28.03.2024

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Folge 39-22 vom 30. September 2022 / Terrorabwehr / Vor Rückkehrerinnen wird gewarnt / Deutsche Justiz scheint das von IS-Musliminnen ausgehende Sicherheitsrisiko zu unterschätzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-22 vom 30. September 2022

Terrorabwehr
Vor Rückkehrerinnen wird gewarnt
Deutsche Justiz scheint das von IS-Musliminnen ausgehende Sicherheitsrisiko zu unterschätzen
Wolfgang Kaufmann

Seit 2011 reisten mehr als 1150 Personen aus Deutschland nach Syrien und in den Irak, um sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Rund ein Viertel davon waren Frauen. Viele von diesen sitzen nun in Gefängnissen und Lagern der kurdischen Selbstverwaltung oder in irakischer Haft, aber mindestens 90 IS-Anhängerinnen kehrten nach Deutschland zurück. Zunächst gingen die Justizbehörden davon aus, dass Frauen in der Terrormiliz keine wesentliche Rolle gespielt und somit auch keine schweren Straftaten begangen hätten. Das änderte sich aber ab 2018 mit der Aufdeckung mehrerer spektakulärer Einzelfälle.

So konnten Jennifer W. aus Niedersachsen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die religiöse Minderheit der Jesiden nachgewiesen werden, was zu einer Verurteilung zu zehn Jahren Haft führte. Ein weiteres Beispiel ist Jalda A. aus Bremen, die für Beihilfe zum Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis musste. 

Und dann wäre da noch Sarah O. aus Baden-Württemberg. Sie erhielt eine Jugendstrafe von sechseinhalb Jahren wegen sieben schwerer Delikte, darunter auch Freiheitsberaubung mit Todesfolge. Bis August dieses Jahres mussten sich insgesamt 26 deutsche IS-Rückkehrerinnen vor deutschen Gerichten verantworten, in 25 Fällen kam es zu Verurteilungen. 

Über die genauen Einzelheiten gibt nun ein „CEP Policy Paper“ Auskunft. Das Counter Extremism Project ist eine gemeinnützige internationale Organisation zur Eindämmung der Gefahren durch extremistische Ideologien. Die Organisation beauftragte die Analystin ihres Berliner Büros Sofia Koller mit der Erarbeitung des Berichtes. 

Milde Urteile für schwere Untaten

Laut diesem wurden 25 weibliche IS-Angehörige wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland beziehungsweise deren Unterstützung zur Rechenschaft gezogen, 15 wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, zehn wegen Kriegsverbrechen gegen das Eigentum und sonstige Rechte, acht wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber den eigenen Kindern, sechs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, fünf wegen Entziehung Minderjähriger, vier wegen Kriegsverbrechen gegen Personen, drei wegen Freiheitsberaubung sowie je eine wegen Beihilfe zum Völkermord, Beihilfe zum Mord und Fahrlässiger Tötung.

Das durchschnittliche Strafmaß hierfür lag indes nur bei drei Jahren und zehn Monaten. Das resultierte nicht zuletzt aus der komplizierten Beweislage. Diese führte auch zu langen Untersuchungshaftzeiten, die ebenso im Urteil berücksichtigt wurden wie die Zeiten, welche die IS-Rückkehrerinnen vor ihrer Rückkehr in irakischen oder syrischen Gefängnissen verbracht hatten. 

Als weiteren Grund unterstellt Koller der deutschen Justiz „gender-spezifische Vorurteile“. So traue sie den radikalen Musliminnen kaum zu, genauso gefährlich zu sein wie männliche Terroristen. Vielmehr würden sie als „naiv, passiv und Opfer der Entscheidungen ihrer Partner wahrgenommen“. Dabei gebe es viele deutliche Hinweise auf eine erhebliche Radikalisierung. 

„Gender-spezifische Vorurteile“ 

Und tatsächlich dienten manche der Lebensgefährtinnen von IS-Kämpfern in der Hisba genannten religiösen Sittenpolizei der Terrormiliz. Carla-Josephine S. beispielsweise war Fahrerin bei der Khatiba Nusaybah, einer ausschließlich weiblichen Einheit der Hisbah. Darüber hinaus wurden etliche der IS-Frauen im Umgang mit Waffen und Sprengstoffgürteln geschult. 

Ebenso spricht deren Verhalten während der Inhaftierung im Irak oder Syrien Bände. Anstatt sich vom Islamischen Staat zu distanzieren, setzten sie dessen Verhaltensregeln in der Gefangenschaft durch und drangsalierten Mithäftlinge, die nicht mehr auf der Linie der Organisation lagen.

Aus all dem leitet Koller folgende dringende Empfehlung für die Justiz- und Sicherheitsbehörden in Deutschland ab: Deutsche Frauen, die „den IS auch jenseits von Haushaltsführung und Kindererziehung in unterschiedlichen Rollen unterstützt haben“, müssten ohne Ausnahme als „Sicherheitsrisiko“ betrachtet und dementsprechend behandelt werden.