19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Oberste Kontrollbehörde über Unternehmen in den Mitgliedsländern in Krisensituationen zu werden – so stellt sich die EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen ihre Rolle in der Zukunft vor / Per Salami-Taktik zum EU-Zentralstaat / Immer öfter greift Brüssel in die Belange von Nationalstaaten ein – Widerstand aus Polen und Ungarn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Oberste Kontrollbehörde über Unternehmen in den Mitgliedsländern in Krisensituationen zu werden – so stellt sich die EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen ihre Rolle in der Zukunft vor
Per Salami-Taktik zum EU-Zentralstaat
Immer öfter greift Brüssel in die Belange von Nationalstaaten ein – Widerstand aus Polen und Ungarn
Norman Hanert

Die Frage, ob die Europäische Union ein Bund von Staaten oder doch schon ein Bundesstaat sei, wurde bislang mit dem Hinweis beantwortet, auf dem europäischen Kontinent entwickele sich völkerrechtlich etwas völlig Neues, eine Art Zwischenlösung. Die EU-Kommission scheint die Union allerdings immer mehr in einen Bundesstaat verwandeln zu wollen. Vergangenes Jahr hat der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle der EU-Kommission vorgeworfen, „auf kaltem Wege“ in Europa „den Bundesstaat“ anstelle des bislang bestehenden Staatenverbundes einführen zu wollen. In den vergangenen Jahrzehnten diente der EU-Kommission häufig der Hinweis auf den Schutz und die Entwicklungen des gemeinsamen Binnenmarkts, um von den Nationalstaaten mehr Kompetenzabtretungen einzufordern.

Nun nutzt Brüssel ein weiteres, äußerst wirkungsvolles Argument, um sich für fast alle Politikfelder als zuständig zu erklären. Die Kommission verweist immer öfter auf krisenhafte Entwicklungen, denen aus ihrer Sicht die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht gewachsen seien. Nicht zuletzt Großbritannien hat zu seiner Zeit als EU-Mitglied dafür gesorgt, dass Bereiche wie die Zuwanderungspolitik und das Steuerrecht in der Zuständigkeit der nationalen Regierungen geblieben sind. 

Die Migrationskrise von 2015 hat Brüssel für den Versuch genutzt, um über eine „gemeinsame Flüchtlingspolitik“ auch in Fragen der Migration die Gestaltungsmöglichkeiten der nationalen Regierungen einzuschränken. Erst vor Kurzem legte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Straßburger Europaparlament eine Steuer zur Abschöpfung sogenannter „Zufallsgewinne“ von Gas- und Ölkonzernen und von Produzenten erneuerbaren Stroms an. Die Einnahmen, laut von der Leyen immerhin 140 Milliarden Euro, sollen bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Dennoch stellt der Vorschlag einen Vorstoß auf einen Politikbereich dar, der bislang in der Gestaltungskompetenz der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten lag.

Abgesehen von den Mindestrichtlinien zum Arbeitsschutz und zum gesundheitlichen Verbraucherschutz hatte die EU vor einigen Jahren kaum Kompetenzen in der Gesundheitspolitik. Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich Brüssel auch auf diesem Politikfeld Einfluss gesichert.

Die aktuelle Energiekrise begreift die Kommission offenbar als Chance, um ihre Macht auf Kosten der demokratisch gewählten Parlamente und Regierungen in den Mitgliedsländern weiter zu vergrößern. Im September präsentierte die Kommission einen Entwurf für ein „Notfallinstrument für den Binnenmarkt“, mit dem sie sich im Krisenfall zur obersten Kon-trollbehörde über Unternehmen in den Mitgliedsländern erheben will. In dem Entwurf heißt es: „Krise bedeutet einen außergewöhnlichen, unerwarteten und plötzlichen, natürlichen oder menschengemachten Vorfall von außerordentlicher Art und Ausmaß, der innerhalb oder außerhalb der Union stattfindet.“ Allein der inflationäre Gebrauch des Begriffs „Klimanotstand“ lässt befürchten, dass Brüssel das geplante Notfallinstrument nutzen könnte, um immer stärker eine Form von zentraler Wirtschaftslenkung zu etablieren. 

Mittlerweile stoßen die Brüsseler Bestrebungen nach mehr Macht und Zentralisierung auf Widerstand. Der Ausstieg Großbritanniens aus der EU war für die Befürworter einer stärkeren Integration eine massive Niederlage. Innerhalb der EU widersetzen sich Polen und Ungarn derzeit, weitere Macht an die EU abzutreten. Auf Rückendeckung können beide Länder nun aus Rom hoffen. Giorgia Meloni, die Siegerin der Parlamentswahlen, hat sich während des Wahlkampfes klar als Anhängerin des Subsidiaritätsprinzips zu erkennen gegeben. 





Stimmen zum Thema

Bereits 1988 kündigte der damalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors an, innerhalb eines Jahrzehnts würden 80 Prozent der nationalen Gesetzgebung im Bereich Wirtschaft ihren Ursprung in Brüssel haben. 

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle hat der EU-Kommission vorgeworfen, „auf kaltem Wege“ in Europa „den Bundesstaat“ anstelle des jetzigen Staatenverbundes einführen zu wollen.

Während ihres Wahlkampfs forderte die Vorsitzende der Partei Brüder Italiens, Giorgia Meloni, die Europäische Union solle den Mitgliedstaaten „die Themen überlassen, die dem Leben der Bürger am nächsten sind.“