26.04.2024

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Folge 40-22 vom 07. Oktober 2022 / Biographie / „Mir hat das Leben immer Spaß gemacht“ / Liselotte Kugler aus Berlin schrieb nach Dokumenten, die sie im Nachlass ihrer Familie gefunden hatte, und mithilfe von Tonaufnahmen ihres nach Australien ausgewanderten Onkels dessen Lebensweg auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-22 vom 07. Oktober 2022

Biographie
„Mir hat das Leben immer Spaß gemacht“
Liselotte Kugler aus Berlin schrieb nach Dokumenten, die sie im Nachlass ihrer Familie gefunden hatte, und mithilfe von Tonaufnahmen ihres nach Australien ausgewanderten Onkels dessen Lebensweg auf
Dagmar Jestzemski

Erzählt wird die abenteuerliche Lebensgeschichte von Günter Karkoska aus dem Dorf Milucken in Masuren, der seine Heimat in Ostpreußen verlor und in Australien ein neues Zuhause fand. 

Die Autorin der spannenden Biographie mit dem Titel „Eisbruch und Wüstensturm“ ist Liselotte Kugler aus Berlin, Günter Karkoskas Nichte zweiten Grades. Kugler ist mütterlicherseits eine Urenkelin von Günters Großmutter Henriette Kaminski aus Milucken (polnisch Miluki, Powiat Ełcki, Woiwodschaft Ermland-Masuren). Nach ihrer Pensionierung fand sie beim Ordnen von Akten und Fotoalben Unterlagen zu ihrer Familiengeschichte und zur Auswanderung ihres Onkels nach Australien im Jahr 1959. Darüber wollte Kugler mehr erfahren, da der Kontakt zwischen ihrer Familie und Günter nach seiner Auswanderung nicht abgebrochen war. 

Geplant als Geschenk

Nach Absprache lieferte Günter ihr ausführliche mündliche Informationen über sein bewegtes Leben auf Audiodateien für mp3-Abspielgeräte. Aus dem ursprünglich als Geburtstagsgeschenk geplanten Manuskript wurde schließlich ein zweisprachiges Buch mit einem deutschen und einem englischen Textteil, das Günter auch in seinem Wohnort Mount Isa verkaufen möchte. Mount Isa liegt im nordwestlichen Outback des Bundesstaates Queensland und verfügt über eines der weltweit größten Vorkommen an Kupfer, Zink und Silber.

Als schön und friedlich, ja fröhlich wird das Leben der ostpreußischen Familie auf dem Bauernhof in Milucken sogar noch während der letzten Kriegsjahre beschrieben. Monatelang waren die Verwandten aus dem Ruhrgebiet in jedem Sommer zu Besuch und halfen bei der Ernte. 

Glückliche Tage in Milucken

Kurz vor Weihnachten 1944 flüchtete der damals siebenjährige Günter mit seiner Mutter Minna, der damals 78-jährigen Großmutter und vier Geschwistern aus seinem Heimatdorf. Weil der mitgenommene Proviant nicht reicht, fährt die Mutter mit dem Pferdewagen zurück nach Milucken, um mehr Nahrungsmittel zu holen. Ihre Familienangehörigen werden sie nicht mehr wiedersehen. 

Auch seinen Vater Ewald verlor Günter in den Wirren bei Kriegsende, wie dessen Bruder später erfuhr. Unterdessen brach die Ostfront am 12. Januar 1945 auf breiter Linie zusammen. Die Kinder wurden Zeugen unfassbarer Gräueltaten, begangen von russischen Soldaten. Trotz Krankheit und Mangelernährung schafften es die Großmutter und ihre Enkelkinder, sich von einem Evakuierungsort nach Pillau durchzuschlagen, von wo aus sie schließlich im März mit einem Schiff über die Ostsee nach Swinemünde gelangten. Kurz zuvor war Swinemünde schwer bombardiert worden.

Nach seiner Rettung durchlebte der psychisch und physisch schwer angeschlagene verwaiste Flüchtlingsjunge in Niedersachsen viele weitere Jahre mit fortwährenden Traumata. Schutzlose Kinder wie er wurden oftmals Opfer von Ausbeutung. Ein Bauer in Nordenholz nutzte ihn als Arbeitskraft aus, behandelte ihn dabei „wie einen Aussätzigen“. 

Den verpassten Lernstoff in der Schule konnte er nicht mehr nachholen. 1951 holte ihn sein neuer Vormund, der Onkel Kugler aus Castrop-Rauxel, beim Bauern ab. Nach Castrop-Rauxel zogen auch seine vier Brüder und die älteste Schwester. Auf der Zeche „Erin“ begann Günter eine Lehre als Bergmann. Nach einer großen Enttäuschung, da der Vater seiner Auserwählten ihn als Schwiegersohn nicht akzeptierte, wanderte Günter im Alter von 22 Jahren mit einem Passagierschiff nach Australien aus.

Detailreich und einfühlsam schildert die Autorin auch die wichtigen Stationen und Erlebnisse Günters in Australien. Wie alle Einwanderer musste er mit den extrem hohen Temperaturen des südlichen Sommers zurechtkommen, mit Wassereinbrüchen, Wüstenstürmen, der Gefahr durch giftige Tiere, aber auch mit manch einem Betrug vermeintlicher Freunde. 

Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit harter Arbeit, zunächst in einer Ofenfabrik, danach bei einem Farmer und viele Jahre als Minenarbeiter. Für das Be- und Entladen der Lkw mit Weizen erfand er ein spezielles Förderband. 

Mit seiner Frau Rosi aus einer ungarndeutschen Familie teilte Günter das Hobby des „Steinesuchens“. An den Wochenenden fuhren sie ins Gebirge, um Opale und andere Edelsteine zu suchen, die sie dann zu Hause schleiften und verkauften. Durch das Gesteinsmehl entstanden wunderbare Farben, mit denen Günther entzückende Bilder schuf, die er ebenfalls verkaufte. Seine geliebte Rosi starb 2000 nach jahrelangem Leiden. Günter ist mit seinen 85 Jahren ein zufriedener Mensch. Er sagt: „Mir hat das Leben immer Spaß gemacht.“

Lieselotte Kugler: „Eisbruch und Wüstensturm. Broken Ice and Desert Storm“, Printed in Poland by Amazon Fulfillment 2022, broschiert, 211 Seiten, zahlreiche s/w-Fotos, 9,65 Euro