28.03.2024

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Folge 39-22 vom 30. September 2022 / Vorratsdaten / Wirklich „ein guter Tag für die Bürgerrechte“? / Vieldeutiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Bei Datenspeicherung könnte alles beim Alten bleiben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-22 vom 30. September 2022

Vorratsdaten
Wirklich „ein guter Tag für die Bürgerrechte“?
Vieldeutiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Bei Datenspeicherung könnte alles beim Alten bleiben

Durch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 17. Dezember 2015 wurde den deutschen Telekommunikationsanbietern auferlegt, ohne Anlass und auf Vorrat folgende Kundendaten zu speichern sowie auf richterliche Anordnung an die Strafverfolgungsbehörden oder Organe der Gefahrenabwehr herauszugeben: Standortdaten bei Telefonaten mit einem Mobiltelefon und mobiler Internetnutzung; Rufnummern, Zeit und Dauer aller Telefonate; Rufnummern, Sende- und Empfangszeit sämtlicher Text-Nachrichten sowie IP-Adressen aller Internetnutzer beziehungsweise Zeit und Dauer der Internetnutzung. 

Die Reaktion hierauf waren zahlreiche Klagen und Verfassungsbeschwerden, darunter auch von Unternehmen wie der Deutschen Telekom. Während das Bundesverfassungsgericht passiv blieb, entschieden das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht Münster 2017/18, dass die Anbieter solche Kundendaten nicht zur Verfügung stellen müssten. Das anschließend angerufene Bundesverwaltungsgericht beschloss am 25. September 2019, die Angelegenheit zur endgültigen Klärung an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu übergeben. Und dieser kam vorletzten Dienstag zu einem Urteil.

Laut dem EuGH verstößt die deutsche Regelung zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht. Die Verbindungs- und Standortdaten, welche gespeichert werden sollten, sind nach Ansicht der Luxemburger Richter dazu geeignet, hochpräzise Schlussfolgerungen über das Privatleben einer Person zu treffen, beispielsweise im Hinblick auf Gewohnheiten des täglichen Lebens und soziale Kontakte. Damit ließen sich Profile von Personen erstellen, und das liefe auf eine Verletzung von deren Grundrechten hinaus.

Die Entscheidung des EuGH wurde vielfach begrüßt. So meinte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP): „Ein guter Tag für die Bürgerrechte! Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen.“ 

Das heißt aber keineswegs, dass der Staat nicht doch Schlupflöcher finden kann, um weiter Überwachungsmaßnahmen durchzuführen. Denn der EuGH erlaubt eine zeitlich befristete „allgemeine und unterschiedslose“ Speicherung der fraglichen Daten „zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit“. Außerdem erklärte er auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen für zulässig.

Damit stellt sich die Frage nach der Definition dessen, was als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gilt. Dass staatliche Organe kreativ sein können, wenn es darum geht, diesbezügliche „Phänomenbereiche“ zu konstruieren, hat der Verfassungsschutz während der Corona-Pandemie bewiesen, als er die „Delegitimierung des Staates“ durch „Agitation“ zu einer Bedrohung der demokratischen Grundordnung erklärte. Und auch die Begriffe „nationale Sicherheit“ und „Verhütung“ sind juristisch äußerst dehnbar.W.K.