23.04.2024

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Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Nahostkonflikt / Ein israelischer TV-Journalist berichtet / Ohad Hemo war zu lebensgefährlichen Einsätzen im Westjordanland und im Gazastreifen unterwegs – Er sprach mit radikalen und gemäßigten Palästinensern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Nahostkonflikt
Ein israelischer TV-Journalist berichtet
Ohad Hemo war zu lebensgefährlichen Einsätzen im Westjordanland und im Gazastreifen unterwegs – Er sprach mit radikalen und gemäßigten Palästinensern
Dirk Klose

Viel wurde bereits zum Nahostkonflikt geschrieben. Zweifelnd greift man zunächst zu Ohad Hemos Buch „Jenseits der grünen Linie“, um bald von dessen aufrüttelnder Darstellung und der ausgewogenen Schilderung eingenommen zu sein. Hemo ist ein in Israel populärer Fernsehjournalist, der auch im Westjordanland und im Gazastreifen wegen seiner Fairness geschätzt wird. In diesem Buch resümiert er seine Berichterstattung aus den Palästinensergebieten, die teilweise unter lebensgefährlichem Einsatz erfolgte. 

Die Stärke des Buches liegt in den Hintergrundinformationen, die der Autor in vielen Gesprächen mit Kämpfern und Politikern der Hamas, der Fatah und des Islamischen Dschihad gewonnen hat. Teils hat er sich darum bemüht, oft aber war er zu Gast bei Palästinensern, die im freundlichsten Gespräch Selbstkritik, Wunschdenken oder größte Brutalität offenbarten. 

Der Autor geht alle relevanten Felder durch: die den Gazastreifen beherrschende Hamas-Bewegung; die unter Premier Abbas im Westjordanland regierende Fatah; die im Moment abgeklungenen Selbstmordattentate; die israelischen Gefängnisse, in denen Hunderte palästinensischer Kämpfer und Attentäter einsitzen und die ein Ort des Lernens auch hin zu Mäßigung und Toleranz geworden sind; die von allen arabischen Verantwortlichen bewusst als solche „konservierten“ Flüchtlingslager und das Thema Kollaborateure, die es offenbar zu Hunderten gibt. 

Man liest das Buch ebenso erleichtert wie fassungslos. Erleichtert, weil viele Palästinenser sagen, dass sie der offiziellen Kriegsrhetorik von Hamas und teilweise auch Fatah innerlich längst abgeschworen haben, dass sie in Frieden leben und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen wollen, ja, dass sie Israel wegen seiner hohen Zivilisation und Kultur insgeheim bewundern. Aber dann auch fassungslos: Ein Kämpfer des radikalen Dschihad sagt unverblümt: „Wir hassen euch; sobald wir können, werden wir euch auch vernichten.“ Alle Palästinenser sähen Israel als Feind. 

Das Buch richtet sich zuerst an Leser in Israel. Außerhalb hätte man sich klärende Worte über das israelische Sicherheitsbedürfnis gewünscht. Hemo geht durchaus nicht mit allem konform. Voller Scham beschreibt er die Einlasskontrollen für arabische Pendler, die täglich zur Arbeit kommen: „Ich lehne mich auf dagegen, wie mein Land mit diesen Menschen umgeht, die sich nichts anderes haben zuschulden kommen lassen, als auf der falschen Seite der Mauer geboren worden zu sein.“

Ohad Hemo: „Jenseits der grünen Linie. Ein Israeli berichtet aus den palästinensischen Gebieten“,  Ch. Links Verlag, Berlin 2022, gebunden, 304 Seiten, 25 Euro