20.04.2024

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Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Nord Stream / Die USA hatten Motiv und Möglichkeit / Die Suche nach den Saboteuren der deutsch-russischen Gasleitung geht weiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Nord Stream
Die USA hatten Motiv und Möglichkeit
Die Suche nach den Saboteuren der deutsch-russischen Gasleitung geht weiter
Wolfgang Kaufmann

Noch immer rätselt die Welt, wer hinter den Anschlägen auf die Unterwasser-Gasleitungen Nord Stream 1 und 2 steckt. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass angesichts der Schwierigkeit und Komplexität der Sabotage nur ein staatlicher Akteur als Täter in Frage komme. Verdächtigt werden vor allem Russland und die USA. 

Laut Geheimdienstkreisen des US-Verbündeten Großbritannien haben Agenten des Kremls bereits vor längerer Zeit Sprengsätze an den Pipelines angebracht und nun gezündet. Als mögliches Motiv wird genannt, damit die EU unter Druck setzen zu wollen. Ähnlich äußerte sich der ehemalige Chef des ukrainischen Gaskonzerns Naftogaz, Andrij Koboljew. 

Christian Rieck vermutet die Täter ebenfalls in Russland. Allerdings verdächtigt der Lehrstuhlinhaber für Finanzwesen an der Frankfurt University of Applied Sciences nicht den Kreml, sondern die Opposition. Als mögliches Motiv nennt er deren Absicht, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu schaden.

Die meisten tippen auf einen Staat

Die Vereinigten Staaten als Drahtzieher vermuten ganz unterschiedliche Stimmen wie die „Global Times“, ein Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, ehemalige Pentagon-Berater unter Präsident Donald Trump, der weltweit renommierte US-Ökonom Jeffrey Sachs sowie der frühere polnische Verteidigungs- und Außenminister und jetzige EU-Parlamentarier Radosław Sikorski. Letzterer bedankte sich auf Twitter ganz offen bei den USA und fügte hinzu: „Alle ukrainischen und baltischen Staaten haben sich 20 Jahre lang gegen den Bau von Nordstream ausgesprochen. Jetzt liegt Schrott im Wert von 20 Milliarden Dollar auf dem Meeresgrund, ein weiterer Preis für Russland durch seine kriminelle Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren.“

Auch in Moskau geht man davon aus, dass die Verantwortlichen in Washington sitzen. Der Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Nikolaj Patruschew, benannte die USA explizit als Hauptverdächtigen. Und der Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow gab bekannt, zum Zeitpunkt der Detonationen habe ein US-Hubschrauber des Typs Sikorsky MH-60R „Strike Hawk“ über den Gasleitungen gekreist. 

Tatsächlich wäre es geradezu paradox, wenn Moskau die Sabotage von drei Strängen der Nord-Stream-Pipelines anordnet, um dann wenige Tage später am 5. Oktober anzubieten, über die erhalten gebliebene Leitung B von Nord Stream 2 unverzüglich Gas nach Deutschland beziehungsweise Europa zu liefern.

Bei der Beantwortung der Frage „Wem nützt es?“ findet man die plausibelsten Motive eindeutig auf Seiten der USA. Diese können nun noch größere Mengen ihres teuren Fracking-Gases verkaufen und sich über die weitere Entfremdung zwischen Deutschland und Russland freuen. Außerdem verfügten die Vereinigten Staaten auch über die Möglichkeit, Ladungen von einer halben Kilotonne Sprengkraft an den dick mit Beton und Bitumen ummantelten Rohrleitungen in rund 70 Metern Wassertiefe anzubringen. Davon zeugt nicht zuletzt die Anwesenheit des sogenannten amphibischen Angriffsschiffes „Kearsarge“, das auf Operationen mit Kampfschwimmern spezialisiert ist, in den Gewässern um Bornholm. Dieser Träger, der auch Hubschrauber des Typs „Strike Hawk“ an Bord hat, nahm vergangenen Juni am Manöver Baltic Operations (BALTOPS) teil, in dessen Verlauf die Task Force 68 der 6. Flotte der U.S. Navy den Umgang mit Unterwasserdrohnen trainierte, und zwar in dem Seegebiet, in dem die Nord-Stream-Pipelines liegen.

Sind die Schäden reparabel?

Im selben Maße umstritten wie die Urheberschaft der Anschläge ist die Frage, ob sich die drei beschädigten Gasleitungsstränge wieder reparieren lassen. Manche Experten verneinen dies. Das eingeströmte Salzwasser führe zu einer ebenso schnellen wie verheerenden Korrosion, da die Innenseite der Rohre keine Beschichtung trage. Im Gegensatz dazu äußerte der auch für den „Kraftstoff- und Energie-Komplex“ zuständige stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak, man könne die sabotierten Stränge von Nord Stream 1 und 2 durchaus wieder betriebsfähig machen. 

Wenigstens bis zu einer gewissen Größenordnung scheinen Reparaturen beschädigter Unterwasserleitungen möglich zu sein. Als 2008 ein Schiffsanker die Trans-Mediterranean Pipeline zwischen Tunesien und Sizilien zerriss, hoben Spezialschiffe die beiden Rohrenden aus 70 Metern Tiefe an die Wasseroberfläche und verbanden diese dann wieder mittels neuer angeschweißter Segmente. Etwas komplizierter war die Situation bei der norwegischen Kvitebjørn Gas Pipeline, die in 210 Metern Wassertiefe liegt. Auch in diesem Falle konnte der Betreiber Ersatzrohrstücke einsetzen, nachdem ein großes Leck aufgetreten war. Allerdings dauerte die Wiederherstellung im letztgenannten Falle fünf Monate und im erstgenannten gar über ein Dreivierteljahr.