29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Geschichtsunterricht mal anders / Deutsche Premiere des Musicals Hamilton in Hamburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Geschichtsunterricht mal anders
Deutsche Premiere des Musicals Hamilton in Hamburg
Christiane Rinser-Schrut

George Washington kennt jeder, aber was ist mit Alexander Hamilton? Der Komponist Lin-Manuel Miranda hat nach der Lektüre einer umfangreichen Biographie über den ersten amerikanischen Finanzminister, geschrieben von Ron Chernow, begonnen, das Leben dieses Menschen auf die Bühne zu bringen, und zwar als Musical. 

Alexander Hamilton wurde in den 1750er Jahren auf einer Karibikinsel geboren, kam als Waise nach New York und wurde einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika. Heute sieht man sein Antlitz auf der Zehn-Dollar-Note. Das Musical zeigt rund 40 Lebensjahre des Aufsteigers, der sich dem Unabhängigkeitskrieg anschloss und der Sekretär von General Washington wurde, er heiratete in eine wohlhabende Familie ein, studierte erneut, schuf das US-Finanzsystem, hatte eine Affäre mit Maria Reynolds, verlor seinen Sohn und wurde zuletzt am 11. Juli 1804 erschossen. Seinen Trauerzug begleiteten Tausende.

Musical bricht mit Konventionen

Die Musicaladaption seines Lebens ist gewiss nicht eins zu eins, aber sie ist stimmungsvoll. Weil Miranda Rap und das Schnelle, Rhythmuslastige gefällt, wie er in dem Film „Vivo – Voller Leben“ gezeigt hat, erwartet den Zuschauer nicht ein vor Gefühl tropfendes Stück, sondern schnelle Musik, viel Text und wenig Erholung. Die Choreographie übernimmt dieses Schnelle, sodass immer Bewegung auf der Bühne herrscht, wobei die Bühne selbst ohne besondere Effekte auskommt. Sie funktioniert auf zwei Ebenen, die Hauptbühne enthält eine Drehscheibe, und eine Galerie bildet eine zweite Ebene. Durch die großartigen Tänzer wird der Raum dazwischen immer wieder ausgefüllt, und dabei das Bühnenbild umgebaut. Stühle werden so durch den Raum befördert und immer wieder Bücher. Tatsächlich hat der historische Hamilton eine Flut an Texten hinterlassen, allein um die von ihm mitverfasste Verfassung durchzusetzen, schrieb er 51 von insgesamt 80 Artikel. So ist es nur stimmig, dass auf der Bühne 

Federkiele, Zettel und Blätter präsent sind. Was man im Zuschauerraum nicht mitbekommt, ist, dass es sich bei den Briefen und Pamphleten um Kopien der Originale handelt.

Die große Frage war, kann ein Stück, das mit Ehrungen dafür überhäuft worden ist, dass und wie es die eigene Landesgeschichte erzählt, auch in deutscher Sprache in Deutschland funktionieren? 

Die gelungene deutsche Übersetzung von Kevin Schroeder und Sera Finale funktioniert inhaltlich, aber auch für die Stimmung, das Zwischen-den-Zeilen. Dennoch verlangt sie dem Zuhörer einiges ab. 

Das Stück wurde ganz unkonventionell von Ralf Schaedler als Casting Director besetzt. Er hat sich für Schauspieler aus insgesamt 13 unterschiedlichen Nationen entschieden und dann geschaut, welche Rolle zu wem passt. Benét Monteiro hat sich selbst für die Rolle des Alexander Hamilton vorgeschlagen. Der gebürtige Brasilianer hat viel Charisma und strahlt auf der Bühne, ist stimmlich sehr gut, aber man versteht ihn sehr schwer. Er kämpft mit der deutschen Sprache, und das strengt die Zuschauer zusätzlich zu der gewaltigen Textflut an. So fehlt den gesprochenen Beats im Gegensatz zur Studioaufnahme der US-Version der Schlag. Wer das Stück vorher nicht gesehen hat oder die Musik kennt, wird nur schwer folgen können.

Color-blind Casting

Großartig sind Gino Emnes als Hamiltons Gegenspieler Aron Burr, Jan Kersjes als King George und Redchild in den Rollen Hercules Mulligan und James Madison. Auch Ivy Quainoo als Elizabeth Schuyler braucht sich nicht zu verstecken. Die gebürtige Berlinerin erzählte auf der Presseveranstaltung, dass sie mit ihrer dunklen Haut kaum ein Angebot in Deutschland erhalte. Das „color-blind casting“,also die Auswahl der Schauspieler, ohne auf Hautfarbe und Ethnie der Figuren zu achten, stieß anderen hingegen sauer auf. So wurden in den USA nur für eine Hauptrolle, nämlich King George, und einige Nebenrollen nicht-farbige Schauspieler eingeladen, für die anderen Rollen wurden sie ausgeschlossen, um so eine möglichst große Diversität zu erhalten.

Rap, Jazz, Pop, Rhythm and Blues, Soul und Funk sind die Töne, die das Stück Hamilton bietet. King Georges Auftritt in schnulzigstem Brit-Pop setzen einen klaren Kontrast zu den Rap-Battels, den Kämpfen mit Rapmusik. 

Das Musical wird allen, denen Mirandas Hamilton schon vorher gefallen hat, auch in Hamburg gefallen, einige andere werden positiv überrascht, wieder andere werden aber von der amerikanischen Geschichte, den schnellen Schlagabtauschen und der rapdominierten Musik abgeschreckt werden. Der Verein SalutDe-

luxe e.V. von Hip-Hop-Künstler Samy Deluxe und der Geigerin Angelika Bachmann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jugendliche und Kinder unabhängig vom sozialen Hintergrund musikalisch anzuregen und zu fördern, wird begeistert sein. Die Musicalgruppe bietet Kurse an und Eintrittskarten für den Verein. So wird Hamilton auch am drittgrößten Musicalstandort der Welt funktionieren.

Die Person Hamilton fasziniert, das schnelle Leben, jede Minute nutzen, der Nachwelt etwas hinterlassen, das wirkt im bürokratisierten Deutschland erfrischend.

Stage Operettenhaus, Spielbudenplatz 1, 20359 Hamburg, Tickets ab 55,90 Euro, www.musicals.de