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Folge 38-22 vom 23. September 2022 / Planetologie / Die Invasion der außerirdischen Killerviren / Astrophysiker warnen vor einer „Mars-Pandemie“ – Kontaminierte Proben vom Roten Planeten, die man bei kommenden Missionen einsammelt, könnten alles Leben auf der Erde auslöschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-22 vom 23. September 2022

Planetologie
Die Invasion der außerirdischen Killerviren
Astrophysiker warnen vor einer „Mars-Pandemie“ – Kontaminierte Proben vom Roten Planeten, die man bei kommenden Missionen einsammelt, könnten alles Leben auf der Erde auslöschen
Wolfgang Kaufmann

Könnten vom Mars eingeschleppte Mikroorganismen das Leben auf der Erde vernichten? Wenn es nach den Machern des US-amerikanischen Science-Fiction-Horrorfilmes „Life“ aus dem Jahre 2017 geht, dann ja. Dieser Streifen handelt davon, wie der parasitäre außerirdische Einzeller „Calvin“, der sich in einer Bodenprobe vom Mars befand, erst zur Gefahr für die Raumstation ISS und am Ende dann für unseren gesamten Planeten wird. 

Seriöse Wissenschaftler fürchten vergleichbare Szenarien. Sichtbarster Beweis dessen sind die Bilder vom Abschluss der bemannten Mondmissionen Apollo 11 und 12 im Juli beziehungsweise November 1969. Nach der Rückkehr von dem Erdtrabanten mussten die Astronauten Isolieranzüge tragen und eine 17-tägige Quarantäne absolvieren, um auszuschließen, dass sie unbekannte Keime auf die Erde einschleppen. 

Damit agierte die US-Weltraumbehörde NASA seinerzeit voll im Einklang mit dem Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper vom 27. Januar 1967, welcher explizit Maßnahmen zur Verhinderung der sogenannten Vorwärts- und Rückwärts-Kontamination fordert. Dabei handelt es sich um die Verschleppung irdischer Lebensformen auf andere Himmelskörper sowie umgekehrt um die Verunreinigung der Erde durch Mikroben aus dem All.

Eine Rückwärts-Kontamination?

Die Letztere wird nun wieder verstärkt als Gefahr wahrgenommen, weil die Absicht besteht, künftig Material vom Mars auf die Erde zu holen. Das ist beispielsweise das Ziel der für 2027 bis 2033 geplanten gemeinsamen Mars-Sample-Return-Mission (MSR) der NASA und der europäischen Weltraumagentur ESA. In deren Rahmen sollen die seit dem 1. September 2021 vom Mars-Rover „Perseve­rance“ im Jezero-Krater zusammengetragenen Bodenproben mittels des Roboterarms des Rückführungslanders SRL-1 in das Aufstiegsvehikel gepackt und anschließend zur Rückkehrsonde hinaufgeschossen werden. Die wiederum würde nach ihrer Ankunft in der Erdumlaufbahn ein Eintrittsfahrzeug zur Utah Test and Training Range 130 Kilometer westlich von Salt Lake City hinabschicken. Dort stünde dann die Untersuchung des Marsgesteins in einem speziellen Labor der höchsten Biosicherheitsstufe 4 an.

Die NASA konsultierte in den vergangenen Jahren mehrere Expertengremien, welche die Sicherheitsrisiken bei der MSR-Mission bewerten sollten, und stufte diese hernach als „extrem gering“ ein, woraufhin freilich sofort Gegenstimmen laut wurden. Damit gibt es nun drei verschiedene Positionen innerhalb der Wissenschaftlergemeinde. Die Erste lautet, dass auf dem Mars überhaupt kein Leben existiere, weil die Atmosphäre auf dem Planeten bereits vor drei Milliarden Jahren verschwunden sei, wonach sich dessen Oberfläche auf die heutigen Temperaturwerte abgekühlt habe. 

Andere Experten wie der Raumfahrtingenieur Robert Zubrin von der Mars Society oder der prominente Paläogenetiker und Astrobiologe Steven Benner argumentieren wiederum, dass das Kontaminationsrisiko auch im Falle der Existenz von Leben auf dem Mars faktisch gegen Null gehe. Das begründen sie mit den unzähligen Einschlägen von Meteoriten, welche im Zuge von schweren Asteroiden- oder Kometen-Treffern aus der Marsoberfläche herausgesprengt wurden und hernach durchs All geisterten, bis sie in die Erdatmosphäre eintraten. So errechnete Benner, dass jedes Jahr rund 500 Kilogramm Marsmaterial auf unserem Planeten niedergehen – und dies schon seit Ewigkeiten. Daher lautet sein Fazit: „Wenn Marsmikroben existieren und die Biosphäre der Erde verwüsten können, ist dies bereits geschehen. Dann machen ein paar zusätzliche Kilogramm keinen Unterschied mehr.“

China und die Todeskeime

Dahingegen vertritt das Internationale Komitee gegen Mars-Proben (ICAMSR) die Ansicht, selbst die allergeringste Wahrscheinlichkeit einer Rückwärts-Kontamination erfordere äußerst penible Vorsichtsmaßnahmen. Am besten sollte das Marsmaterial gleich auf dem Roten Planeten selbst oder in einer Raum- beziehungsweise Mondstation untersucht und niemals auf die Erde gebracht werden. 

Der ICAMSR-Vorsitzende und Astrobiologe Barry DiGregorio geht sogar so weit, der NASA zu unterstellen, sie wisse längst durch frühere Sonden-Landungen auf dem Mars, dass dort Leben existiere, vertusche dies aber, um Bedenken gegen bemannte Marsflüge beziehungsweise das MSR-Projekt zu unterdrücken. Außerdem vertritt er die Ansicht, man müsse nun endlich einmal ernsthaft diskutieren, ob es nicht vielleicht schon einige tödliche Pandemien auf der Erde gegeben habe – verursacht von außerirdischen Keimen.

In diesem Zusammenhang verweist DiGregorio unter anderem auf das Aussterben der Dinosaurier sowie weiterer großer Teile der irdischen Flora und Fauna, das gemeinhin auf den Einschlag eines Kometen oder Asteroiden vor 66 Millionen Jahren zurückgeführt wird: Was, wenn in Wirklichkeit Mikroorganismen aus dem All die Killer gewesen seien?

Aber selbst wenn es den Mahnern gelingen sollte, die US-amerikanisch-europäische MSR-Mission zu verhindern, weil deren Risiken für das Leben auf der Erde unkalkulierbar sind, steht noch eine weitere Raumfahrtnation in den Startlöchern, um Material vom Mars zu holen, nämlich China. Die Volksrepublik konnte im Rahmen des Unternehmens Tianwen-1 bereits den Rover „Zhurong“ auf dem Roten Planeten absetzen, wo das Fahrzeug seit Mai 2021 operiert. Dem soll nun zwischen 2025 und 2027 der Flug der Sonde Tianwen-2 zum Asteroiden (469219) Kamo’oalewa samt einer Entnahme und Rückführung von Bodenproben folgen. Anschließend ist geplant, im Rahmen der Mission Tianwen-3 bis Juli 2031 Marsgestein zur Erde zu transportieren.