20.04.2024

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Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / TV-Kritik / Leicht angesäuselt / „Denver Clan“ auf Deutsch – Der ZDF-Zweiteiler „Süßer Rausch“ schüttet alle Übel einer Familienwelt aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

TV-Kritik
Leicht angesäuselt
„Denver Clan“ auf Deutsch – Der ZDF-Zweiteiler „Süßer Rausch“ schüttet alle Übel einer Familienwelt aus
Anne Martin

Manchmal sprengt das Fernsehen seine öffentlich-rechtlichen Ketten und erwartet womöglich, dass es niemand merkt. In dem ZDF-Zweiteiler über einen Schnapsbrenner-Clan („Süßer Rausch“, am 16. und 17. Oktober, 20.15 Uhr) wird inhaltlich derart überzogen, dass der Zuschauer zweifelt, ob ein gewisser Rausch womöglich auch die Ausführenden benebelt haben könnte. 

Zunächst geht es zu wie ehemals im „Denver-Clan“ – reichlich Intrigen im schicken Heim, das diesmal in Venetien liegt und nicht in Colorado. Eine ausgemusterte Gattin (Suzanne von Borsody), eine aktuelle, welche die Folgen ihrer Chemotherapie schamhaft unter einer Perücke versteckt (Desirée Nosbusch), die überspannte Schwester des Patriarchen (Leslie Malton), Kinder mit Drogenproblemen und Gewalterfahrungen, ein bisschen Sex über Kreuz – soweit, so dekadent deutsch. 

Nach dem Tod des Familienoberhauptes (Sven-Eric Bechtolf), der wie zu vermuten nicht nur seiner Gattin ein liebender Partner war, verlässt die Geschichte allerdings das Genre der gepflegten Schmonzette. Nosbusch wirft ihre Perücke in den Müll und huscht gegen Ende als eine Art kahlköpfiger Außerirdischer durch die Schnapsbrennerei, Malton gibt die durchgeknallte Irre mit Fackel in der einen und Pistole in der anderen Hand, nur die matronenhaft ausstaffierte Borsody, statt hauseigenem Grappa eher dem Rotwein zugeneigt, wahrt einigermaßen die Balance. 

Inzest, Drogen, Krebs, zum Schluss auch noch ein Mord – „Hilfe,“ mag der Zuschauer da rufen, falls er sich überhaupt noch die Mühe macht, die tägliche Fernsehkost ernst zu nehmen. Immerhin fängt die Kamera opulentere Bilder ein als seinerzeit bei der Seifenoper aus Amerika, wo vor allem die Freitreppe sowie die eingefrorene Mimik der Hauptdarstellerinnen ins Bild kamen. Da hat eine Leslie Malton bei ihrem Zwangs-Entzug als angekettete Geisel des Richters (Jörg Schüttauf) schon mehr an entgleisender Mimik zu bieten. Verblüffend auch die auf ihren Therapeuten zukriechende Patientin, die den zu professioneller Distanz verpflichteten Fachmann (Oliver Mommsen) prompt zu wirrem Liebes-Gestammel verleitet. Soll man als Zuschauer/in lachen oder weinen? 

Vielleicht hilft es, diesem Werk den Stempel Groteske zu geben. Damit wären eine gewisse Narrenfreiheit und Grenzüberschreitung quasi vorgeschrieben. Regisseurin Sabine Derflinger präsentiert übrigens derzeit eine Kino-Dokumentation über Deutschlands Chef-Feministin Alice Schwarzer, die im Dezember 80 Jahre alt wird – der geneigte Zuschauer darf gespannt sein.