26.04.2024

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Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Eiszeit in Ostpreussen / Wie Kälteperioden die Landschaft veränderten / Grund- und Endmoränen, Schwemmland- und Höhenebenen – Das Eis formte Seen, Täler und Hügel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Eiszeit in Ostpreussen
Wie Kälteperioden die Landschaft veränderten
Grund- und Endmoränen, Schwemmland- und Höhenebenen – Das Eis formte Seen, Täler und Hügel
Wolfgang Kaufmann

Die Landschaft in Ostpreußen, so wie der Mensch sie vorfand, als er im 11. Jahrtausend v. Chr. erstmals hier Fuß fasste, ist ein Produkt der Eiszeiten. In deren Verlauf kam es in den letzten 400.000 Jahren zu drei großen Vorstößen des Skandinavischen Inlandeises beziehungsweise Fennoskandischen Eisschildes, wobei die Eisgrenze mal etwas mehr und mal etwas weniger weit im Süden lag. Das Gebiet des heutigen Ostpreußen befand sich aber stets komplett oder zumindest fast vollständig unter dem bis zu drei Kilometer dicken Eispanzer.

Wormditt–Heilsberg–Angerburg

Die letzte Kaltzeit, die seit 1909 auf Vorschlag der Königlich-Preußischen Geologischen Landesanstalt als Weichsel-Kaltzeit bezeichnet wird, hatte mehrere Phasen. Dabei walzte das Eisschild während des Weichsel-Hochglazials zwischen etwa 20.000 und 16.000 v. Chr. über Ostpreußen hinweg, bis es sich dann erneut zurückzog, wonach schließlich der abrupte Temperaturanstieg um 9660 v. Chr. folgte. Zurück blieb eine typische, durch die sogenannte Glaziale Serie geprägte Landschaft. Deren Bestandteile sind vor allem Grundmoränen, bogenförmige Ketten von Endmoränen sowie vorgelagerte, von zahlreichen Seen durchsetzte Schwemmlandebenen aus Sand, Kies und Geröll.

Grundmoränen finden sich in Ostpreußen nördlich der Linie Wormditt–Heilsberg–Angerburg. Durch den gewaltigen Druck des Eises wurden die oberen Gesteinslagen zermalmt und es entstanden Unmengen von Geschiebemergel. Von Brunnenbauern vorgenommene Bohrungen zeigten, dass Mergelschichten von stellenweise bis zu 200 Metern Dicke auf dem Grundgestein liegen, was vom gigantischen Zerstörungswerk des Eisschildes kündet und erhebliche Konsequenzen für die spätere Landwirtschaft in Ostpreußen hatte: Rund 68 Prozent der Ackerböden der östlichsten deutschen Provinz sind tonig-lehmig und dadurch oft auch sehr schwer, weswegen sie vorrangig für den Anbau von Weizen und Rüben taugen. 

Wenn sich unter dem Eis besonders hartes Gesteinsmaterial befand, dann wurde es nicht zermahlen, sondern nur rundgeschliffen. Solche Findlinge der verschiedensten Größen kamen später beim Bau von Burgen, Straßen und Hafenanlagen zum Einsatz, sofern man sie wegen ihres Gewichtes nicht an Ort und Stelle beließ wie den sagenumwobenen Borstenstein bei Neukuhren.

Die Kette der Endmoränen in Ostpreußen erstreckt sich in etwa entlang der Linie Neidenburg–Ortelsburg–Johannisburg. Im Gegensatz zu den flachwelligen ausgedehnten Grundmoränen, welche übrig blieben, als der darüber liegende Gletscher abschmolz, kennzeichnen die Endmoränen den Punkt des weitesten Vordringens des Eises. Dabei können sie eine beachtliche Höhe erreichen, wenn beim Vorstoß des Gletschers das vorhandene Bodenmaterial an der vorderen Eiskante aufgeworfen wurde.

Die Endmoränen in Ostpreußen sind Teil des Baltischen Landrückens, der sich südlich der Ostsee mit manchmal 200 Kilometern Breite von Jütland bis nach Estland zieht und im 329 Meter hohen Turmberg nahe der westpreußischen Stadt Berent gipfelt. Weiter östlich davon ragen die Kernsdorfer Höhe südwestlich von Allenstein und der Seesker Berg bei Goldap bis auf 312 beziehungsweise 309 Meter auf, was die Kernsdorfer Höhe zum höchsten Berg Ostpreußens macht. Hier kann sogar Wintersport betrieben werden: Steile Abfahrten und ein Skilift sind vorhanden. Ebenfalls zum Skifahren taugt der 111 Meter hohe Galtgarben in der Moränenlandschaft des samländischen Alkgebirges.

Ein weiteres Erbe der Eiszeit stellen die Masurische und die Eylauer Seenplatte dar. Diese entstanden beim Abschmelzen der Gletscher, als das Wasser zuerst allerlei Senken in den Boden grub und sich dann darin sammelte. Dabei riss es auch jede Menge Sand mit, der rund um die Gewässer sowie allgemein im flachen Vorfeld der Endmoränen liegen blieb, wo man nun für die Landwirtschaft weitgehend ungeeignete Gebiete wie die Rominter Heide mit ihren ausgedehnten Kiefernwäldern findet.

Die Küstenlinie der Ostsee entstand

Dann bildete sich zum Ausgang der Weichsel-Kaltzeit auch noch die heutige, 220 Kilometer lange Küstenlinie von Ostpreußen heraus. Mit dem Abtauen des Fennoskandischen Eisschildes entstand die Ostsee, wobei dieser Prozess von etwa 10.000 v. Chr. bis 500 n. Chr. andauerte. Zunächst flossen die Schmelzwässer der Gletscher bis 8500 v. Chr. im Großen Baltischen Eisstausee zusammen. Dann verband dieser sich zwischen 8000 und 7700 v. Chr. mit der Nordsee, wodurch das Yoldia-Meer entstand. Das wiederum mutierte infolge der Hebung Skandinaviens nach dem Wegfall des Drucks seitens des Fennoskandischen Eisschildes zu einem Binnenmeer, genannt Ancylus-See, welches bis 6000 v. Chr. existierte. Anschließend strömte wieder Salzwasser aus der Nordsee ein, was die Geburtsstunde des Littorina-Meeres war, aus dem sich in den letzten 2000 Jahren die heutige Ostsee entwickelte.

Parallel zu der immer noch stattfindenden Hebung Skandinaviens um aktuell neun Millimeter pro Jahr findet an der ostpreußischen Küste eine ausgleichende Absenkung statt, weswegen das Bild der Landschaft auch in der Zukunft sichtbare Veränderungen erfahren wird.