28.03.2024

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Folge 38-22 vom 23. September 2022 / Analyse / Russische Todesfälle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-22 vom 23. September 2022

Analyse
Russische Todesfälle
Bodo Bost

Der Verwaltungsratschef des russischen Ölgiganten Lukoil, Rawil Maganow, ist wenige Tage vor dem Tod Michail Gorbatschow im selben Moskauer Zentralkrankenhaus für Prominente nach einem Sturz aus einem Fenster der sechsten Etage ums Leben gekommen. Russische Medien berichteten vom Tod des 67-Jährigen, ohne Angabe von Quellen.

Staatsnahe russische Medien sprachen rasch von Suizid. Laut der Nachrichtenagentur „Tass“ habe diese Version auch eine nicht genannte Quelle innerhalb der Polizei bestätigt. Wie durch „Zufall“ arbeitete zu dem Zeitpunkt des Sturzes keine der vielen Überwachungskameras, aufgrund von Umbauarbeiten. Die Sicherheitsvorkehrungen galten in dem Prominentenkrankenhaus als besonders hoch.

Lukoil, der zweitgrößte russische Ölkonzern, richtete in einer ersten Stellungnahme den Angehörigen von Maganow sein Beileid aus und sprach dabei lediglich von einem Tod infolge einer „schweren Krankheit“. Wegen einer Herzerkrankung war Maganow eigentlich in Behandlung. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow lehnte eine Stellungnahme ab, der Fall sei „nicht die Angelegenheit“ des Kremls. 

Maganow stammte aus der heutigen russischen Teilrepublik Tatarstan, seit 1993 arbeitete er bei Lukoil und wurde 2020 Vorstandschef. Er war ein enger Mitarbeiter des Aserbeidschaners Wagit Alekperow, einem der Gründer von Lukoil, der im April als Präsident des Mineralölkonzerns zurücktrat, nachdem Großbritannien wegen der Russland-Sanktionen sein Vermögen eingefroren und ihm ein Einreiseverbot auferlegt hatte. Aber auch Alekperow hatte den Krieg in der Ukraine kritisiert, obwohl er dem Unternehmen satte Gewinne bescherte.

Ganze Serie mysteriöser Vorfälle

Im Gegensatz zu Alekperow und vielen weiteren Funktionären russischer Energieunternehmen stand Maganow nicht auf den Sanktionslisten von EU und USA. Gegen Lukoil wurden in den Vereinigten Staaten Sanktionen verhängt, in Europa ist das Unternehmen hingegen nur von den allgemeinen Sanktionen gegen Erdöl betroffen. Beim russischen Ölkonzern Lukoil war der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Manager tätig. Er hat jedoch im März – anders als sein bundesdeutscher Kollege Gerhard Schröder bei Gazprom – seine Funktion im Aufsichtsrat zurückgegeben.

Bereits in der Vergangenheit sind zahlreiche Personen, die sich kritisch gegenüber der Regierung oder den Behörden in Russland geäußert hatten, „aus dem Fenster gefallen“ und verstorben, wie russische Medien infolge der Todesfälle normalerweise berichteten. Es handelte sich etwa um einen Journalisten, der über die russische Söldnergruppe Wagner recherchierte, oder russische Ärzte, die sich zu Beginn der Corona-Pandemie kritisch gegenüber der Regierung geäußert hatten. Aber auch Alexander Subbotin, ein ehemaliger Lukoil-Manager, starb im Mai unter ungeklärten Umständen – angeführt wurde ein Tod durch eine angeblich misslungene Behandlung wegen Alkoholsucht.

Laut unabhängiger russischer sowie westlicher Medienberichte sollen innerhalb der ersten fünf Monate dieses Jahres bereits acht Oligarchen eines nicht natürlichen Todes gestorben sein. In mehreren dieser Fälle war, wie nun nach Maganows Tod, sehr schnell von Suiziden die Rede. 

Seit der Machtübernahme Putins galt in Russland ein Deal zwischen den Oligarchen und dem Kreml. Alle Oligarchen, die sich aus der Politik heraushielten, konnten ihr schon vor Putin erworbenes Vermögen behalten. Doch diejenigen, die sich in die Politik einmischten, hatten wie beim Unternehmer Michail Chodorkowski, der zehn Jahre in Sibirien in einem Lager verbrachte, mit Konsequenzen zu rechnen. Offenbar fehlt dem KGB jetzt die Phantasie und Energie, um, wie gegen den jetzt in London lebenden Chodorkowski, weitere Schauprozesse zu inszenieren, deshalb wählt man die schnellere und brutalere Exitus-Methode durch Fenstersturz. 

Auch diese ist keineswegs neu. Schon 1937 schaffte der KGB durch Fenstersturz den estnischen Oppositionellen Artur Sirk in Luxemburg aus dem Weg, 1945 folgte der Tscheche Jan Masaryk in Prag. Der Fenstersturz ist eine beliebte Tötungsverdunkelung bei Geheimdiensten, weil beim Toten keinerlei Spuren der Gewaltanwendung nach dem Sturz zu erkennen sind und deshalb ein Suizid sehr schlüssig wirkt.