19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 39-22 vom 30. September 2022 / TV-Kritik / Maliziöse Menschen im Hotel / Wahrheit trifft auf Fiktion im ARD-Zweiteiler über eine reale Luxusherberge: „Das weiße Haus am Rhein“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-22 vom 30. September 2022

TV-Kritik
Maliziöse Menschen im Hotel
Wahrheit trifft auf Fiktion im ARD-Zweiteiler über eine reale Luxusherberge: „Das weiße Haus am Rhein“
Anne Martin

Morgens im Hotel: Ein Gast mit Hitlerbart schiebt sein Tablett mit den Frühstücksresten in den Flur. Darauf hat der Gast aus dem Nebenzimmer nur gewartet. Er nimmt vom Tablett zwei Brötchen, piekst Gabeln hinein als wären es Beine und führt dann mit den Teigteilen einen kuriosen Tanz auf. Adolf Hitler und Charlie Chaplin, Tür an Tür im Rheinhotel Dreesen bei Bad Godesberg? Beide sind dort tatsächlich einmal abgestiegen. Dass sie sich aber jemals begegnet sind, gehört ins Reich der Phantasie. 

Historische Wahrheit und Fiktion verbinden sich in dem ARD-Zweiteiler „Das weiße Haus am Rhein“ (3. Oktober um 20.15 Uhr und 21.45 Uhr im Ersten) zu einer spannenden Revue vor dem Hintergrund der Weimarer Republik. Die Geschichte beginnt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als im Hotel noch französische Besatzer residieren, und endet kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Die Hoteliersfamilie Dreesen passt sich den Wechselfällen der Geschichte so gut an wie irgend möglich, vor allem der mit einem dunklen Geheimnis aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrte Junior Emil (Jonathan Berlin) versucht, die konservative Herberge umzumodeln. Plötzlich tanzen halbnackte Revuegirls aus Paris im ehemaligen Ballsaal, und spätestens, als die Tochter des Hauses von einem farbigen Soldaten ein Kind erwartet, werden die verstaubten Ansichten der Eltern Fritz und Marie (Benjamin Sadler und Katharina Schüttler) sowie der Patriarchin Adelheid (Nicole Heesters) auf eine Probe gestellt. 

Höhepunkt der Geschichte ist ein Attentatsversuch auf Hitler, ausgeübt vom früheren Hausmädchen der Familie (Henriette Confurius), das nach seinem Rauswurf zu den Kommunisten übergelaufen ist. Dass der Hotelierssohn von einem Kriegskameraden erpresst wird, ein alter Rheinschiffer mit drei Leichen an Bord über den deutschesten aller Flüsse schippert, die bornierte Hoteliersgattin mit der im Foyer wartenden Hitler-Geliebten Eva Braun kungelt und mit ihr gemeinsame Ausflüge unternimmt – falls es nicht ganz so war, so ist es zumindest gut erfunden. 

In der folgenden Dokumentation „Rheinhotel Dreesen – das weiße Haus am Rhein“ (23.35 Uhr) wird die wahre Geschichte erzählt, die auch ohne phantastische Wendungen turbulent genug ist. Tatsächlich galt das Dreesen lange als Hitlers Lieblingshotel, auch Wilhelm II., Greta Garbo, Marlene Dietrich und besagter Chaplin schrieben sich ins Gästebuch ein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Haus teils ein Flüchtlingslager, dann Sitz des französischen Hochkommissariats. In der Bonner Republik gingen dort Spitzenpolitiker wie Helmut Kohl und Helmut Schmidt ein und aus. Nach der Verlegung des Regierungssitzes nach Berlin wurde es stiller um die Nobelherberge. Aber das Hotel trotzt weiterhin den wechselnden Zeitläuften genauso wie dem Rhein-Hochwasser und wird mittlerweile in fünfter Generation geführt.