27.04.2024

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Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Hintergrund / Richter mit Tendenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Hintergrund
Richter mit Tendenz
Norman Hanert

Mitglieder der „Letzten Generation“ haben vergangenen Montag wieder im gesamten Stadtgebiet Berlins zahlreiche Autobahnausfahrten blockiert. Andere „Aktivisten“ der Gruppe lösten im Bundestag und im Bundesverkehrsministerium Feueralarm aus. Verbunden waren die Aktionen mit der Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen und einem „bezahlbaren“ ÖPNV für alle. In einem Brief an die Bundesregierung bot die „Letzte Generation“ an, „die Störungen jederzeit zu unterlassen, sollten zumindest die ersten, einfachsten Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden“. Die Gruppierung hatte die neuerliche Welle von Straßenblockaden bereits Tage zuvor angekündigt. Die Protestaktionen würden so lange andauern, bis die Bundesregierung „zur Vernunft“ komme.

 Weder die massive Störung der Verkehrsverbindungen Berlins noch die ultimativ vorgebrachten Forderungen an die Bundesregierung sind neu. Die Gruppierung praktiziert derlei mittlerweile seit Monaten. Dass sich inzwischen auch schon Gerichte mit den Straßenblockaden der „Klimaschützer“ beschäftigt haben, scheint bislang keine nachhaltig abschreckende Wirkung entfaltet zu haben. Eher im Gegenteil. Signale aus der Politik, von Richtern oder sogar von der Spitze des Berliner Verfassungsschutzes kann der ein oder andere „Klimaaktivist“ möglicherweise sogar als Bestätigung seines Handelns auffassen.

Ungeachtet der ultimativen Forderungen an die Bundesregierung sowie der zahlreichen Ermittlungsverfahren durch Polizei und Staatsanwaltschaft bescheinigte etwa Berlins Verfassungsschutzchef Michael Fischer (SPD) erst vor Kurzem: „Diese Sitzblockaden sind ein Akt des zivilen Ungehorsams“, doch eine Zuständigkeit seiner Behörde sei nicht gegeben. Aus Sicht des Verwaltungsjuristen beeinträchtigen die „Letzte Generation“ und „Extinction Rebellion“ nicht die Funktionsfähigkeit des Staates. „Und deswegen sind wir an der Stelle raus“, so Fischer im Abgeordnetenhaus weiter.

Zu einer deutlich anderen Bewertung gelangt der innenpolitische Sprecher der CDU. Alexander Herrmann spricht ganz offen von „Straftaten, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind“. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Straßenblockaden nicht nur einen Nötigungsversuch gegenüber den Autofahrern darstellen. Die begleitend im ultimativen Ton vorgetragenen Forderungen an die Bundesregierung sind möglicherweise auch als ein Nötigungsversuch von Verfassungsorganen anzusehen.

Wie die jüngsten Blockadeaktionen der „Letzten Generation“ zeigen, haben die bisherigen Bemühungen der Justiz offenbar keinen nachhaltigen Erfolg gehabt, solche Nötigungsversuche zu unterbinden.  Angesichts der neuen Blockadewelle kommentierte der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro: „Da die bisherigen Urteile anscheinend noch nicht genügend abschrecken, hoffen wir, dass die Richter aus den Versäumnissen der letzten Klebewellen gelernt haben und mittels temporärer Ingewahrsamnahme wenigstens Folgeaktionen verhindern.“ 

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat bislang mehr als 130 Strafbefehle erlassen, zumeist wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. In einigen Fällen haben Klimaaktivisten die Strafbefehle allerdings nicht akzeptiert, sondern Einspruch eingelegt, sodass es zu einem Prozess kam. 

In einem Fall hat das Amtsgericht Tiergarten Ende August einen 20-jährigen Klimaaktivisten zu 60 Stunden Freizeitarbeit verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine Geldstrafe von 1500 Euro beantragt und wollte den Mann nach dem Erwachsenenstrafrecht wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilen lassen. Das Amtsgericht wandte allerdings das mildere Jugendstrafrecht an und sah auch den Vorwurf des Widerstands als nichtbewiesen an. In der Urteilsbegründung ließ der Richter aus Sicht von Beobachtern und Kommentatoren durchaus Verständnis für das Anliegen des Angeklagten durchblicken.

Vor Kurzem verhandelte das Amtsgericht Tiergarten einen weiteren Fall im Zusammenhang mit den Straßenblockaden. Dabei wurde ein 22-jähriger Student der Philosophie wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 200 Euro verurteilt. Bei der Verhandlung sagte der Jugendrichter ganz offen, er erkenne „das berechtigte Fernziel“ des Angeklagten an, die „Klimakatastrophe“ zu verhindern und die Politik zu bewegen, alles dafür zu tun. Der Richter fügte aber hinzu: „Es muss aber andere Wege geben!“