25.04.2024

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Folge 38-22 vom 23. September 2022 / Interview / „Zeit, etwas Neues zu formieren“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-22 vom 23. September 2022

Interview
„Zeit, etwas Neues zu formieren“

Im Gespräch mit Klaus Kelle

Herr Kelle, obwohl die Deutschen bei der Bundestagswahl 2021 mehrheitlich nicht SPD, Grüne oder Linkspartei gewählt haben, bekommen sie seitdem Tag für Tag eine linke Politik. Warum?

Rein rechnerisch gäbe es eine bürgerliche Mehrheit, wenn man voraussetzt, dass Union, FDP und AfD in der großen Linie gemeinsame Ziele haben. Das kann ich nicht mehr erkennen. Gerade jetzt, da die Ampel Demoskopen zufolge keine Mehrheit mehr hat, wäre es an der Zeit, etwas Neues zu formieren, um diese in Teilen verhängnisvolle und schädliche Politik zu verändern. Aber wenn ich dann lese, dass gerade eine Reisegruppe von AfD-Abgeordneten im russisch besetzten Donbass zum Fototermin pro Kreml unterwegs ist, dann weiß ich, dass es niemals eine andere Mehrheit mit dieser aktuellen AfD in Deutschland geben wird. 

Viele bürgerliche Wähler trösteten sich beim Start der Regierung damit, dass die FDP schon die schlimmsten ideologisch geprägten Projekte von Rot-Grün verhindern würde. Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit der FDP?

Ich fühle mich außerstande, zu bewerten, ob die FDP arbeitet. Immerhin hat sich Parteichef Lindner klar dafür ausgesprochen, die Energieversorgung unseres Landes auch in Zukunft mit Kohle und Atomstrom sicherzustellen. Das finde ich gut. Aber da sitzen ja noch die Grünen am Kabinettstisch, die aus dem Atom-Alarmismus Wählerstimmen für ihre Klientel generiert haben.

Sie gehören in der Union zu denjenigen, die seit Jahren für eine stärkere Rückbesinnung von CDU und CSU auf ihren Markenkern plädieren. Sind Sie in dieser Hinsicht mit der Arbeit des neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zufrieden?

In der Summe unzufrieden, wenngleich alles besser ist als die Jahre unter Merkel, AKK und Laschet. Wirklich alles. Merz, den ich persönlich durchaus schätze, erfüllt seine Rolle als angriffslustiger Oppositionsführer durchaus gut. Aber ich höre aus CDU-Kreisen in Berlin, dass er seinen Laden immer noch nicht auch nur ansatzweise unter Kontrolle hat, dass er umringt ist von zahlreichen politischen Totengräbern aus der Zeit seiner Vorgänger(innen). Das Adenauer-Haus, die Adenauer-Stiftung bis hin in sein persönliches Büro – überall werden Personalentscheidungen getroffen, die erstaunlich sind. Oder eben gar keine an Stellen, wo es dringend notwendig wäre.

Als dritte bürgerliche Kraft galt anfangs vielen auch die AfD, der jedoch viele bürgerliche Mitglieder und Wähler längst den Rücken gekehrt haben. Wie sehen Sie diese Partei jenseits Ihrer eingangs geäußerten Kritik? 

Das kann man so pauschal nicht bewerten, zumal als Außenstehender. Ich habe als Journalist wirklich viele AfD-Politiker kennengelernt, und es waren und sind auch heute noch brillante Leute darunter, die nicht aufgeben wollen gegenüber völkischen Aktivisten und Putin-Nachkriechern. Aber Realpolitik ist der Schlüssel auf dem Weg an die Tische, wo die Entscheidungen fallen. Und wenn Sie anschauen, welche Wahlerfolge demokratische rechte Parteien mit Sachpolitik in überall in Europa einfahren und dass plötzlich andere Parteien kommen und kooperieren wollen, dann spricht das eine eindeutige Sprache. Sowohl die Schwedendemokraten als auch die Fratelli d’Italia von Georgia Meloni sind EU-kritische Parteien. Aber sie wollen nicht raus aus der EU, weil sie auch sehen, dass Europa in Zukunft nur eine Rolle spielen kann in der Welt, wenn es als Gemeinschaft auftritt und handelt. Und was macht die AfD? Fordert den EU-Austritt, und Teile verehren Putin als Retter des Abendlandes. Das kann man sich gar nicht ausdenken.

Sie haben in den letzten Jahren mit der „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ ein Format etabliert, das verschiedene Gruppen des bürgerlichen Lagers zusammenführen will. Wie muss man sich das vorstellen? 

Ursprünglich geplant als ein Lesertreffen rund um meinen Blog, hat die alljährliche „Schwarmkonferenz“ tatsächlich eine Eigendynamik entwickelt. Da wird beim Kartenverkauf nicht nach Gesinnung oder Parteibuch gefragt, da geht es darum, uns zu vernetzen: Konservative und Christen, Wirtschaftsliberale und Libertäre. Ein bisschen so wie bei den amerikanischen C-PAC-Konferenzen. Das Treffen, zu dem jedes Jahr mehrere Hundert Teilnehmer aus allen Teilen Deutschlands anreisen, setzt auf das Verbindende. Unsere Demokratie und den Rechtsstaat zu verteidigen gegen welche Angriffe auch immer. 

Wir hatten heiße Diskussionen sowie herausragende Redner und Diskussionspartner in den vergangenen Jahren, unter anderem Kristina Schröder, Hubertus Knabe, Gerhard Papke, Thilo Sarrazin, Jens Spahn und Hans-Georg Maaßen. Nicht immer einer Meinung mit den Teilnehmern, aber im immer zivilisierten, manchmal leidenschaftlichen Meinungsstreit. In diesem Jahr werden die Schwerpunkte auf der Verteidigung und Entwicklung des Rechtsstaates sowie der Außen- und Sicherheitspolitik gehen. 

Weitere Informationen unter: kelle@denken-erwuenscht.com