26.04.2024

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Folge 38-22 vom 23. September 2022 / Mangelwirtschaft Schon bald wird es einfacher sein zu sagen, woran es in Deutschland nicht mangelt. So gibt es inzwischen zahlreiche Engpässe bei Lebensmitteln, Medikamenten und Konsumgütern aller Art / Dieselmotoren droht der Stillstand / Es mangelt an AdBlue – Produktionsstopp bei den Stickstoffwerken Piesteritz wegen Gaspreisexplosion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-22 vom 23. September 2022

Mangelwirtschaft Schon bald wird es einfacher sein zu sagen, woran es in Deutschland nicht mangelt. So gibt es inzwischen zahlreiche Engpässe bei Lebensmitteln, Medikamenten und Konsumgütern aller Art
Dieselmotoren droht der Stillstand
Es mangelt an AdBlue – Produktionsstopp bei den Stickstoffwerken Piesteritz wegen Gaspreisexplosion
Wolfgang Kaufmann

Mittlerweile wird von Tag zu Tag deutlicher, welche ruinösen Folgen die gezielt herbeigeführte Energieverknappung und -verteuerung in Deutschland hat. Dabei gibt es immer wieder einzelne Hiobsbotschaften, die das Ausmaß der Katastrophe, auf die unser Land zusteuert, besonders deutlich illustrieren. Dazu gehört die Nachricht vom Produktionsstopp in den Stickstoffwerken Piesteritz (SKWP) in der Lutherstadt Wittenberg im Osten von Sachsen-Anhalt. 

Das Unternehmen, das zum tschechischen Agrofert-Konzern gehört, ist der größte Ammoniak- und Harnstoffproduzent der Bundesrepublik und benötigt im Jahr 14 Terawattstunden Gas. Deshalb hätte es jetzt monatlich 30 Millionen Euro Gasumlage zahlen müssen. In dieser Höhe bewegte sich bislang allerdings der Gewinn pro Jahr. Daher gab es keine Alternative zum Herunterfahren der Anlagen vor rund drei Wochen. Und das hat nicht nur fatale Konsequenzen für die eigentlich grundsolide Firma SKWP, sondern für das gesamtes Land.

Denn das Werk stellt rund vier Zehntel des in der Bundesrepublik benötigten Abgasreinigers AdBlue her, einer 32-prozentigen wässrigen Harnstofflösung, die in den Katalysatoren der neueren Dieselmotoren von Straßen- und Schienenfahrzeugen zum Einsatz kommt, um schädliche Stickoxide in harmlosen Wasserstoff und Stickstoff zu spalten. AdBlue, das in Deutschland auch noch von BASF und Yara produziert wird, kann weder durch eine andere Substanz ersetzt noch weggelassen werden. Wenn der Abgassensor im Motor signalisiert, dass der Stickoxid-Anteil zu hoch ist, wird die Leistung automatisch stark gedrosselt oder das Fahrzeug bleibt komplett stehen.

Kein AdBlue – keine Brummis

Derzeit benötigen schon über neun Zehntel der Lastkraftwagen auf deutschen Straßen zwingend AdBlue. Schon vor dem Produktionsstillstand in den SKWP war der Zusatzstoff bereits knapp und teuer geworden. Nach Angaben des Bundesverbandes Gütertransport und Logistik (BGL) hat sich der Preis für AdBlue zwischen Januar 2021 und August 2022 vervierfacht. Ab Anfang September wurde aufgrund der Nachrichten aus Wittenberg sogar das Fünf- bis Siebenfache fällig. Viele AdBlue-Händler beliefern keine Neukunden mehr, und die Bestandskunden müssen sich mit limitierten Mengen zufriedengeben. 

Zwar halten die SKWP noch eine Notfallreserve von einer Million Litern vor, doch die ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Immerhin verbraucht die Logistikbranche in der Bundesrepublik 2,5 Millionen Liter AdBlue am Tag; dazu kommen weitere fünf Millionen für die Diesel-Pkw. 

Es drohen also massive Einschränkungen für Firmen und private Autofahrer, im Nah- und Fernverkehr, in der Landwirtschaft sowie vor allem bei Transporten aller Art per Lkw. „Kein AdBlue bedeutet keine Brummis. Und das bedeutet keine Versorgung für Deutschland“, warnte der BGL-Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt und fügte hinzu, der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck fahre mit seiner Gaspreis-Politik „Deutschland sehenden Auges an die Wand“.

Gas ist vorhanden, aber zu teuer 

Die offizielle Reaktion des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hierauf bestand bislang lediglich in der Erklärung, man sehe derzeit „keinen akuten Mangel an AdBlue“. Dennoch laufen mittlerweile vertrauliche Gespräche zwischen dem Ministerium und den SKWP.

Vor deren Hintergrund wurde am 12. September zwar eine der beiden Anlagen in Wittenberg wieder angefahren, aber nicht die Produktion wieder aufgenommen. Hierzu sagte der Unternehmenssprecher Christopher Profitlich: „Gas ist zwar verfügbar. Aber es ist zu teuer. Man kann auch sagen: Es gibt genug Gas, weil das Gas einfach so teuer ist.“ Die SKWP hoffen nun auf eine Deckelung des Gaspreises sowie eine Ausnahme von der Gasumlage. 

Ansonsten fällt ein wichtiger Produzent des Abgas-Reinigungsstoffes unter Umständen für immer aus. Und dann könnten momentan noch bitterböse, satirisch gemeinte Vorschläge wie der, doch bitte Urin-Sammelstellen für natürlichen Harnstoff als Ersatz für die synthetisch erzeugte Verbindung einzurichten, tatsächlich Realität werden. 

Zwar dürften die Ausscheidungen aller in Deutschland lebenden Menschen ausreichen, um den Bedarf zu decken, doch wären auch in diesem Falle bürokratische Vorschriften zu beachten. So erfüllen Bemühungen, AdBlue einfach in Selbsthilfe aus Urin und demineralisiertem Wasser herzustellen, hierzulande den Tatbestand des Steuerbetruges.