem die polnische Regierung zuletzt Mittel für den muttersprachlichen Unterricht gekürzt hatte – wohlgemerkt nur bei der deutschen Volksgruppe und nicht bei anderen Minderheiten im Land wie den Ukrainern, Weißrussen, Litauern oder Kaschuben. Lehrer Harry Minkus aus Braunschweig sieht in dieser Diskriminierung auch eine Chance für die Deutschen in der Republik Polen, sich von der Förderungsabhängigkeit zu emanzipieren: „Jetzt könnte quasi eine Trotzreaktion wie beim Kind eintreten, etwa eine Heilung durch Rache nach dem Motto: ‚Wir zeigen es euch, in dem wir uns jetzt mehr organisieren, mehr Initiative zeigen und noch mehr Mühe geben.‘ Jetzt könnte man zeigen, welche Trotzpotentiale in der Minderheit stecken.“ Nach Breslau reiste der Braunschweiger mit oberschlesischen Wurzeln mit seinem zwölfjährigen Sohn Niklas an. „Ich kann ihm die Heimat seines Großvaters nicht so vermitteln, wie es mein verstorbener Vater bei mir konnte. Deshalb brauche ich oberschlesische Eindrücke und Komplizen“, sagt Minkus. So konnte Niklas beobachten, dass die Menschen „viele deutsche Zeichen trugen und dass gleichzeitig viele Polnisch sprechen. Dieses innere Durcheinander der ihn umgebenden Personen gibt ihm Rätsel auf. Und somit ist er mitten in der komplizierten Identität der Deutschen in Polen“, berichtet Minkus. 

92-Jährige will wieder dabei sein

Aus Danzig reiste die 92-jährige Hedwig Erika an. Alle zwei Wochen fährt sie mit der S-Bahn nach Gdingen [Gdynia] zu den Treffen der deutschen Gesellschaft, denn die Danziger Gruppe gibt es nicht mehr. Es ist ihr drittes Kulturfestival in Breslau und sie hofft, auch beim nächsten in drei Jahren dabei zu sein. „Ich bin alleinstehend und freue mich immer, wenn ich Deutsch sprechen kann, man verlernt es ja sonst. Zusammenhalt ist wichtig“, sagt sie und freut sich am Anblick von Kindern mit deutschen Fähnchen in der Hand. Angesprochen, erklären sie in polnischer Sprache, dass sie aus der Republik Polen kommen, genauer aus Waldenburg [Wałbrzych], und ihre Mutter habe sie nach Breslau mitgenommen.

Während sich auf der Bühne Musik- und Tanzgruppen präsentieren, diesmal sind auch Deutsche aus der Ukraine dabei, informieren die verschiedensten Organisationen nicht nur aus der Deutschen Minderheit über ihre Aktivitäten. 

Die Stiftung „Militärtechnik und Enzian“ (Technika militarna i górska szarotka) präsentiert sich zusammen mit der Kattowitzer Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) an einem Stand und zeigt, dass das Wandern eben auch eine deutsche Tradition ist. Der leidenschaftliche Wanderer und Schlesienreiseführer Thomas Maurck aus Jauernick in dem zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Reststück Schlesiens nutzt den Sonnabend, um Werbung für eine Veranstaltung im oberschlesischen Malapane [Ozimek] zu machen. Es ist eine Tagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, des Museums des Hüttenwesens Malapane und des polnischen Vereins der Malapaneniederung (Stowarzyszenie Dolina Małej Panwi) und soll die kaum bekannten Beziehungen Alexander von Humboldts zu Schlesien beleuchten. 

Am 17. September referiert Maruck im Hüttenmuseum zu Malapane über den deutschen Forschungsreisenden Humboldt und den Osten. In der Jahr-

hunderthalle erfuhr Maruck nun vom Oberschlesier Matthias Lempart, der während der Tagung in Malapane über Wilhelm von Humboldt als Schlossherren von Ottmachau [Otmuchów] sprechen wird, dass die Veranstaltung „Alexander von Humboldt in Franken, Schlesien und Polen“ auf dem Youtube-Kanal der Kulturstiftung (bit.ly/kulturstiftungvideo) ab 14 Uhr übertragen wird. Weitere Infor­mationen zu dieser Veranstaltung sind der Internetseite kulturstiftung.org zu entnehmen.





Zusätzliche Deutschstunden 

Der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) informiert auf seiner Internetseite vdg.pl, dass trotz der Kürzung der Ministerialmittel für den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache einige Selbstverwaltungen beschlossen haben, zusätzliche Stunden aus dem Haushalt der Gemeinden zu finanzieren. 

Die VdG-Medienreferentin Bogna Piter schreibt: „Die Antworten auf die Umfrage, die der VdG an die drei Woiwodschaften geschickt hat, in denen der Unterricht der Minderheitensprache von den meisten Studierenden genutzt wird, zeigen, dass der Deutschunterricht in insgesamt 39 Gemeinden aus den Mitteln der Selbstverwaltungen bezahlt wird in der Hoffnung, dass die Regelung zur Diskriminierung der deutschen Minderheit aufgehoben wird. Allein in der Woiwodschaft Oppeln trifft dies auf 33 von 54 Gemeinden zu (17 Gemeinden subventionieren eine Stunde, weitere 16 Gemeinden: zwei Stunden). In der Woiwodschaft Schlesien zahlen für das Sprachenlernen fünf Gemeinden extra; davon sind es vier, die eine Stunde und eine Gemeinde, die zwei Stunden des Unterrichts zusätzlich bezahlen. Von 18 Gemeinden in der Woiwodschaft Ermland-Masuren, in denen Deutsch als Minderheitensprache unterrichtet wird, bezahlt eine Gemeinde für den Unterricht dieser Sprache. Dort werden weitere zwei Stunden finanziert, wodurch die Anzahl der Unterrichtsstunden in dieser Sprache unverändert bleibt.“