25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022 / Umbenennungen in Ostpreussen / Wie deutsche Ortsnamen verschwanden / Lötzen erhielt innerhalb eines Jahres zwei weitere Namen – Orientierung meist an Persönlichkeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-22 vom 14. Oktober 2022

Umbenennungen in Ostpreussen
Wie deutsche Ortsnamen verschwanden
Lötzen erhielt innerhalb eines Jahres zwei weitere Namen – Orientierung meist an Persönlichkeiten
Wolfgang Reith

Sensburg gilt als die Stadt Ostpreußens, in der es am spätesten Frühling und am ehesten Herbst wird. Sensburg ist zugleich eine der wenigen Städte im südlichen Teil Ostpreußens, die nach dem Zweiten Weltkrieg statt der historischen polnischen Bezeichnung einen völlig neuen Namen – zu Ehren von Vorkämpfern des Polen- beziehungsweise Masurentums – erhielten. 1945 wurde Sensburg zunächst in Ządźbork (alte masurische Bezeichnung) umbenannt, seit 1947 heißt es jedoch Mrągowo – nach dem evangelischen Pfarrer und Lehrer Christoph Coelestin Mrongovius (1764–1855), der in Danzig wirkte und sich 1842 mit einer Petition an den preußischen König wandte, in der er sich mit Erfolg gegen die Germanisierung in den Schulen beziehungsweise für die Beibehaltung des Masurischen als Unterrichtssprache einsetzte.

Nachdem die Rote Armee 1945 den größten Teil Ostpreußens besetzt hatte, übergab die sowjetische Militäradministration ab Mai des Jahres die Verwaltung in die Hände der Polen, die sich in zunehmender Zahl ansiedelten. Am 13. November 1945 wurde ein „Ministerium für die wiedergewonnenen Gebiete“ etabliert, das am 7. Mai 1946 im Zusammenwirken mit dem Ministerium für öffentliche Verwaltung eine Verordnung über die Umbenennung der deutschen Ortsbezeichnungen erließ und deren amtliche polnische Schreibweise festlegte. Bis dahin waren die meisten deutschen Ortsnamen provisorisch ins Polnische übersetzt worden. 

So hatte Angerburg die Bezeichnung Węgobork erhalten, Johannisburg hieß nun Jańsbork, Neidenburg Nidbork, aus Rastenburg war Rastembork, aus Sensburg Ządźbork und aus Wartenburg Wartembork geworden. Mit der neuen Verordnung änderte sich dies, und noch am Tag ihrer Verkündung erfolgte die Umbenennung von Węgobork in Węgorzewo, von Jańsbork in Pisz, von Nidbork in Nidzica und von Rastenburg in Kętrzyn. Wartembork zog am 4. Dezember 1946 nach und änderte seinen Namen in Barczewo. Lötzen hingegen hatte bereits am 4. März 1946 die Bezeichnung Giżycko erhalten, während Ządźbork erst nach längeren Diskussionen am 26. Oktober 1947 den festgesetzten neuen Namen Mrągowo annahm.

Węgorzewo leitet sich vom polnischen Wort „Węgorz“ ab, das für „Aal“ steht und ein Verweis darauf ist, dass dieser Fisch hier häufig gefangen wird. Durch Nidzica fließt die Neide [Nide], die der Stadt den Namen gab, und Pisz geht auf das Flüsschen Pissa [Pisa Galinda] beziehungsweise [Pisa Warmińska] zurück, das im benachbarten Pisz-See entspringt. 

Die übrigen genannten Städte bekamen völlig neue Namen. So erhielt Rastenburg/Rastembork den Namen Kętrzyn zu Ehren von Wojciech Kętrzyński, bei dem es sich eigentlich um den 1838 in Lötzen geborenen Adalbert von Winkler handelte. Seine Mutter war Deutsche, sein Vater kaschubisch-polnischer Herkunft. Während der Gymnasialzeit in Rastenburg und des nachfolgenden Geschichtsstudiums an der Königsberger Albertina „entdeckte“ er seine polnischen Wurzeln und führte seit 1861 den polnischen Namen, den er wörtlich übersetzt hatte. Von 1873 bis zu seinem Tod 1918 wirkte er als Direktor der historischen Sammlungen am Ossolineum in Lemberg. Seine 1872 erschienene Schrift „Über Masuren“ bildete die Grundlage für den Anspruch Polens auf die Region.

Wartenburg [Wartembork] erhielt die Bezeichnung Barczewo nach dem katholischen Geistlichen Walenty (Valentin) Barczewski (1856–1928), der sich als Mitglied des Provinziallandtages von Ostpreußen wie auch des Zentralkomitees der Polen im Deutschen Reich für die polnische Sprache in seiner Heimat einsetzte. 

Einsatz für die masurische Sprache

Giżycko für Lötzen leitet sich ab vom Familiennamen des Gustav Gisevius (1810–1848), der Pfarrer an der Polnischen Kirche in Osterode war und sich maßgeblich der Bewahrung der masurischen Kultur verschrieb. 1834 hielt er sich eine Zeitlang in Lötzen auf und war 1842 dort Mitbegründer der ersten weltlichen Zeitschrift Masurens. Sowohl Gisevius als auch Mrongovius setzten sich zwar für den Erhalt der polnischen/masurischen Sprache und Kultur ein, machten aber andererseits deutlich, dass sie sich als preußische Staatsbürger fühlten und in Loyalität zum preußischen König standen, was in der polnischen Masurenpropaganda gerne unterschlagen wird. So erkannte die Gruppe masurischer Pfarrer, der beide angehörten, durchaus die Notwendigkeit deutschen Sprachunterrichts in den Schulen an.

Für Lötzen war die Umbenennung in Giżycko die dritte innerhalb eines Jahres. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Roten Armee Ende Januar 1945 erhielt die Stadt den alten polnischen/masurischen Namen Lec, doch bereits im August desselben Jahres wurde dieser durch Łuczany ersetzt. Die erneute Umbenennung am 

4. März 1946, die unter anderem wegen einer möglichen Verwechslung mit Rudczanny erfolgte (das aber schon am 16. Juli 1938 in Niedersee umbenannt worden war und 1945 den Namen Ruciane erhielt), stieß auf nicht ungeteilte Zustimmung in der Bevölkerung, und so lebt der alte Name bis heute fort im Lötzener Kanal [Kanał Łuczański], der in den Jahren 1765 bis 1772 erbaut wurde und den Löwentin- mit dem Kissainsee verbindet. Ebenso verwenden einige gastronomische Einrichtungen und die Verkehrsbetriebe der Stadt bis heute den alten Namen weiter. Seit einigen Jahren führt sogar die Weiße Flotte auf ihren Schiffen gelegentlich beide Bezeichnungen (Giżycko und Łuczany) mit dem Hinweis „Herz Masurens“.

Polens Ansprüche auf Ostpreußen

Die erwähnte Verordnung vom 7. Mai 1946, mit der die polnischen Ortsnamen festgelegt wurden, bezog sich auf eine entsprechende Verordnung des Präsidenten der Republik Polen vom 24. Oktober 1934. In jenem Jahr erschienen in Warschau Regionalkarten für ganz Ostpreußen, die den historischen und kulturellen „Anspruch“ Polens auf das Gebiet untermauern sollten. Darin findet man auch die polnischen Bezeichnungen für Städte und Kreise, die heute im russischen, nördlichen Teil Ostpreußens liegen (etwa Królewiec für Königsberg, Gąbin Pruski für Gumbinnen oder Wystruć für Insterburg). Die Regionalkarten waren Teil einer größeren Ausgabe, die den Titel „Deutschland, Preußen, Ostpreußen“ („Niemcy, Prusy, Prusy Wschodnie“) trug, wobei das zentrale Gebiet als „Preußisch Masuren“ („Mazury Pruskie“) ausgewiesen war. 

1995 wurden Nachdrucke dieser Karten veröffentlicht. Während die Originale von 1934 weitgehend die deutschen Ortsbezeichnungen enthalten, wobei auch die alten masurischen Namen eingetragen sind, erscheinen in dem Nachdruck von 1995 hinter den deutschen Ortsnamen jeweils in Rot die heutigen polnischen Bezeichnungen (also für Lötzen „Giżycko“, für Sensburg „Mrągowo“ oder für Rastenburg „Kętrzyn“). In der Ortsbeschreibung für Lötzen werden überdies alle früher gebräuchlichen oder in Urkunden verwendeten Namen der Stadt aufgeführt: Lece, Loczany, Lecko, Lehtczem, Letzkenborg, Lesken, Leeczen, Leitcze, aber auch Lötzen und Neuendorf.

Eine letzte Namensänderung erfolgte übrigens 1950, als das Städtchen Drengfurt(h), das 1946 die polonisierte Ortsbezeichnung Dryfort erhalten hatte, in Srokowo umbenannt wurde. Damit ehrte man den im selben Jahr verstorbenen polnischen Geographen und Diplomaten Stanisław Srokowski (1872–1950), der von 1946 bis zu seinem Tod als Leiter des Komitees zur Festsetzung von Ortsnamen in Polens „wiedergewonnenen Gebieten“ fungierte.